Ein Kickstartererfolg „Made in Germany“ ist Forests of Pangaia (oder Forests of Pangaea). Das Spiel von Thomas Franken sprach mit seiner Crowdfunding-Kampagne im Jahr 2021 über 7.500 Personen an, die zusammen mehr als 400.000€ zur Realisierung des Spiels beigetragen haben. Nach einigen coronabedingten Verzögerung, die allerdings durchgehend vorbildlich kommuniziert wurden, wurde das Spiel nun im Frühjahr ausgeliefert. Seit Kurzem gibt es das Spiel auch im Shop bei Skellig Games. Wir haben die Deluxe-Ausgabe des Spiels und können von unseren Erfahrungen berichten.
Ein Spiel, das Area Control Elemente bietet, schön aussieht und auch noch bereits bei geringer Personenzahl funktioniert, ist nicht einfach zu finden. Forests of Pangaia bietet genau das.
Hinter dem traumhaft schönen Artwork und toll anzufassenden Material verbirgt sich ein doch recht abstraktes Spiel, das es trotz seines recht prägenden Area Control-Element schafft, bei allen Gruppengrößen zu überzeugen.
Alle Spielenden sind junge Naturgeister, die von Gaia damit beauftragt wurden, erstes Leben in die Welt zu bringen. Pangäa war die letzte zusammenhängende Landmasse, die vor ca. 250 Millionen Jahren existierte. Über die Millionen von Jahren und dank der Bewegungen der Kontinentalplatten hat sich das Angesicht der Erde zu dem entwickelt, wie wir es heute kennen.
Die Naturgeister müssen bereits vor dem Auseinanderbrechen des Kontinents aktiv werden. In einem gemeinsamen Bereich, bestehend aus vier unterschiedlichen Geländearten, lassen sie Bäume wachsen und wieder verfallen, um mit Ritualen die Gunst von Gaia, der Göttin der Erde, zu gewinnen.
Natürlich schön
Hält man die Box, die für sich schon ein Kunstwerk ist, das erste Mal in der Hand und packt das Spiel aus, fällt eine Sache direkt positiv auf: kein Plastik. Das gut durchgedachte Inlay ist aus stabiler Pappe, die Holzmaterialien sind in Stoffbeutelchen sicher verstaut und auch die Stanzbögen sind nicht, wie es oft unnötiger Weise gemacht wird, zusätzlich eingeschweißt. Hier können sich viele Verlage und Produzenten noch etwas abschauen.
Ist man fertig mit Staunen über das wunderschöne Spielmaterial aus Holz und die tollen Illustrationen auf den Karten, kann man sich an die Spielregeln setzen, die ebenfalls wunderschön gestaltet sind.
Auf zwölf Seiten erfährt man hier alles, was man für eine Partie wissen muss. Wer direkt solo spielen möchte, muss noch vier zusätzliche Seiten lesen.
Wachsen und Verfallen
Die einzelnen Spielzüge sind in drei Phasen aufgeteilt. Zu Beginn darf man alle seine Samen sprießen lassen. Aus einem Samen wird ein Baum der Stufe eins. „Stufe“ bezeichnet die Höhe eines Baumes. Für jede aufgesetzte Baumkrone steigt der Baum um eine Stufe auf. Bäume dürfen so hoch wachsen, wie man Baumkronen zur Verfügung hat.
Für jeden durch das Sprießen gewachsenen Baum erhält man eine Ressource der Geländeart (Regen, Schnee, Sonne oder Wind), auf der der Baum gewachsen ist. Befinden sich Samen von mehreren Personen auf einem Feld, muss man die Mehrheit haben, um im eigenen Zug seine Samen sprießen zu lassen. Herrscht hier Gleichstand, werden die angrenzenden Felder und die darauf stehenden Bäume und Geistfiguren mit einbezogen.
Nach dem Sprießen darf man eine von drei möglichen Waldgeistaktionen ausführen.
Beim Pflanzen stellt man den eigenen Waldgeist auf ein Seefeld und darf beliebig viele verfügbare Samen auf einem angrenzenden Feld platzieren.
Beim Ruhen platziert man den Waldgeist auf dem eigenen Tableau an der entsprechenden Stelle und erhält eine Ressource des eigenen Typs (für jeden Gebietsart gibt es einen Waldgeist) für jedes freie Baumkronenfeld auf dem eigenen Tableau. Baumkronen können im dritten Schritt des Zuges gekauft werden.
Rituale für Gaia
Die für Siegpunkte wichtigste Aktion unter den drei Waldgeistaktionen ist das Beten. Hiermit erfüllt man eine der drei offenliegenden oder die private Ritualkarte.
Es gibt drei unterschiedliche Arten von Rituale: Pfad, Stern und Gipfel. Die Rituale des Pfades geben zwei Geländearten vor. Auf je einem Feld dieser Geländeart muss ein eigener Baum stehen. Zwischen diesen eigenen Bäumen muss eine durchgehende Verbindung mit Bäumen bestehen, die jedoch nicht alle einem selbst gehören müssen. Für jeden eigenen Baum und jeden gegnerischen Baum der Stufe eins gibt es einen Punkt. Befinden sich im kürzesten Pfad gegnerische Bäume der Stufe zwei der höher gibt erhält die Person, der der Baum gehört eine Ressource der entsprechenden Geländeart.
Von der Wertung her sehr ähnlich ist das Ritual des Sterns. Hierbei muss ein eigener Baum auf einem Feld des auf der Ritualkarte angegebenen Geländes stehen. Alle direkt angrenzenden Bäume werden hier nach den gleichen Regeln wie bei einem Ritual des Pfades in die Wertung mit einbezogen.
Sowohl nach einem Ritual des Pfades als auch nach einem Ritual des Sternes verfallen alle eigenen beteiligten Bäume um eine Stufe. Bäume der Stufe 1 verschwinden und können einen Samen hinterlassen.
Etwas anderes funktioniert das Ritual des Gipfels. Hierbei muss man einen Baum auf der angegebenen Geländeart besitzen, der höher ist, als alle angrenzenden Bäume. Man erhält Punkte in Höhe der erreichten Stufe des Baumes +1. Der Baum verfällt danach vollständig und kann eine seiner Höhe entsprechende Anzahl Samen auf dem ehemals besetzten und allen angrenzenden Feldern hinterlassen.
Aller guten Dinge sind drei
Um den eigenen Zug abzuschließen, darf man nun noch beliebig viele Baumkronen kaufen. Die Kosten liegen zwischen einer und vier unterschiedlichen Ressourcen. Es können beliebig viele Ressourcen durch Punkte ersetzt werden. Schaltet man so Samen frei, darf man sie im gesamten weiteren Spielverlauf benutzen. Baumkronen müssen nach dem Verfall in Ritualen immer wieder neu gekauft werden.
Wurde die letzte Ritualkarte aus der Auslage genommen, folgt die Schlusswertung. Hier werden zu den im Spielverlauf gesammelten Punkten noch die Punkte hinzugezählt, die man für das Freischalten einzelner Baumkronen erhält. Außerdem dürfen alle nun ihre private Ritualkarte erfüllen, ohne dass dadurch Bäume verfallen.
Dies ist wichtig, um anschließend noch das optionale Modul der Erfolgskarten werten zu können. Diese Erfolgskarten geben Siegpunktbedingungen vor und wer diese am besten erfüllt, erhält drei Punkte. Es sind zwei dieser Erfolgskarten im Spiel.
Spielen wir zu zweit nutzen wir aber am liebsten noch eine dritte, so dass nicht beide jeweils eine erfüllen und der Mehrwert dieses Moduls begrenzt wäre.
Das zweite optionale Modul sind die Segenkarten. Sie bieten einmalige Sonderfähigkeiten, die jederzeit im eigenen Zug genutzt werden können. Man erhält eine Segenkarte für das erste Ritual, was man vollzieht und kann jederzeit für zwei gleiche Ressourcen drei Segenkarten ziehen und eine davon auswählen.
Der Solomodus: „Spirit Forest“
Ein ganz neues Spielgefühl bietet der hervorragende Solomodus. Auch hier sind die Rituale der Schlüssel zum Sieg, doch geht es hier weniger darum, für sich die besten Punktzahlen zu erzielen, sondern viel mehr muss man verhindern, dass ein korrumpierter Waldgeist die Vorherrschaft übernimmt und dem Land seine ganze Kraft raubt.
Der korrumpierte Waldgeist startet mit allen Spielmaterialien neben seinem Tableau. Das Ziel im Solomodus ist es, diesem Waldgeist Einhalt zu gebieten und alle sechs Baumkronen und drei Samen auf dessen Spieltableau zu versiegeln.
Um dies zu tun, müssen die korrumpierten Bäume Teil der eigenen Rituale sein. Anders als im Mehrpersonenspiel verfallen diese „fremden“ Bäume beim Durchführen von Ritualen ebenfalls. Analog zum Freischalten von Baumkronen im dritten Schritt des eigenen Zuges, können diese verfallenen korrumpierten Baumkronen auf der Tafel des korrumpierten Waldgeists gebunden werden.
Hierfür müssen die entsprechenden Ressourcenkosten bezahlt werden. Samen können auf dem Tableau gebunden werden, in dem die angrenzenden Baumkronenfelder mit gebunden Baumkronen besetzt werden. Die Segenkarten sind immer Teil des Solospiels. Man erhält sie, wenn man Baumkronen auf den Feldern bindet, die eigentlich Siegpunkte geben würden.
Die Aktionen des korrumpierten Waldgeists werden über ein 9-teiliges Aktionsdeck bestimmt. Vier unterschiedliche Aktionen sind hierbei möglich. Das sprießen der Samen und Wachsen von korrumpierten Bäumen kennt man so ähnlich bereits aus dem Mehrpersonenspiel.
Wirklich schwierig wird es, wenn der korrumpierte Waldgeist Einfluss auf die gesunden Bäume nimmt. Er kann dafür sorgen, dass diese um eine Stufe verfallen oder eine eigene Baumkrone auf einen gesunden Baum platzieren. Dieser Baum zählt dann unabhängig davon, was unter der korrumpierten Baumkrone ist, als korrumpiert.
Im Solomodus hat das Land selbst Energie, die mittels Ressourcenmarkern dargestellt wird. Hat der korrumpierte Geist mindestens vier Geländeplättchen ihrer Energie beraubt und auch noch einen Korruptionsmarker darauf platziert, verliert man das Spiel. Ebenso verliert man, wenn keine Rituale mehr verfügbar sind.
Ein Geländeplättchen verliert seine Energie bzw. erhält einen Korruptionsmarker, wenn der korrumpierte Geist sich nicht bewegt hat oder die Gewitterkarte gezogen wurde, die gleichzeitig das Neumischen des Aktionsdecks zur Folge hat. Voraussetzung ist, dass der korrumpierte Geist die Mehrheit auf dem Geländeplättchen hat.
Für 3 bzw. 6 Punkte kann der gesunde Geist dem Land Energie zurückgeben oder einen Korruptionsmarker entfernen.
Trotz des spürbar anderen Spielgefühls (oder vielleicht gerade deshalb) bietet der Solomodus eine tolle Herausforderung, der vom Ablauf fast ein bisschen an Spirit Island erinnert. Anfangs wird man immer wieder von den Aktionen des korrumpierten Geists zum Teil empfindlich getroffen und hat das Gefühl, hoffnungslos unterlegen zu sein.. Gerade das Aufsetzen einer korrumpierten Baumkrone auf einen gesunden Baum kann die eigenen Pläne stark beeinflussen. Irgendwann schafft man es aber „Wurzeln zu schlagen“ und kämpft mit den eigenen gesunden Bäumen darum, die richtigen Rituale durchzuführen, um das Land zu retten.
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Personenzahl: 1-4 Alter: ab 14 Jahren Spielzeit: 40 bis 60 Minuten Schwierigkeit: mittel Langzeitmotivation: gut Klassifikation: Pattern building, Area Control Spielidee: Thomas Franken |
Fazit
„Gut Ding will Weile haben.“ Selten könnte ein Sprichwort passender sein, als bei diesem Spiel. Hier wurde ausgiebig getestet und angepasst, um am Ende ein Spiel zu haben, das mit einfachen Regeln daher kommt, aber eine tolle Spieltiefe bietet. Aller coronabedingter Verzögerungen zum trotz war die Kommunikation während der gesamten Zeit bis zur Auslieferung (und auch darüber hinaus) immer absolut vorbildlich. Genauso sollten Kampagnen betreut werden.
Optisch sprechen die Bilder hoffentlich schon für sich und auch insgesamt gibt es am Spielmaterial praktisch nichts auszusetzen. Fantastische Illustrationen auf stabilen Karten, Baumteile, die zusammenpassen und selbst bei Stufe sieben ohne zu wackeln stehen, Papptokens und Geländeplättchen, die absolut stabil sind, Stoffbeutel, um alles unterzubringen und ein Inlay aus Pappe, in dem alles sicher und ordentlich verstaut werden kann.
Nur um mich zu wiederholen, bietet das Regelwerk ebenfalls eine wunderschöne Optik. Aber auch der Inhalt wird beim Lesen problemlos klar. Alles ist mit klaren Beispielen versehen. Einzig die Rituale (gerade das des Gipfels) muss man vielleicht einmal durchführen, um wirklich die Stärken der einzelnen Ritualtypen zu sehen, aber im Spielfluss ergibt sich dadurch auch in der Erstpartie kein Bruch.
Stichwort Spielfluss: Auch dieser ist sehr gut. Die Dauer der einzelnen Züge ist überschaubar, so dass auch bei drei oder vier Personen keine allzu ermüdende Downtime entsteht. Gerade gegen Spielende beginnt aber auch das Taktieren um die letzten Rituale und die vielleicht entscheidenden Punkte, was die Züge etwas länger werden lassen kann. Vielleicht erfüllt man ja doch schon sein privates Ritual, um das letzte offene Ritual zum neuen privaten werden zu lassen und so einem Mitspielenden wertvolle Punkte vorzuenthalten.
Da sich das Spielfeld an die Personenzahl anpasst und jedes mal neu zusammengestellt wird, gibt es auch hier immer neue Herausforderungen. Man kann sich aus dem Weg gehen, aber gerade mit den Erfolgen gibt es immer Orte, an die alle wollen. So ergeben sich bereits zu zweit tolle Duelle, die man aus Spielen mit so prägenden Area Control-Element selten kennt. Mit mehr Personen ist die Fläche zwar größer, doch kommt man sich gerade an Engstellen und beim Erfüllen der offenen Rituale schneller in die Quere, was das Spiel zu einem knallharten (und für manche frustrierenden) Wettkampf macht.
Im Kern bleibt es trotz allen Lobes für die Optik und die Komponenten doch ein recht abstraktes Spiel. Dies ist sicher, wie so vieles, Geschmackssache. Für uns sticht aber vor allem der Punkt des „Kreislauf“ von Wachstum und Verfall als überraschend thematisch heraus, der im Spiel wirklich toll umgesetzt wurde.
Die oben genannte Anpassung zu zweit macht auch das Modul mit den Erfolgskarten insgesamt zu einer tollen Erweiterung. Nur mit den Segenkarten werden wir einfach nicht warm. Im Solomodus sind sie wertvolle Helfer, aber im Mehrpersonenspiel halten sie eher auf, vor allem wenn man aus drei Karten eine auswählt. Dies will nicht so wirklich zum ansonsten offen einsehbaren Spiel passen.
Meistens sind die ersten Züge einer Partie bei allen sehr ähnlich. Erst im Spielverlauf wird jede Partie zu etwas „eigenem“ mit individueller Dynamik. Der Wiederspielreiz ist hier aber abgesehen von den auf Dauer etwas eintönigen ersten zwei/drei Zügen sehr gut.
Es gibt genug Variablen, die jeden Spielaufbau zu einer neuen Herausforderung machen. Das Spiel ist schnell auf- und abgebaut und auch die Spielzeit bewegt sich gut unter einer Stunde, was bei dieser Spieltiefe absolut im Rahmen ist.
Forests of Pagaea ist ein Spiel, das einfach rundum gelungen ist. Tolles Material trifft auf zugängliche Regeln, die trotzdem viel Spieltiefe und Taktik zulassen. Wer abstrakte Spiele mag, kommt an diesem Titel eigentlich nicht vorbei.
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ZMan, Der Herr der Träume, Grundspiel, Familienspiel,... *
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