Seit vielen Jahren ist Autor Reiner Knizia bekannt in der Spielebranche. 2005 veröffentlichte er im Zoch Verlag das Spiel „Heck Meck am Bratwurmeck“ das inzwischen ein absoluter Klassiker ist. Jedes Jahr findet sogar eine Heck-Meck-WM statt. Nun kommt der Schritt in die Moderne: Legacy ist ein Trend, dem sich auch Autoren-Legende Reiner Knizia nicht entziehen kann. My City von KOSMOS macht Spaß, vielen Spielern und anderem unserer Autorin Nicole. Weshalb das so ist, verrät sie in der nachfolgenden Rezension.
My City nominiert zum Spiel des Jahres 2020
Nun ist das neue Spiel von Reiner Knizia „My City“ auf der Nominierungsliste für das Spiel des Jahres 2020. „My City“ gehört zur Gruppe der Legacy-Spiele. Ein derartiges Spielsystem entwickelt sich in jeder Runde weiter: Es kommen neue Regeln hinzu, das Spielbrett wird modifiziert und es wird immer wieder neues Spielmaterial hinzugefügt.
Diesmal wird alles heruntergebrochen auf die Ebene der Familienspiele. Das ist kein Manko, kann insbesondere Vielspieler jedoch etwa unmotiviert zurücklassen, denn viel Hintergrund gibt es nicht. My City kommt ohne große einführende und begleitende Geschichte aus. Dies tut dem Spielspaß grundsätzlich aber keinen Abbruch.
Das Legacy-Städtebau-Spiel ist in insgesamt acht Kapitel eingeteilt. Für jedes Kapitel ist ein verschlossener Umschlag vorgesehen, der am Anfang des Kapitels geöffnet wird. In diesem Umschlag befinden sich Spielregeln und verschiedene Materialien, wie z.B. Sticker oder neue Gebäude. Jedes Kapitel wird über drei Spielrunden gespielt und jede Runde hat eine Dauer von etwa 30 Minuten.
Ein tolles Spiel für Legacy-Neulinge, aber auch Liebhaber
Das großartige an My City ist, dass Reiner Knizia mit einem sehr niedrigen Regelumfang einsteigt und es daher auch für Wenigspieler geeignet ist. Jeder Spieler erhält zu Beginn des Spieles sein eigenes Spielertableau. Ratsam ist es das Spiel immer in der gleichen Besetzung zu spielen, da ja jeder Spieler sein Tableau weiterentwickelt. Für den Rundensieg dürfen der erst- und zweitplatzierte Spieler Punkte für Fortschritte auf seinem Spielertableau ausmalen. Dies macht man am besten mit permanenten Fasermalern, die dem Spiel nicht beiliegen.
Zu Spielbeginn erhält jeder Spieler außerdem 24 Gebäudeteile in drei Farben und einen Zählstein für seine Zählleiste. Der erste Umschlag wird geöffnet. Die Grundregeln sind denkbar einfach. In der Tischmitte liegt ein Stapel mit 24 Baukarten.
Jede Runde wird eine Karte aufgedeckt und alle Spieler nehmen sich aus ihrem Vorrat das aufgedruckte Bauteil. Dieses muss nun auf dem Spielertableau verbaut werden. Das erste Teil muss am Fluss angelegt werden. Es darf nicht auf den Fluss gelegt werden. Es darf nur auf hellgrünen Feldern gebaut werden. Die aufgedruckten einzelnen Bäume sollten nicht überbauen. Diese geben am Rundenende Punkte, falls sie frei liegen. Über Steine sollte man nach Möglichkeit bauen, diese zählen am Rundenende Minuspunkte. Ab dem zweiten Gebäudeplättchen muss immer an ein anderes Gebäudeplättchen angrenzend gebaut werden.
Ist der Kartenstapel durchgespielt hat jeder seine 24 Gebäudeplättchen verbaut. Man kann auch auf den Bau von einzelnen Gebäudeplättchen verzichten und hierfür einen Punkt auf der Zählleiste abgegeben. An Rundenende gibt es dann der Regel entsprechend Punkte und es wird der Rundensieger ermittelt. Je nach Platzierung erhalten die Spieler Fortschrittspunkte oder Sticker.
My City: Planung ist gut, Flexibiltät ist besser
Da wir immer den Vorrat an Bauplättchen vor Augen haben, können die Spieler vorausplanen und abwägen. Doch immer wieder macht einem hier das Spiel einen Strich durch die Rechnung. Manchmal kommen die Baukarten in einer ungünstigen Reihenfolge oder Kapitelregeln verhindern plötzlich den Einbau von einzelnen bestimmen Teilen.
Bereits im Spiel zwei kommen neue Regeln hinzu. Das Spiel nimmt im Laufe der Kapitel an Komplexität und Schwierigkeitsniveau zu. Es gibt immer wieder Aufholmechanismen, die versuchen zurückliegende Spieler zu unterstützen. Von Kapitel zu Kapitel fiebern die Spieler dem Öffnen der Umschläge entgegen und lassen sich überraschen, was Neues an Regeln und Spielmaterial auf sie wartet. „My City“ wird dadurch nie langweilig und der Wiederspielreiz ist hoch. Toll an „My City“ ist, dass die Spielertableaus eine Rückseite haben, auf der man am Ende der acht Kapitel weiterspielen kann. Hiermit ist es möglich einzelne Partien zu spielen, die vom Legacy Modus abgekoppelt sind.
Über das Material kann man im Bereich der Legacy-Spiele hervorragend streiten. Wer ein solches Brettspiel kauft, unterstützt meist das Gegenteil von schonendem Umgang mit Ressourcen. Ob man das System tragen möchte, muss jeder Spieler für sich entscheiden, ein ausholender Schwung mit der Moralkeule ist fehl am Platz. Über die Tatsache, dass auch My City ein „Wegwerf“-Brettspiel ist, sollte man allerdings informiert sein.
Infobox
Spielerzahl: 2 bis 4 Spieler
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: 30 Minuten
Schwierigkeit: mittel
Langzeitmotivation: mittel
Verlag: Kosmos
Autor: Reiner Knizia
Grafik: Michaela Kienle
Illustration: Michael Menzel
Erscheinungsjahr: 2020
Sprache: deutsch
Kosten: 35 Euro
Fazit zu My City
Das Spiel macht viel Spaß, so das erste knappe Fazit. Auch wenn der ein oder andere Mitspieler zum Grübeln neigt sind die Wartezeiten der Spieler eher gering, da ja alle gleichzeitig legen und in die kurzen Pausen gerne damit verbringen vorauszuplanen. Die neuen Regel in jedem Kapitel kommen immer als DinA4 Beiblatt und können dann der Grundspielanleitung beigelgt werden. Somit bleibt das ganze übersichtlich. Die Langzeitmotivation ist gut, die Spannung auf das nächste Kapitel groß und das Spiel lädt immer wieder zu neuen Runden ein.
My City erfindet das Rad nicht neu, macht es aber runder. Eine Stadt aus Puzzle-Teilchen zu bauen, ist so, als würde man im Brettspiel-Bereich irgendetwas aus Puzzle-Teilchen bauen. Das Thema des Spiels ist im Grunde austauschbar. Dennoch: My City schafft es, Familienspieler für das Genre zu begeistern und ist gleichzeitig mehr als nur ein Türöffner.
Gänzlich frei von Schwächen ist My City aber nicht. Je weiter das Spiel voranschreitet, desto größer wird der Wust an Aufgaben, die es zu erledigen gilt. Im schlimmsten Fall geht der Überblick flöten, ist besten Fall ist man nur ein wenig genervt von der „Arbeit“, die man verrichten muss. So einfach und seicht wie My City beginnt, endet es nicht. Das ist gut für jene Spieler, die einen gewissen Anspruch – hier allerdings eher auf der Management- als auf der Komplexitäts-Ebene – zu schätzen wissen. Anhänger der Zielgruppe könnten überfordert werden.
Auch die Ermittlung des Siegers ist nicht immer nachvollziehbar. Regeltechnisch funktioniert alles, wie es soll, dennoch kommt bisweilen das Gefühl auf, dass der Sieger aufgrund seiner Leistungen eigentlich nicht Sieger hätte sein sollen. Gepaart mit der Vorausschaubarkeit des Bonus-Malus-Systems sorgt dann mitunter für Frust. Dennoch ist das Gemecker auf hohem Niveau: My City überzeugt, in fast allen Bereichen. Dass Reiner Knizia im Legacy-Bereich patzen würde, war ohnehin nicht zu erwarten. Erst recht nicht, wenn es um den Einsatz geometrischer Formen geht.
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