Living Forest besticht im Test durch seinen Fokus: Wald und Fantasy sind zwei Themen, die bei Brettspielen beliebt sind. In Living Forest von Ludonaute, das auf Deutsch im März bei Pegasus erscheinen wird, übernehmen Spieler die Rolle von einem der vier Naturgeister und versuchen gemeinsam den Wald vor den Flammen Onibis zu schützen. Es ist jedoch kein kooperatives Spiel. Am Ende kann nur ein Geist den Wald retten und gewinnen.
„Seit vielen Jahren dient der prächtige, mystische Wald als Quell der Ruhe und des Friedens. Doch nun wird der Geweihte Baum des Waldes von den verheerenden Flammen des Onibi bedroht und benötigt die Hilfe von vier mächtigen Naturgeistern: Frühling, Sommer, Herbst und Winter.“ In der Rolle eines dieser vier Geister löschen die Spielenden Brände, pflanzen schützende Bäume oder versuchen Sanki, den altehrwürdigen Wächter des Waldes, zu erwecken, um so den Kampf gegen Onibi zu gewinnen.
So steht es zur Geschichte des Spiels geschrieben. Onibi nimmt wie der „Bösewicht“ Vesh Düsterhand (Insel der Katzen) keine nennenswerte Rolle im Spiel ein, sondern ist eher ein geschichtliches Element. Onibi hat aber zumindest die Möglichkeit, sich in Form der Feuer-Warane ins Deck der Spielenden einzuschleichen.
Autor Aske Christiansen hat mit seinem Erstlingswerk ein gehobenes Familienspiel/leichtes Kennerspiel geschaffen, dessen fantasievolles Artwork von Apolline Etienne (Momiji, Wreck Raiders, Muse) dem guten Spielmechanismus fast die Show stiehlt. Dass das Spiel der Preisträger in der 2022 erstmalig vergebenen Kategorie „initié“ (analog Kennerspiel des Jahres) des französischen As d´Or ist, ist keinesfalls Glück, sondern ein Indiz dafür, dass das Spiel einiges richtig macht. Das was es gut macht und was nicht so ganz gelungen ist wird nach einem kurzen Überblick über das Spiel und die Regeln folgen.
Bunt, bunter, Living Forest
Was findet sich im Wald, den wir beschützen wollen? Schaut man hinter beziehungsweise unter das wunderschöne Artwork der Box, findet man im Inneren ein grün gehaltenes Papp-Inlay, dass die großen Teile (Halter für die Bäume, Tableaus, Steinkreis) und die weiteren Spielmaterialen wie Karten, Flammen und Bäume sauber voneinander trennt. Mit dem Steinkreis gibt es ein kleines Spielfeld, auf dem alle Spielenden mit ihren Spielfiguren stehen und je nach Anzahl der gezogenen Bewegungssymbole im Kreis laufen können.
Jeder besitzt zusätzlich sein eigenes Wald-Tableau, auf dem er seine Bäume pflanzt. Diese finden sich auf kleinen quadratischen Plättchen, die man als Vorrat während des Spiels in zwei schöne Halter stellen kann, auf denen zusätzlich die Anzahl der jeweiligen Bäume in Abhängigkeit von der Spielendenanzahl angegeben wird. Zusätzlich gibt es noch zwei Tableaus für die „guten“ (Tiere des Waldes) und die „schlechten“ (Feuer-Warane) Karten und natürlich eine entsprechende Anzahl Karten des jeweiligen Typs.
Die Tiere des Waldes sind zentral beim Push-your-luck und Deck-building Element des Spiels. Sie bringen, wenn sie in der persönlichen Tier-Reihe liegen, die auf ihnen abgebildeten Elemente. Die Tiere gibt es in drei Arten: neutral (kein Symbol), Einzelgänger (schwarzes Symbol) und gesellige Tiere (weißes Symbol) und in drei Stufen.
Beschütze den Wald
Das Spiel läuft über mehrere Runden mit je drei Phasen ab. In der ersten Phase, die alle gleichzeitig ausführen, ziehen die Spielenden von ihrem verdeckten Tierstapel, der anfangs aus 9 neutralen und 5 Einzelgänger-Tieren besteht, und bilden so ihre Tier-Reihe. Nach jeder Karte kann man sich entscheiden, ob man eine weitere zieht oder aufhört. Deckt man ein drittes Einzelgänger-Tier auf, muss das Ziehen sofort beendet werden und man hat anstelle der üblichen zwei Aktionen in dieser Runde nur eine zur Verfügung. Mit Magie-Fragmenten kann man die zuletzt gezogene Karte wirkungslos abwerfen. Hat man gesellige Tiere in seiner Reihe, neutralisieren diese jeweils eines der Einzelgänger-Tiere, so dass mehr Einzelgänger-Tiere in der Tier-Reihe liegen können.
Haben alle das Ziehen ihrer Karten beendet führen sie nacheinander eine oder zwei Aktionen aus. Hier stehen insgesamt fünf verschiedene Möglichkeiten zur Auswahl, von denen zwei unterschiedliche ausgewählt werden müssen.
Mit dem Sonnensymbol kann man beliebig viele Tiere mit entsprechenden Gesamtwert anlocken und oben auf seinen Nachziehstapel legen. Mit dem Wassertropfen-Symbol können Brände mit entsprechender Gesamtgröße gelöscht werden. Das Spiral-Symbol erlaubt es bis zu der Anzahl an gezogenen Symbolen Schritte auf dem Steinkreis voranzugehen. Überholt man einen anderen Geist dabei, kann man ihm eines seiner Bonus-Plättchen stehlen. Danach führt man die Bonus-Aktion des Feldes, auf dem der Zug endet aus, oder darf ein Magie-Fragment ziehen.
Mit dem Setzling-Symbol kann man genau einen Baum bis zum entsprechenden Wert wählen und auf seinem Wald-Tableau pflanzen. Alle Bäume geben dem Spielen einen Bonus. Vervollständigt man bestimmte Zeilen oder Spalten, erhält man weitere Boni. Pflanzt man in einer der vier Ecken erhält man entweder eine Bonusaktion oder zwei Magie-Fragmente. Ein neuer Baum muss waage- oder senkrecht zu bereits bestehenden Bäumen angelegt werden. Die letzte Möglichkeit im Zug erlaubt es ein Magie-Fragment zu ziehen.
Im letzten Abschnitt der Runde muss der Angriff von Onibi abgewehrt werden. Hierfür zählt man die Summe auf den Feuerplättchen im Steinkreis und jeder Geist vergleicht diesen Wert mit dem Wert seiner Wassertropfen. Hat man weniger kommen so viele Feuer-Warane auf den Ablagestapel des jeweiligen Spieler, wie Feuerplättchen im Steinkreis liegen. Anschließend greift Onibi an. Es werden so viele 2er-, 3-er und 4er-Feuerplättchen in den Steinkreis gelegt, wie Tiere der entsprechenden Stufen 1, 2 oder 3 in der vergangenen Runde angelockt wurden. Danach wird die Auslage der Waldtiere wieder aufgefüllt, die Tier-Reihe dieser Runde wird auf den persönlichen Ablagestapel gelegt und der Startspieler-Baum geht an den nächsten Spieler.
Wer rettet den Wald?
Das Spiel läuft wie oben geschildert weiter, bis einer der Spieler am Ende einer Runde eine der drei Siegbedingungen erfüllt hat. Diese sind 12 unterschiedliche Bäume auf dem Wald-Tableau, 12 gelöschte Feuer (unabhängig der aufgedruckten Werte) oder 12 heilige Blumen Symbole. Hierfür zählen die Bonus-Plättchen und alle Boni, die gegebenenfalls auf dem Waldtableau freigeschaltet oder auf Bäumen sichtbar sind. Haben mehrere Spiele eine der Siegbedingungen am Ende einer Runde erfüllt, so wird die Summe aller drei Siegbedingungen zur Entscheidung über den Sieger herangezogen.
Living Forest ist nicht nur optisch ein wirklich ansprechendes Spiel. Ein hohes Maß an Interaktion zwischen den Spielenden, Glückselemente verbunden mit einer guten Portion Taktik, die man flexibel an die gezogenen Karten anpassen muss und mehrere Wege zum Sieg sind weitere Pluspunkte, die es für sich beanspruchen kann. Auf den 16 Seiten der mit vielen Beispielen und sehr übersichtlich gestalteten Regel bleiben keine Fragen offen.
Das Thema ist sehr schön und lebt natürlich vom herausragenden Artwork. Ist das Thema einzigartig? Sicher nicht. Fantasy und Waldthemen sind eines der Trendthemen in Brettspielen. Macht es das Thema schlecht? Ebenfalls sicher nicht. Dafür verbindet Living Forest genug bekannte Elemente auf eine eigene Weise, die das Thema trotz allem frisch und ansprechend wirken lassen.
Der „Bösewicht“ der Geschichte ist zwar eher geschichtliches Mittel zum Zweck, um die Motivation zum Beschützen des Waldes zu geben, was aus meiner Sicht aber nicht als wirklich negativ zu bewerten ist und in dieser Form auch in diversen weiteren Titeln vorkommt. Auch die verschiedenen Siegbedingungen ergeben im Themenzusammenhang Sinn. Nur die dritte (12 heilige Blumen) wirkt etwas „leer“, da auch der große Wächter Sanki nur über den Text in den Regeln präsent ist.
Der absolute Pluspunkt des Spiel ist die künstlerische Gestaltung. Die Tiere sind wunderschön in einer Mischung aus natürlichem und fantasievollem Stil gestaltet. Das selbe gilt für die Geister, Bäume und die Tableaus. Die Farben sind sehr präsent ohne aufdringlich zu wirken und alles wirkt „wie aus einem Guss“.
Die Symbole für die verschiedenen Elemente sind klar voneinander abzugrenzen und passen zu den entsprechenden Aktionen. Nach dem Aufdecken muss man sich zwar kurz einen Überblick verschaffen, wie viel von welchem Symbol man nun zur Verfügung hat. Das ist jedoch kein schwerwiegendes Problem und auch nicht beim Material anzusiedeln, sondern eher der Mechanik geschuldet.
Die Teile aus dicker Pappe im Spiel haben allesamt eine gute Dicke und dürften eine lange Lebenszeit haben. Gleiches lässt sich über die Karten sagen. Etwas umständlich ist das in der Regel vorgeschlagene Stapeln der Feuerplättchen neben den Tierstapeln der entsprechenden Stufe, da die Plättchen doch eher klein sind und Feuerform haben. Die Halter für die Bäume funktionieren dafür sehr gut. Sie helfen dabei, „den Tisch“ übersichtlich zu halten. Die dort aufgedruckte Anzahl der jeweiligen Bäume in Abhängigkeit zur Spielenden-Anzahl ist für den Aufbau eine gute Hilfe.
Was nicht vorhanden ist, aber auch nicht negativ aufgefallen war, bis ich es an anderer Stelle gelesen habe, ist eine Spielerhilfe oder Rundenübersicht. Für regelmäßige Kennerspiel-Spieler ist das auf Grund der Klarheit der Regel auch nicht erforderlich. Um dem Anspruch als Familienspiel gerecht zu werden, wäre das jedoch eine hilfreiche Ergänzung zum Spielmaterial.
Infobox
Spielerzahl: (1) 2-4 (offizieller Solo-Modus auf BoardGameGeek)
Alter: ab 10 Jahren
Spielzeit: 30 bis 60 Minuten
Schwierigkeit: mittel
Langzeitmotivation: gut
Genre: Familienspiel
Kernmechanismen: Push-your-luck, Deck building, Wettlauf
Autoren: Aske Chistiansen
Illustrationen: Apolline Etienne
Verlag: Pegasus Spiele / Ludonaute
Offizielle Website: Link
Erscheinungsjahr: 2022
Sprache: deutsch
Kosten: 40 Euro
Fazit
Dominanteste Mechanik des Spiels ist ganz klar das Push-your-luck Element. Dem Glück ist man aber Dank der geselligen Tiere und der Magie-Fragmente nicht wehrlos ausgesetzt. Verfolgt man die Zusammensetzung seines Decks aufmerksam (man darf auch in den Ablagestapel schauen während man seine Tier-Reihe bildet) kann man auch gut abwägen und anhand der bereits gezogenen Karten einschätzen, ob sich das Risiko lohnt möglicherweise das dritte Einzelgänger-Tier zu ziehen und nur eine Aktion zur Verfügung zu haben. Ein vorausschauendes Deck-building ist der Schlüssel um das Glück noch weiter auf seine Seite zu ziehen.
Beide Mechaniken greifen sehr gut ineinander. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis der einzelnen Waldtiere ist ebenfalls gut abgestimmt.
Die verfügbaren Elemente der Waldtiere sind wie oben erwähnt etwas unübersichtlich. Durch ungünstiges Ziehen kann es durchaus passieren, dass man nicht zu den Aktionen kommt, die man gerne ausgeführt hätte. Sammelt man etwa Feuerplättchen, aber der Gegner hat bereits alle gelöscht, muss man sich zwangsläufig eine andere Aktion in diesem Zug suchen. Es ist aber kaum so, dass man in einer Runde keine sinnvolle Aktion ausführen kann. Manchmal reicht es nur dem Gegner, die für ihn vielleicht wichtigen Bonus- oder Feuerplättchen vor oder unter der Nase weg zu schnappen. Durch dieses Element ist das Spiel auch sehr interaktiv. Achtet man nicht auf die Siegbedingung, die die Gegner versuchen zu erreichen, kann es passieren, dass das Spiel vorbei ist, bevor man selbst seine ganze Strategie umsetzen konnte.
Der Glücksfaktor ist definitiv präsent. Es ist schwer, eine Taktik von Anfang an ohne ungewollte Umwege ins Ziel zu bringen. Für jemanden der jeden Zug optimieren will mag das ein Argument gegen das Spiel sein. Nimmt man in Kauf, nicht immer alles machen zu können, was optimal wäre, wird man definitiv viel Spielfreude mit diesem Spiel haben.
Der Spielspaß ist hier hoch. Es gibt keinen Roman als Regelwerk, den man sich merken muss. Die Symbolik ist klar und die Optik weiß einen wieder und wieder zu erfreuen. Dadurch, dass 2/3 der Runde parallel ausgeführt werden und die Aktionsphase der Spielenden auch immer nur ein bis zwei Aktionen umfasst, ist die Downtime hier auch sehr gering. In der Zeit, in der die anderen ihre Züge ausführen, lassen sich auch gut die Optionen für den eigenen Zug planen. Passt man nicht auf und erhält als einziger viele Feuer-Warane und Einzelgänger-Tiere schränkt das ab einem gewissen Punkt spürbar ein. Diese Einschränkung ist dann schnell stärker, als für eine gute Balance zwischen den Spielenden gut verträglich wäre.
Der Wiederspielreiz ist hier auch in einem hohem Maß vorhanden. Die unterschiedlichen Siegbedingungen erlauben es, unterschiedliche Strategien auszuprobieren. Dazu macht die vorhandene Interaktion auch immer abhängig von der Strategie der anderen Spieler.
Der Solo-Modus bietet für Einzelspieler die Möglichkeit, sich direkt mit Onibi auseinanderzusetzen. In jeder der elf festgelegten Runden fügt Onibi dem Steinkreis Flammen mit dem Wert der Rundennummer+1 hinzu. Auf diese Weise verstärkt sich das Gefühl der Gefahr durch das Feuer im Vergleich zum Mehrspieler-Spiel spürbar. Dies lässt den Solo-Modus in dieser Hinsicht deutlich thematischer wirken. Das Regelwerk von vier Seiten ist auch keine Hürde. Einzige nennenswerte Änderung ist, dass durch das Anlocken der Tiere keine Flammen ins Spiel kommen. Die Mechanik bleibt für den Solo-Spieler gleich. Das selbe gilt für die Siegbedingungen. Hier gibt es nur die Änderung, dass mit gelöschten Flammen das Spiel nicht gewonnen werden kann.
Schön wäre es, wenn der Solo-Modus direkt im Spiel enthalten wäre und anstelle eines etwas deplatziert wirkenden, neutralen Geistes, der mit dem Solo-Spieler um den Steinkreis läuft und ihm Bonus-Plättchen bieten oder klauen kann, eine Figur für Onibi enthalten wäre. Es fühlt sich komisch an, wenn ein Geist, der eigentlich den Wald schützen soll, im Solo-Modus auf der Seite von Onibi zu stehen scheint.
Lohnt es sich, das Spiel vor allem für den Solo-Modus zu kaufen? Das muss mit einem Nein beantwortet werden. Dafür fehlt es an der Interaktion zwischen den Spielern, die viel Gutes zum Spielerlebnis beiträgt. In vielen Runden muss man eine seiner Aktionen zum Löschen der Flammen einsetzen, so dass weder der siebte Feuer-Waran gezogen werden muss, noch am Anfang der nächsten Runde die achte Flamme zum Steinkreis hinzugefügt werden müsste. Dies sind beides Niederlagebedingungen. Die Herausforderung, die der Solo-Modus bietet, ist recht hoch und man kann die Grundschwierigkeit je nach Geschmack eine Stufe herunter oder um bis zu drei Stufen hoch regeln. Es ist keine wirklich herausragende Solo-Variante, aber auch auf keinem Fall schlecht.
Unentschlossene können das Spiel auch in der Boardgamearena kostenlos testen.
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