Das französische Entwicklerstudio Shiro Games wurde 2013 durch sein kreatives Action-Rollenspiel Evoland, indem man verschiedene Epochen der Videospiel Geschichte erlebt, schnell bekannt. Mit Northgard veröffentlichte der Indie Publisher im Jahr 2017 dann einen echten Echtzeitstrategiehit. Der stark an „Die Siedler“ erinnernde Strategietitel konnte sich bis heute über 3 Millionen Mal verkaufen und kann mit einem Metacritic Score von 81 Kritiker, sowie Spielende durchaus überzeugen. Kein Wunder also, dass das Spiel dem großen Trend der Brettspielumsetzungen von Videospielen folgt und mit Northgard: Uncharted Lands analog auf dem Markt erschien. Den Vertrieb hierzulande übernimmt dabei der deutsch-schweizerische Publisher Board Game Box. Was uns am Brettspiel gefiel, erfahrt ihr in der folgenden Rezension.
Legenden erzählen von einem Land jenseits der Meere voller Rätsel, Gefahren und Schätze. Die Kriegshäuptlinge sämtlicher Clans wittern Ruhm und Macht und entsenden ihre tapfersten Kriegerinnen und Krieger, um die unerforschten Länder zu erkunden und für sich zu beanspruchen. Allerdings beherbergen die unerforschten Lande böse Kreaturen, die den Clans zusätzlich schwer machen. Nur der Clan, der den Kreaturen sowie den gegnerischen Clans erfolgreich entgegentritt und am Ende den meisten Ruhm sammeln kann, wird über das neue Land herrschen.
Ein einfaches 4X?!
Northgard: Uncharted Lands ist ein klassisches 4X-Spiel mit Deck-Building Elementen, indem wir die unerforschten Länder auskundschaften, diese mit unseren Einheiten besiedeln, Ressourcen sammeln und gegen gegnerische Einheiten kämpfen müssen. Ziel von Northgard ist es, am Ende eines beliebigen Jahres 3 geschlossene Gebiete mit großen Gebäuden zu kontrollieren oder am Ende des 7. Jahres die meisten Ruhmespunkte zu besitzen.
Ein Jahr ist dabei in 5 Phasen unterteilt. Dem Jahresbeginn, der Aktionsphase, der Ernte, dem Winter und dem Jahresende. Zum Jahresbeginn ziehen wir 4 Karten von unserem Deck nach. In der darauffolgenden Aktionsphase können wir uns pro Zug dazu entscheiden, eine der gezogenen Karten auszuspielen und ihre Aktion auszuführen oder stattdessen die Aktion nicht zu nutzen und zu warten. Dies kann beispielsweise nützlich sein, um auf Aktionen der Gegenspielenden besser reagieren zu können. Gibt man 1 Ressource Wissen aus, kann man, statt zu warten, die nicht genutzte Karte auch ersetzen und eine neue Karte ziehen. Für 2 Wissen kann man die nicht genutzte Karte aus seinem Deck entfernen, sein Deck dadurch schmälern und nachfolgend zwei Karten ziehen. Abschließend kann man sich noch dazu entscheiden zusätzlich 3 Wissen zu bezahlen, um eine Clan-Karte mit besonders mächtigen Aktionen auf die Hand zu nehmen.
Während der Aktionsphase versucht man die Situation auf dem Spielplan zu seinen eigenen Gunsten zu gestalten. Wir können in von uns kontrollierten Gebieten Gebäude bauen, die uns entweder mehr Rohstoffe, Ruhmespunkte, Krieger und Handkarten geben oder uns bei der Verteidigung um dieses Gebiet unterstützen. Zudem können wir neue Spielplanplättchen entdecken und so neue Gebiete erschließen, die uns zusätzliche Ruhmespunkte geben können. Außerdem können wir neue Krieger in kontrollierten Gebieten rekrutieren, die wir anschließend über den Spielplan bewegen können, um neue Gebiete für uns zu beanspruchen. Betreten wir dabei ein Gebiet mit gegnerischen Einheiten, kommt es zum Kampf. Dazu später mehr. Gewinnen wir den Kampf, besitzen wir nun die Kontrolle über dieses Gebiet und können all seine Vorteile nutzen.
Sind wir mit unserer Runde zufrieden oder können keine weiteren Aktionen mehr einsetzen, so können bzw. müssen wir passen. Passen wir, dürfen wir uns eine ausliegende Entwicklungskarte nehmen und unserem Deck hinzufügen. So bauen wir unser Deck nach und nach mit besseren Karten auf. Je eher wir passen, desto mehr Einfluss haben wir darauf, welche der ausliegenden Entwicklungskarten wir unserem Deck hinzufügen.
Die Arbeit trägt Früchte
Auf die Aktionsphase folgt die Erntephase. Je nachdem, wie gut bzw. schlecht wir uns in der Aktionsphase geschlagen haben, erhalten wir nun Ruhm für jedes geschlossene Gebiet, welches wir kontrollieren sowie alle abgebildeten Ressourcen in allen Gebieten, die wir besitzen. Im Anschluss dürfen wir beliebig oft drei Ressourcen für eine Ressource unserer Wahl eintauschen.
Die Erntephase ist wichtig, weil der Winter naht! Wie im Videospiel kann dieser besonders hart sein. Hier müssen wir, je nach eigener Truppenstärke auf dem Spielplan, Ressourcen als Unterhalt für unsere Einheiten bezahlen. Können wir dies nicht tun, so müssen wir eine Aufruhrkarte unserem Deck beifügen. Dies kann besonders schwere Auswirkungen auf unser Spiel haben, denn wir können nicht nur weniger Aktionen in einer Runde ausführen, wenn wir die Aufruhrkarte ziehen, sondern verlieren am Ende des Spiels noch 5 Ruhmespunkte pro Aufruhrkarte.
Im Anschluss zum Winter wird das Jahresende eingeläutet. Besitzt ein Spielender nun drei Gebiete mit mindestens 1 großen Gebäude pro Gebiet, gewinnt dieser. Zudem erhalten Spielende, die zum Jahresende keine Einheiten mehr auf dem Spielplan mehr besitzen, eine „Zweite Chance“. Sie dürfen daraufhin auf ein beliebiges neutrales Feld drei neue Einheiten platzieren. Somit bietet Northgard eine Möglichkeit an, dass alle Spielenden die Partie bis zum Ende mitgestalten können und nicht beim Verlust aller Einheiten nur noch Zuschauen müssen.
Mit Glück zum Sieg!
Kämpfe in Northgard: Uncharted Lands laufen nach dem Schema „Je mehr, desto besser“ ab. Wir können mit der Bewegungsaktion eine beliebige Anzahl an Kriegern von einem Gebiet in das nächste Gebiet bewegen. Bewegen wir uns auf feindliches Territorium kommt es zum Kampf. Als erstes wird hier die Anzahl der jeweiligen Krieger auf beiden Seiten verglichen. Bewegt man sich beispielsweise mit 5 Kriegern in ein Gebiet, welches der Gegenspielende mit 3 Kriegern besetzt hat, besitzt man selbst 5 Kampfpunkte und der Gegenspielende 3.
Anschließend werden verschiedene Boni auf die Kampfpunkte gerechnet. Diese können durch die ausgespielte Bewegungsaktionskarte, Clan-Fähigkeiten oder Verteidigungsgebäude hinzugefügt werden. Zusätzlich kann man pro Krieger eine Nahrung abwerfen, um diesen um einen Kampfpunkt zu stärken. Hat man dies getan kommt das Glück ins Spiel. Die beiden am Kampf beteiligten Spielenden werfen je einen Kampfwürfel und addieren das Ergebnis zu den Kampfpunkten. Die Person, die nun die meisten Kampfpunkte besitzt, gewinnt und zwingt die Krieger des Gegenspielenden zum Rückzug in benachbarte Gebiete. Bei einem Gleichstand gewinnt der Verteidigende. Waren Totenkopfsymbole durchs Würfeln oder Gebäude im Kampf involviert, so verlieren beide Beteiligten noch eine Einheit pro vom Gegenspielenden zugefügten Totenkopfsymbol.
Um dem Glück durchs Würfeln komplett zu entrinnen, tendieren Kämpfe, die man unbedingt gewinnen möchte, dazu, dass man möglichst viele Einheiten in ein Gebiet schickt, sodass der Würfel die Kampfpunkte nicht mehr übersteigen kann. So auch andersherum. Möchte man ein Gebiet behalten, ist es gut, neben Verteidigungsgebäuden noch viele Krieger in dem Gebiet stehen zu haben. Nachteil daran ist jedoch, dass man sich weniger über das Spielfeld verteilen und so andere Gebiete einnehmen kann, um mehr Ruhm und Ressourcen in der Erntephase zu erhalten. Somit müssen wir uns immer gut überlegen, ob wir ein Gebiet gar nicht hergeben wollen oder doch das Risiko eingehen und uns ein wenig zu verteilen.
Hoher Wiederspielwert trotz weniger Tiefe
Northgard: Uncharted Lands bietet natürlich nicht dieselbe Tiefe wie das große Vorbild. So bauen wir unseren Stamm mit nur 3 Ressourcentypen (Holz, Äpfel, Wissen) immer weiter aus. Zudem weiten wir uns auch nicht von unserem Gemeindehaus aus, sondern stellen KriegerInnen auf ein Gebiet und bewegen uns von dort aus über die unerforschten Länder. Außerdem gibt es beim analogen Vertreter viel weniger Siegbedingungen. Während das Videospiel ganze sieben Möglichkeiten bietet, das Spiel anzugehen und zu gewinnen, besitzt das Brettspiel nur zwei. Hier hätten wir uns ein wenig mehr Möglichkeiten gewünscht, um unseren Partien mehr taktische Tiefe zu geben. Auch fehlen ein paar Clans, wie beispielsweise der Eichhörnchen-Clan und somit auch Features wie das Kochen.
Trotz alledem bieten die sieben enthaltenen Clans in Northgard: Uncharted Lands einen hohen Wiederspielreiz. Mit dabei sind die aus dem Videospiel bekannten Bär-, Eber-, Ziege-, Rabe-, Schlange-, Hirsch- und Wolfs-Clans. Jeder Clan besitzt neben einer besonderen Fähigkeit, die das ganze Spiel über gilt, noch drei Clan-Karten, welche besondere Aktionen besitzen. Diese sind ihren Ebenbildern aus dem Videospiel nachempfunden und geben den Clans ihren ganz eigenen Spielstil.
Zudem liegt Northgard: Uncharted Lands ein Kreaturen-Modul bei. Dieses bringt Wölfe, Braunbären, Draugar und gefallene Walküren ins Spiel. Decken wir neue Spielplanplättchen auf, so kann es sein, dass wir auf eine Kreatur treffen. Diese hindern uns, mal mehr, mal weniger stark, an unserem Vorhaben. Beispielsweise vertreibt die gefallene Walküre KriegerInnen aus Gebieten, die wir besitzen, wenn der Kampf gegen sie verloren wird. Gebiete mit Wölfen hingegen produzieren weder Ruhm noch Ressourcen, während der Erntephase. Wenn wir uns geschickt anstellen, können wir die Kreaturen sogar so platzieren, dass sie in der nächsten Runde unseren Gegenspielenden angreifen und uns somit einen Vorteil verschaffen.
Haptisch hervorragend
Rein vom Material her ist Northgard: Uncharted Lands eine richtige Wucht. Karten, Pappmarker, wie auch Miniaturen fühlen sich richtig hochwertig an. Auch ein Inlay, welches genug Platz für gesleevte Karten bietet, ist dabei. Lediglich die Karten finden wir zu groß. Diese auf der Hand zu halten kann manchmal recht umständlich und somit nervig sein. Was manche Personen auch als störend empfinden könnten, ist der Platz, den das Spiel einnimmt. Alleine die Marker und Gebäude nehmen schon einen großen Teil des Tisches ein. Dies ist jedoch Jammern auf aller höchstem Niveau. Für einen Preis von 65 € im UVP ist Northgard: Uncharted Lands rein vom Material her auf jedenfall sein Geld wert.
Schön ist zudem, dass das Spiel größtenteils mit einfacher Symbolik arbeitet. Dadurch wird das Erklären bzw. Erlernen des Spiels deutlich erleichtert und eine Partie mit neuen Spielenden, die das Spiel noch nicht kennen, kann schneller gestartet werden. Mit einer Spieldauer von im Schnitt 60 Minuten ist Northgard: Uncharted Lands zudem ein vergleichsweise schneller Vertreter des 4X-Genres. Dadurch, dass das Spiel schnell gelernt und gespielt ist, können wir uns vorstellen, dass es öfters seinen Weg auf den Tisch finden könnte als andere 4X-Spiele.
Infos zu Northgard: Uncharted Lands
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Spielerzahl: 2 – 5 Alter: ab 13 Jahren Spielzeit: 45 – 90 Minuten Schwierigkeit: mittel Langzeitmotivation: mittel Klassifikation: 4X, Deck Builder Autor: Adrian Dinu |
Fazit
Northgard: Uncharted Lands schafft es, trotz einiger Einschränkungen, das Spielgefühl des Videospiels einzufangen. Besonders die Nähe der Clans zu ihren digitalen Vorbildern und das Hinzufügen des Kreaturen-Moduls tragen zu diesem Gefühl bei. Es macht einfach Spaß, die unbekannten Lande zu entdecken und ist immer gespannt darauf, was nun als nächstes aufgedeckt wird. Da wir beim Entdecken immer wieder neue Spielplanplättchen ziehen und anlegen, entstehen, wie im Videospiel, immer wieder unterschiedliche Karten. Keine Partie gleicht somit der anderen. Videospielende, die einen Abstecher ins Analoge machen wollen, werden sich schnell in Northgard: Uncharted Lands zurechtfinden und sicherlich großen Spaß am Spiel haben.
Für Brettspielende, die gar nichts mit dem Videospiel am Hut haben, kann Northgard: Uncharted Lands allerdings auch sehr interessant sein. Wie sehr ich auch 4X-Spiele liebe und gerne spiele, sie kommen bei uns leider viel zu selten auf den Tisch. Grund dafür ist einfach, dass diese Art von Spiel oft nur in größeren Gruppen funktioniert und einfach viel zu lange dauern. Northgard: Uncharted Lands löst genau dieses Problem, denn das Spiel funktioniert in allen Konstellationen hervorragend und kann, wenn man gut eingespielt ist, in etwa einer Stunde gespielt werden. Da es einfach zu lernen ist, ist die Hürde viel geringer als bei anderen Spielen dieses Genres.
Allgemein ist zu sagen, dass Northgard: Uncharted Lands eine gelungene analoge Umsetzung eines grandiosen digitalen Strategiespieles ist. Brett- wie auch Videospielende werden sicherlich große Freude an diesem Spiel haben.
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