Wie gut läuft es im Brettspiel-Segment? Crowdfunding-Plattformen dienen zumindest in Ansätzen als gutes Analysewerkzeug, um Trends zu ermitteln oder den Erfolg von Gesellschaftsspielen insgesamt. Interessant sind die Zahlen der beiden großen Schwarzfinanzierungsportal Kickstarter und Gamefound vor allem vor dem Hintergrund aktueller Diskussionen in der Szene. Die kreisen sich um eine zentrale Frage: Gibt es zu viele Brettspiele?
Selbst die ambitioniertesten Brettspielenden stehen irgendwann vor einem Platzproblem, zumindest sofern sie die Regale im heimischen Spielzimmer nicht rechtzeitig von Altlasten befreit haben. Klar ist, der Brettspielmarkt dreht sich immer schneller. Rund 1.800 Neuheiten konnten Interessierte beispielsweise im vergangenen Jahr auf der Leitmesse SPIEL’22 in Essen ausprobieren, anschauen oder kaufen. Die Milchmädchenrechnung sagt: Rund fünf Brettspiele erscheinen im Laufe einer Saison pro Tag. Selbst wer es wollte, könnte nicht alle Neuheiten eines Jahrgangs spielen – Szenekennende selektieren daher stark.
Crowdfunding: Das Ende des Booms
Nach den Boom-Jahren 2020 bis 2021 könnte man annehmen, dass es mit dem Ende der Corona-Pandemie nun ruhiger zugeht, aber dem ist nicht so. Eine Rückkehr zur Normalität lässt sich allerdings auch bei den Verlagen ablesen. So hatte Ravensburger eine Konsolidierung bei den Umsatzzahlen gemeldet, für dieses Jahr hofft man auf gute Verkäufe von Disney Lorcana, einem Trading-Card-Game auf Basis der Lizenz aus dem „house of the mouse“.
Und auch im Crowdfunding-Sektor geht es entspannter zu: Kickstarter meldete bei der Brettspiel-Finanzierung den ersten Umsatzrückgang seit 2014. Trotzdem liegt man mit den Zahlen noch über dem Niveau vor der Corona-Pandemie. 33 Millionen US-Dollar weniger Einnahmen stehen demnach für das Tabletop-Segment auf der Habenseite. Einen Grund hat Jon Ritter-Roderick, Chef der Abteilung Spiele bei Kickstarter ausgemacht: Es sei der weltweite Wirtschaftseinbruch. Wirklich belegen lässt sich das nicht, aber der Grund ist zumindest naheliegend, denn im Games-Sektor geizen selbst große Unternehmen derzeit nicht mit dem Rotstift.
Insgesamt investierten Spielende rund 236 Millionen US-Dollar im Jahr 2022 in Brettspiele auf Kickstarter, im Jahr zuvor waren es 12,4 Prozent mehr: 270 Millionen US-Dollar – der bisherige Höchststand. Seit 2014 wuchs das Brettspielgeschäft auf der Crowdfundingplattform sukzessive, 2020 und 2021 sogar sprunghaft. Wer nun glaubt, Spielende würde per se kaum Geld in die Hand nehmen, um Brettspiele auf Kickstarter zu unterstützen, der irrt – mitunter sogar gewaltig. Ein Blick auf die Topprojekte des vergangenen Jahres:
- Marvel Zombies – Ein Zombie-Spiel: 9,032,583 US-Dollar
- Stormlight Premium Miniatures: 4,103,311 US-Dollar
- Project Ironside: 4,084,284 US-Dollar
- Casting Shadows: 4,064,068 US-Dollar
- Elden Ring: Das Brettspiel: 3,291,610 Pfund
Auf den weiteren Plätzen folgen Sorcery: Contested Realm TCG; The Academic 133+ XL; Heroes of Might & Magic III The Board Game; Slay the Spire: Das Brettspiel sowie Cthulhu: Death May Die – Fear of the Unknown. Die Liste zeigt, dass Crowdfundings vor allem im Bereich ohnehin starker Franchises überdurchschnittlich gut funktionieren. Dennoch sind Spielende vor allem in den Vereinigten Staaten deutlich zurückhaltender, was Investitionen angeht.
Das ist angesichts der lange Zeit unsicheren Meldungen zu einer möglichen Rezession nachvollziehbar. Zumal man tiefer in die Tasche greifen muss für Brettspiele – nicht nur auf den Crowdfunding-Plattformen. Die Krisenfolgen addieren sich auf: zu den noch immer spürbaren Nachwirken der Corona-Pandemie kommen Preistreiber, die der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hervorgebracht hat. Material-, Herstellungs- und Transportkosten sind teils drastisch gestiegen. Für den Spielzeug-Bereich hat das jüngst das Vergleichsportal „guenstiger.de“ analysiert. Rund 10.000 Spielzeugartikel hat man dort untersucht. Das Ergebnis: Die Angebotspreise sind seit 2019 im Schnitt um 25 Prozent gestiegen. Besonders heftig machen sich die Teuerungen bei Playmobil oder Lego bemerkbar, dort zahlen Fans im Schnitt 44 bz.w 38 Prozent mehr als noch vor der Pandemie.
Misserfolge schmerzen Verlage
Spätestens seit dem personellen Aderlass bei Wyrmwood nach einer gescheiterten Kampagne tut sich für Crowdfunding-Akteure die Frage auf, ob Plattformen wie Kickstarter, Backerkit oder Gamefound überhaupt noch gute Wege sind, um Projekte – in die teilweise Jahre an kreativer Arbeit geflossen sind – zu finanzieren. Dass das weiterhin möglich ist, zeigen auch die Zahlen für 2022: Auf Kickstarter sind dort im Brettspielbereich 4.042 Kampagnen erfolgreich abgeschlossen worden. Rund 600 mehr als im Vorjahr. Die Zahl der Erfolge steigt im Gegensatz zu den rein finanziellen Rahmendaten seit 2015 kontinuierlich und jährlich sogar deutlich. Damit liegt auch die Erfolgsquote erneut höher: die lag im vergangenen Jahr bei 76,3 Prozent. Im Jahr 2021 waren es noch 72 Prozent.
Eine zentrale Frage stellt sich jedes Jahr: sollten Verlage wie CMON oder Steamforged Games überhaupt Crowdfundings nutzen?
Auch bei unseren Redakteuren ist eine kritische Haltung vorherrschend: „Mittlerweile geht es eigentlich nur noch darum, dass ein Spiel gut aussieht und gut Werbung abgesahnt hat“, meint Sven Nam. „Viele gute Kampagne kriegen keine Aufmerksamkeit mehr, weil es einfach zu viele sind und nur noch die mit der besten Werbung bestehen“. Früher sei Kickstarter dafür dagewesen, als kleine Firma ein Projekt an die Öffentlichkeit bringen zu können. „Mittlerweile nutzen es viele große Firmen für ihre Spiele“, so Sven Nam. Auch Jonas sieht es ähnlich und konkretisiert: Spiele, die etwa auf der Plattform Boardgamegeek in den Top-10 stünden, hätten ein Crowdfunding nicht nötig.
Je kleiner die Verlage oder Ideengeber, desto größer ist für Fans gleichzeitig das Risiko: Ein Spiel im Prototypenstatus mag man vom Herzen her gern unterstützen wollen, doch die Chancen auf einen Misserfolg sind deutlich höher als bei gestandenen Verlage, die Crowdfunding unter anderem zur Risikominimierung einsetzen.
Übrigens gilt: Wo mehr Akteurinnen und Akteure erfolgreich sind, teilen sie sich den weniger gefüllten Honigtopf. Rund 58.000 US-Dollar schwer war ein Kampagnenerfolg im Jahr 2022. Im Vorjahr waren es fast 20.000 US-Dollar mehr. Angesichts der großen Aufmerksamkeit besonders für die Millionen-Projekte mag das wie Peanuts wirken, doch es sind jene kleinen Kampagnen, die das Herzstück des Crowdfunding sind und dessen ursprüngliche Idee transportieren.
Konkurrenten drängen in den Markt
Apropos mehr Aktive – die gibt es längst auch übergeordnet bei den Plattform-Betreibenden. Kickstarter ist zwar der Platzhirsch, längst aber nicht mehr die einzige ernstzunehmende Crowdfunding-Lösung. Auch Backerkit (offizielle Zahlen gibt es nicht) will inzwischen ein Stück vom Kuchen, und insbesondere gilt das zudem für Gamefound. Geplant hatte man dort für 2022 mit rund 68 Millionen US-Dollar und somit knapp einem Viertel des Kickstarter-Umsatzes. Dazu hat es am Ende nicht gereicht: Gamefound verdiente 28 Millionen US-Dollar, steigerte seinen Umsatz damit aber um 45 Prozent. Das Stück vom Kuchen ist dennoch groß vor dem Hintergrund des signifikanten Einbruchs bei der führenden Konkurrenzplattform.
Mehr als 30 Kampagnen startete man bei Gamefound bereits kurz nach dem Verlassen der Beta-Phase im August. Das Wachstum des in Polen ansässigen Unternehmens fällt exponentiell aus. Der Kundenservice kam kaum mit. Ein großer Erfolg ist hingegen der Deal mit Ravensburger. Das Traditionsunternehmen machte einen Millionenbetrag locker und stieg bei Gamefound ein.
Die Zahlen bei Awaken Reals Plattform können sich sehen lassen. Die erfolgreichen Kampagnen stehen zwar noch hinter den Top-Projekten auf Kickstarter zurück, erreichen aber teils Millionensummen:
- Tainted Grail – Kings of Ruin: 4,421,347 US-Dollar
- Castles of Burgundy – Special Edition: 2,938,758 Euro
- Sleeping Gods – Distant Skies: 2,081,703 US-Dollar
- Sunnygeeks 1.5 – Modular Gaming Table: 1,639,341 Euro
- Ravaged Star – Armies of the Veil-Touched: 1,102,132 US-Dollar
Es folgt noch KeyForge: Winds of Exchange, anschließend geht es unter die Millionengrenze. Dort finden sich dann noch erfolgreiche Spiele wie der Nachdruck von The Great Wall, das Brettspiel zu Total War: Rome oder Tamashii: Chronicle of Ascend.
Vor allem von Tainted Grail hatte man sich bei Awaken Realms allerdings mehr versprochen. Vor der Corona-Pandemie konnte man mit dem Debüt rund sechs Millionen US-Dollar generieren, die Follow-up-Kampagne verlief deutlich schleppender, obwohl die Macher von exakten Gegenteil ausgingen. Auch hier macht sich also mutmaßlich die große Vorsicht bezüglich größerer Investitionen bei Fans bemerkbar. Davon kann beispielsweise auch Spielwarenriese Hasbro ein Liedchen trällern: Auf der hauseigenen Pulse-Plattform versagte man mit dem Reboot von Heroscape.
Gut gemachte Crowdfunding-Kampagnen trotzen den Krisen zwar, aber die Zeit der Leichtigkeit scheint vorerst vorbei zu sein.
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