World of Warcraft, StarCraft, Hearthstone, Klassiker wie Lost Vikings – Blizzard steht für Qualität und Kreativität und auch unternehmerisch scheint das Spielestudio alles mindestens soweit richtig zu machen, dass Entwickler aus aller Welt eine Stelle bei Blizzard Entertainment als Traumjob verstehen. Inzwischen muss man vermutlich sagen: verstanden haben, denn vom makellosen Image der einstigen Vorzeige-Spieleschmiede sind nur noch Bruchstücke übrig. Blizzard hat es geschafft, seinen Ruf in wenigen Jahren zu zerschmettern.
– ein Kommentar von André Volkmann
Große Marken hat Blizzard einst erschaffen, ganze Genres massentauglich gemacht – und das beständig seit Jahrzehnten. Noch auf der Blizzconline 2021, der coronabedingt alternativen Blizzcon-Show als rein digitales Format, hatte man seine Klassiker gefeiert und sich als vorbildliches Unternehmen präsentiert. Dazu gehörte neben der Vorstellung der nostalgisch-spielerischen Perlen wie Lost Vikings, Rock & Roll Racing, Blackthorne und Co auch die Predigt von Weltoffenheit und Gleichheit. Vorgetragen von J. Allen Brack im T-Shirt mit regenbogenfarbenem Blizzard-Logo – inzwischen ehemaliger Präsident von Blizzard, denn Brack ist weg. Ebenso Blizzards HR-Chef Jesse Meschuk. Er wird vermutlich nicht der letzte gewesen sein, der das Unternehmen verlassen muss.
Ihr wisst nicht, was euch erwartet
Die Gründe für das große Aufräumen in der Führungsetage? Beschwerden über unter anderem sexuelle Belästigung. Ein kalifornisches Ministerium reichte deswegen am 20. Juli Klage gegen Blizzard ein. Und Tausende Mitarbeiter der Spieleschmiede sprangen auf diesen Zug auf, nutzten vielleicht die Chance, Probleme öffentlich zu machen. Im Ergebnis unterzeichneten sie einen offenen Brief an die Führungsriege und setzten sich so für die Opfer ein.
Activision-Chef Bobby Kotick reagierte blitzschnell, das muss man ihm lassen: J. Allen Brack musste raus, dafür formen nun Mike Ybarra und Jen O’Neal die neue Doppelspitze. Damit steht erstmals eine Frau in der präsidialen Leitung des Spielestudios. Das ist ein historischer Schritt. Konsequent. Richtig. Wünschenswert. Noch schöner wäre es allerdings gewesen, wenn man dazu nicht indirekt gezwungen worden wäre. So nämlich hat die Berufung ein „Geschmäckle“. Es ist eine klare Botschaft, aber auch ein Symbol für Versäumnisse in der Vergangenheit. O’Neal fungiert nun als eine Art Mahnmal. Vielleicht auch, weil sie keine jener Mitarbeiterinnen ist, die seit Jahrzehnten für Blizzard tätig sind: Jen O’Neal ist erst seit Januar dabei, war vorher Studioleiterin von Vicarious Visions. Zweifellos hat die Frau etwas auf dem Kasten, aber ihre Präsidentschaft wirkt nun wie ein erzwungener Schnellschuss, um weitere Imageschäden zu begrenzen. Das wird funktionieren, sich aber gleichzeitig nicht mehr umkehren lassen. Die Schäden sind bereits angerichtet.
Blizzard hat seinen makellosen Ruf innerhalb weniger Jahre mit aller Macht zerschmettert. So sehr, dass man den Verantwortlichen fast schon Absicht vorwerfen könnte. Dabei wären die rein spielerischen Misserfolge langfristig keine Dramen gewesen: Diablo 3 war erfolgreich, aber irgendwie anders als von den Fans erhofft. Die Auffrischungskur für Warcraft 3 kam nicht gut an. Wegen World of Warcraft zetern Fans ohnehin seit Jahrzehnten – und spielen es trotzdem. Schwamm drüber. Diablo 4 steht in der Pipeline, Overwatch 2 auch. Und sogar der Mobile-Ableger Diablo Immortal scheint weitaus besser zu werden als gedacht. Blizzard standen eigentlich rosige Zeiten bevor.
Personal global
Und dann hämmert man, ausgerechnet in einer Branche, in der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der ganzen Welt anheuern und in der Kreativität und Einsatz im Mittelpunkt stehen, mit jenen Grundprobleme der Games-Community, die man seit Jahren hätte erkennen können, mit Wucht auf seinem Image herum? Unfassbar. Frauen seien begrapscht worden, belästig, unerwünscht körperlich berührt, sie verdienten weniger Geld in gleicher Rolle, seien erniedrig worden, aufgrund ihres Aussehens eingestellt oder abgelehnt worden, abfällig behandelt, sogar gedemütigt worden – die Liste der vorgeworfenen Verfehlungen ist lang. Sogar Beispiels werden angeführt. Sie gipfeln in einer Geschichte über den Suizid eines Mitarbeiters, den das kalifornische Ministerium in seiner Einreichung mit Belästigung in Verbindung bringt. Als wäre das nicht schlimm genug, sollen Führungsmitarbeiter die Angelegenheiten nicht oder nur oberflächlich behandelt haben. Mehrere Magazine haben ausführlich berichtet über die mutmaßlichen Geschehnisse – ob alles davon stimmt oder nur ein Teil. Oder ob Gerichte am Ende sogar für Blizzard entscheiden. Es ist egal: der Schaden ist längst angerichtet, weil die bloße Möglichkeit eines solchen Missmanagements aufhorchen lässt.
Vom einstigen Vorbild wird am Ende nicht mehr viel übrig bleiben. Die Vorwürfe haben Blizzard von einem Über-Unternehmen zu einem weiteren Spielestudio gemacht, in dem jene Arbeitsbedingungen vorherrschen könnten, die immer mehr und immer eindringlicher geächtet werden. Dabei wäre es doch alles so einfach: Denkt nicht über Geschlechter nach. Zahlt gleiche, faire Gehälter. Behandelt euch respektvoll.
Blizzard hatte gegenüber verschiedenen Magazinen Stellung bezogen, unter anderem angeführt das DFEH („California Department of Fair Employment and Housing“) sei gesetzlich verpflichtet zu untersuchen*. Die Probleme hätte man lösen wollen, bevor es zu einem Rechtsstreit gekommen sei. Vor Gericht würde man zeigen, dass die eingereichte Beschwerde ungenau sei. Die Einreichung sei zudem „verzerrt“ und enthielte in „vielen Fällen falsche Beschreibungen“. Das ist der eigentliche Skandal, denn ein maximales Dementi kann es offenbar nicht geben.
Große Sponsoren haben längst reagiert. Die nordamerikanische Niederlassung von T-Mobile hat sich aus der Overwatch-League und der Call of Duty-League eilig zurückgezogen. Es liegt zumindest nah, dass dies aufgrund der internen Probleme bei Blizzard-Activision geschehen ist. Auch Coca Cola überprüft zumindest die Sponsorenschaft. Bei den Spielern selbst zeigt sich dann wieder das Grundproblem, das Blizzard zum Stolpern bringen könnte: Es geht doch nur um Spiele, heißt es von jenen, die ignorieren und verdrängen. Dass frauenfeindliche Sprüche bei der Diskussion fallen, dürfte kaum verwundern angesichts des seit Jahren immer präsenter werdenden Themas in der Szene.
Klar ist: Die Zeiten, in denen Spieleentwickler Narrenfreiheit genossen haben, was den Umgang mit ihren Mitarbeitenden angeht, sind längst vorbei. Jetzt weht ein eisiger Wind in der Branche.
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The Art of DIABLO *
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