Die besten Grundideen aus verschiedenen Genres zu mischen, um daraus ein völlig einzigartiges Spielerlebnis zu kreieren, liegt im Trend. Das müssen sich auch einige ehemalige Mitarbeiter von Epic Games gedacht haben, die bei ihrem neusten Spielprojekt das Beste aus Echtzeitstrategie, MOBA und Kartenspiel kombinieren. Dabei herausgekommen ist Golem Gates, ein grafisch eindrucksvoller Titel, der vor wenigen Wochen in die Early-Access-Phase eingetreten ist. Wir haben uns von Golem Gates ein Bild gemacht und berichten im nachfolgenden Beitrag über unsere Eindrücke und ob sich der Kauf der Early Access Version lohnt.
Zudem stand uns Matt Oelfke, der Kopf hinter dem Entwickler Laser Guided Games, für einige Fragen zur Verfügung.
RTS + MOBA + Digitales Kartenspiel
Echtzeitstrategie ist mindestens schon so lange tot wie der PC selbst – und trotzdem schaffen es in regelmäßigen Abständen neue Genre-Vertreter auf den Markt. Kein Wunder: keine andere Plattform ist für echtzeitstrategische Videospiele derart gut ausgestattet wie der klassische Gaming-PC. Und überhaupt erlebt der Heimcomputer derzeit so etwas wie einen zweiten Frühling. Den Analysten und Experten, die sich zu der ewigen Diskussion äußern, kann man ohnehin wenig Glauben schenken. 2012 hat der Chef von Crytek, Cevat Yerli, prophezeit, dass Konsolen aussterben würden und keine große Konsole mehr den Markt erreichen würde. Das Ergebnis waren leistungsstarke Spielekonsolen wie die PS4, die Xbox One oder der Hybrid Nintendo Switch. Am Ende hat also weder der PC die Konsolen verdrängt, noch haben die Konsolen den PC verdrängen können. Alle Plattformen existieren in einer Art Parallelwelt nebeneinander und viele leidenschaftliche Gamer greifen ohnehin auf mehr als eine Plattform zurück.
Das liegt mitunter auch an den zahlreichen Subgenres der digitalen Spielewelt, deren Vertreter meist auf einer bestimmten Plattform besonders rund laufen. Ubisoft etwa, bezeichnete den PC jüngst in einem Werbevideo als „Leitplattform für Innovation im Gaming-Bereich“. Apropos Innovation: innovativ ist auch das Konzept, das ehemalige Mitarbeiter von Epic Games mit dem Genremix Golem Gates präsentieren. Der Mix aus Kartenspiel, Real-Time-Strategy und MOBA ist als Early Access auf Steam erhältlich. Weit von der Veröffentlichung entfernt ist Golem Gates dagegen nicht mehr: der Release ist für den 28. März 2018 geplant. Die Early Access Version vermittelt also einen ziemlich guten Eindruck von dem, was Spieler für die Veröffentlichung der fertigen Vollversion erwarten können.
Bezogen auf die Spielmodi von Golem Gates ist das einiges. Neben diversen Mehrspielervarianten wie 1 vs 1, 2 vs. 2 oder Partien gegen Bots, haben die Entwickler bereits einen Teil der Singleplayer-Kampagne per Patch nachgereicht. Jeder, der sich allein auf die Schlachtfelder traut, kann das „erste Buch“ der Kampagne spielen. Entwickler Laser Guided Games präsentiert innerhalb der ersten fünf Missionen bereits zwei der spielbaren Helden (im Spiel Harbinger genannt). Zudem ist ab sofort auch der Trial Mode verfügbar, der insgesamt zehn Szenarien mit speziellen Spielregeln umfasst. Die aktuellen Änderungen der jeweiligen Patches könnt ihr im Change Log nachlesen.
Early Access Trailer zu Golem Gates
Völliger Verzicht auf Basisbau
Golem Gates soll nicht einfach ein klassisches RTS-Game sein, sondern Spieler durch einen direkten und schnellen Einstieg in das Geschehen ziehen. Ausufernder Basisbau oder das Erschaffen von mächtigen Verteidigungsanlagen sind dabei ebenso unerwünscht wie das stetige Nachproduzieren von Einheiten. Um das Spielerlebnis auf die wesentlichen Faktoren zu reduzieren vermischt Laser Guided Games die besten Aspekte verschiedener Genres. Während Einheiten und Helden sich in Echtzeit über das Spielfeld bewegen lassen, um Gegner anzugreifen oder Energieknoten einzunehmen, sorgt ein Kartenspielprinzip für den Einheitennachschub. Dazu greifen Spieler auf individuell erstellbare Decks (Glyphen-Decks) zurück, die ihrerseits aus aktiven Kampfeinheiten, stationären Geschützen sowie offensiven und defensiven Tech-Fähigkeiten bestehen.
Vor allem letztere Glyphen verleihen Golem Gates eine zusätzlich taktische Ebene, weil eigene Einheiten geheilt werden können oder Gegner beispielsweise mithilfe mächtiger Feuerbälle ins Nirvana geschickt werden. Gänzlich auf Mikromanagement verzichtet also auch Golem Gates nicht. Im Fokus des Videospiels stehen ganz klar die unzähligen Kampfsituationen, die man als Spieler während einer Partie zu bewältigen hat.
Und tatsächlich spielt sich Golem Gates unglaublich intuitiv – von einigen Bugs abgesehen, die das Geschehen derzeit manchmal hektischer machen als notwendig. Ein gewisser Glücksfaktor soll starre Deckkombinationen aufbrechen ohne die strategische Komponente des Deckbuilding zu gefährden. Einige der Glyphen entfalten daher zufallsbasierte Effekte, die zwar nicht vorhersehbar sind, die einzelnen Partien jedoch zu einzigartigen Spielerlebnissen machen. Die Entwickler von Laser Guided Games gehen clever mit den Einflüssen der verschiedenen Genres um und haben mit Golem Gates ein unheimlich launiges Strategiespiel kreiert, das Fans zu kurzweiligen kooperativen oder kompetitiven Matches einlädt.
Optisch eindrucksvoll. Spielerisch spannend.
Herausragend ist auch die grafische Qualität von Golem Gates. So richtig überraschend ist das angesichts der Vorgeschichte des Entwicklerteams aber nicht. Laser Guided Games wurde für die Entwicklung von Golem Gates gegründet und besteht aus ehemaligen Experten, die schon an Games wie Gears of War oder Unreal Tournament beteiligt waren. Matt Oelfke, Kopf von Laser Guided Games, ist ein echter Shooter-Experte – klar, dass die optische Präsentation bei einem Projekt unter seiner Führung nicht vernachlässigt wird. Um ein bestmögliches grafisches Konstrukt zu erschaffen verwenden die Entwickler die Unreal-4-Engine und greifen zudem auf kompetente Unterstützung zurück. Die schicke Optik entsteht in Zusammenarbeit mit der Firma Hollow Inc., deren Gründer Josh Nizzi bereits als Concept-Designer an Filmen wie The Avengers oder Spiderman: Homecoming arbeitete.
Trotz der erstklassigen Grafik müssen die Entwickler an einige Stellen noch ordentlich nachjustieren. Manchmal blinkt, blitzt und flimmert es derart intensiv auf dem Schlachtfeld, dass jegliche Übersicht verloren geht. Zudem scheint die Farbgebung der Einheiten nicht immer auf die der Map-Umgebung abgestimmt zu sein. Wenn die eigenen Kampfeinheiten aufgrund ihrer Färbung mit der Map verschmelzen und dadurch nahezu unsichtbar werden, vergehen einige kostbare Sekunden bevor das menschliche Auge die Handelnden Figuren wiederentdeckt hat. Besonders in hitzigen Gefechten, kann das mitunter ziemlich frustrierend sein.
Das spielerische Gerüst ist solide und erinnert an Klassiker wie Battleforge, das damals auf eine ähnliche Spielidee setzte. Dass sich Golem Gates in der Early Access Phase befindet, merkt man derzeit noch an vielen Ecken: einige Grafikeffekte wirken wie Platzhalter, das Interface ist noch lange nicht optimal und auch der Karten- bzw. Glyphen-Umfang ist vergleichsweise gering. Auch die Soundkulisse präsentiert sich wenig umfangreich, sodass sich wiederholende Sounds auf Dauer nerven. Wenn Laser Guided Games es schafft die Baustellen zu bearbeiten, steht vielen Stunden Unterhaltung jedoch nichts im Weg.
Interview mit Matt Oelfke von Laser Guided Games
Projekte, die sich noch in der Entwicklungsphase befinden, zeigen oftmals nicht all die Elemente, die Designer sich für die Veröffentlichung des fertigen Spiels vorstellen. Für interessierte Gamer ist daher besonders spannend, welche Pläne die Entwickler verfolgen und welche Inhalte und Ideen man als Spieler erwarten darf.
Wir haben daher die Möglichkeit genutzt Matt Oelfke, Gründer von Laser Guided Games und Kopf hinter Golem Gates, einige Fragen zustellen.
Über Matt Oelfke: Matt Oelfke begann bereits in jungen Jahren damit einfache Software und Games zu programmieren. Erste Durchbrüche erzielte er als Teil der Modding-Community von Unreal Tournament. Das Erstellen von populären Mods brachte im schließlich die Aufmerksamkeit des Entwicklerstudios Epic Games ein, das ihn als vollwertigen Mitarbeiter anstellte. Im Laufe der Jahre wurde er zu einem geachteten Experten zu den Themen AI und Networking Code. Nach seiner jahrelangen Tätigkeit bei Epic entschied Oelfke sich für einen Neustart, um seine eigenen Ideen umsetzen zu können. (Quelle: Laser Guided Games)
Auf die Frage nach den Besonderheiten und der Zielgruppe von Golem Gates stellte Matt Oelfke in erster Linie die Rückkehr zu einem einfachen Spielprinzip heraus:
„Unser Grundprinzip war es, ein RTS zu entwickeln, das einfach zu spielen ist und weniger Mikromanagement erfordert als vergleichbare Titel, ohne auf Spieltiefe zu verzichten. Indem wir einige Mechaniken in eine Art Kartenspiel verpackt haben, konnten wir Spielern eigene einzigartige Entscheidungen ermöglichen ohne komplizierten Handlungen folgen oder feststehende Baureihenfolgen umsetzen zu müssen.“
Die namhaften Konkurrenztitel aus dem Bereich der Strategie- und Kartenspiele fürchtet Oelfke nicht. Er sieht Golem Gates als einzigartig genug, um auf dem Markt bestehen zu können:
„Unsere einzigartigen Glyphen-Mechanik führt zu einem völlig anderen Spielerlebnis als das der meisten anderen Spiele. Wie bereits erwähnt setzen wir auf eine leichtere Zugänglichkeit als ähnliche Strategiespiele. Als unabhängiges Entwicklerstudio ist es für uns viel einfacher, direkt mit der Community zu kommunizieren.
Zudem sind viele andere Spiele großer Entwicklerstudios Free-2-play, was für Spieler durchaus negativ sein kann. Bei einem Vollpreisspiel dürfen Spieler darauf vertrauen, dass sie durch ihren Einsatz auf den vollen Umfang von Golem Gates zugreifen können ohne hunderte von Stunden für neue Inhalten grinden zu müssen.“
Im Durchschnitt waren die ersten Bewertungen von Golem Gates bei Steam überaus positiv. Für Die Entwickler war dies enorm motivierend:
„Es war ein Vertrauensvorsprung zu sehen, dass Spieler die Golem Gates bereits gespielt haben, die Erfahrung genossen. Aber für uns ist das nur der halbe Sieg. Die andere Hälfte besteht nun darin, alle anderen darauf aufmerksam zu machen.“
Was passiert wenn Golem Gates erfolgreich ist? Matt Oelfke blickt vorsichtig in die Zukunft des Spiels:
„Es gibt viel kreativen Freiraum, um spielerische Variationen zu entdecken, etwa alternative Siegbedingungen, Spezialregeln und so weiter. Die nachfolgenden Inhalte werden einiges davon enthalten und, sofern wir über zusätzliche Ressourcen verfügen können, werden wir mit weiteren Ideen experimentieren. Selbstverständlich wird es außerdem viele weitere Glyphen geben, mit denen Spieler ihre Deck bauen können.“
Mikrotransaktionen, kostenpflichtige Erweiterungen, Lootboxen oder kostenlose Inhalte sind einige der Möglichkeiten, um ein Spiel langfristig gewinnträchtig zu machen. Matt Oelfke spricht sich klar gegen Lootboxen aus:
„Sofern Golem Gates erfolgreich wird, werden wir vielleicht eine kostenpflichtige Erweiterung zu einem festen Preis herausbringen. Wir beabsichtigen nicht die Einführung von Mikrotransaktionen und werden sicherlich nicht auf den Zug des Einsatzes von Lootboxen aufspringen.“
Golem Gates bietet neben Multiplayer-Modi auch eine reinen Singleplayer-Kampagne. Die Entwickler sehen die Inhalte für Solospieler als gleichberechtigt an und schenken den Wünschen der Fans große Aufmerksamkeit:
„Der Einzelspielermodus ist ebenso wichtig wie die Mehrspielermodi. Wir haben im Rahmen des Early Access einen Fokus auf Mehrspielerinhalte gelegt, werden uns aber mit der Veröffentlichung stark auf den Einzelspielerbereich konzentrieren. Viele der neuen Inhalte werden um das Solospiel gestrickt sein und unter anderem einige kooperative Maps enthalten.
Viele Nutzer haben uns gesagt, dass sie vor allem mehr Soloinhalte wünschen, also haben wir die Entwicklung in diesem Bereich beschleunigt und den Umfang vergrößert. Zusätzlich zum ersten Teil der Kampagne enthält das erste große Update einen Trial-Modus mit vielen neue Herausforderungen für Einzelspieler.“
Golem Gates ist derzeit nur für den PC erhältlich. Auf die Nachfrage nach möglichen Portierungen zeigt sich Matt Oelfke offen aber vorsichtig. Es hängt eben von den Spielern ab.
„Derzeit gibt es keine Pläne für eine Veröffentlichung auf anderen Plattformen. Aber wenn das Interesse groß genug ist, könnt es dennoch passieren.“
Wir waren uns sicher, die Entwickler von Golem Gates würden Kartenspiele oder Brettspiele mögen. Dass Deckbuilding-Spiele favorisiert werden, war keine große Überraschung:
„Einige von uns mögen Deckbuilding-Games wie Ascension oder Legendary. Die Idee eine vollständige Sammelkartenspiel-Erfahrung (CCG) in einer Spielzeit von ein bis zwei Stunden zu bündeln ist ziemlich interessant und unterhaltsam.“
Auf die Frage, ob Matt Oelfke den Fans noch etwas sagen möchte, stellte er natürlich den Dank an die Spieler in den Vordergrund:
„Vielen Dank fürs Spielen! Wir sind aufgeregt, wenn wir daran denken den Rest des Titels zu entwickeln damit alle die Möglichkeit bekommen, das Spiel zu genießen.“
Für uns waren die Spielstunden durchaus unterhaltsam. Auch wir freuen uns auf einen baldigen Release von Golem Gates. An dieser Stelle danken wir Matt Oelfke von Laser Guided Games für seine Zeit und wünschen dem gesamten Entwicklerteam viel Erfolg.
Infobox
Spielerzahl: 1 Spieler (Single- und Mutliplayer)
Alter: ab ca. 14 Jahren
Spieldauer: 20+ Stunden
Schwierigkeit: mittel
Langzeitmotivation: hoch
Publisher: Hollow Earth
Entwickler: Laser Guided Games
Erscheinungsjahr: 2018
Plattformen: PC
Sprache: Englisch
Kosten: ca. 20 Euro
Media zu Golem Gates
Prognose
Golem Gates kann zu einem echten Achtungserfolg werden, wenn die Entwickler von Laser Guided Games es schaffen, die typischen Fehler von derartigen Early Access Projekten zu vermeiden. Was Spieler wünschen ist eine möglichst fehlerfreie Spielerfahrung, stabile Server im Multiplayerbereich sowie ein regelmäßiger Nachschub von neue Spielinhalten. Wer ein strategisches Videospiel auch auf Solospieler ausrichtet, muss sich spätestens mit der Veröffentlichung an der Verfügbarkeit von Singleplayer-Inhalten messen lassen. Mit dem Release des ersten großen Updates ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung getan, langfristig unterhalten werden Einzelspieler jedoch nur durch die kreativen Schaffensprozesse der Entwickler.
Wie so oft könnte man sagen: Golem Gates hat Potenzial. Die Grundvoraussetzungen für einen Erfolg sind jedenfalls vorhanden. Die Grafik ist hervorragend, das Spielgeschehen direkt und auch die taktischen Möglichkeiten überzeugen – auch wenn Hardcore-Strategen sich sicherlich mehr Einflussnahme wünschen.
Letztendlich entscheiden auch die Multiplayer-Modi über den Erfolg des Titels. Spielern faire und spannende Mehrspielergefechte zu ermöglichen, muss für Laser Guided Games eine langfristige Strategie sein – auch um gegen Konkurrenztitel aus dem Strategiegenre zu bestehen. Kompetitiven und kooperativen Mehrspielerpartien gehört einfach die Zukunft.
Alles in allem ein guter, aber kein herausragender, Vertreter des derzeit vielleicht populärsten Genres.