Die Gamescom 2021 findet statt als Hybrid-Event – zumindest eventuell, denn die Organisatoren können das letztendlich nicht entscheiden. Politiker und Behörden übernehmen an dieser Stelle. Derzeit ist die Gamescom in Köln – geplant als zweigleisige Veranstaltung mit Streaming-Part und Vor-Ort-Bespaßung für rund 100.000 Besucher – ein Wunsch. Zumindest jedoch einer, hinter dem ein Plan steckt. Nein, mehrere: Es geht um Gamescom für zu Hause, um Messehalle als Anlaufstelle für Hardcore-Fans, um E-Sport, Cosplay und Shows – und auch um Sicherheits- und Hygienekonzepte. Letztere werde die Zünglein an der Waage. Und sie sind gleichzeitig jene beiden Faktoren, über die man eigentlich nicht entscheiden möchte, es aber doch muss.
Ein Kommentar von André Volkmann
Ob das mit einer Gamescom 2021 mit Vor-Ort-Elementen gutgehen kann? Niemand wagt das zu prophezeien. Klar, die Messe ist ein „Big business“, darauf verzichten möchten vor allem die Organisatoren nicht, die mit dem Konzept „B-SAFE4business“ ein sicheres Messeerlebnis bieten wollen. Das Konzept klingt gut, sinnvoll, durchdacht: www.gamescom.de/vorteile-hybrides-konzept.
Mit Monitoring der Besucherzahlen- und ströme, Leitsystemen, individuell ausgestalteten Knotenpunkten, Kontaktnachverfolgung oder Desinfektionsspendern will man das Coronavirus nicht eindringen lassen in die Messehallen. Blöd ist dabei nur, dass Menschen die Regelungen auch beachten müssen. Wer jemals auf der Gamescom war und dort auf einer der Toiletten, weiß sofort: Wer es nicht schafft, sich nach dem Pinkeln die Hände zu waschen, der wird vermutlich auch Desinfektionsspender mit Ignoranz strafen. Und wer selbst derart problemlose Maßnahmen wie das Händedesinfizieren missachtet, den werden Leitsysteme und organisatorische Regeln kaum interessieren.
Am Ende ist es mit der Hybrid-Gamescom wie im Alltag: Es sind die Ignoranten, die den Vorsichtigen den Tag versauen.
Fässer voller Impfstoffe
Fässer voller Impfstoffe in den Lagern, alle zehn Kilometer eine Impfstation, kostenlose FFP2-Masken für alle – so sieht die Realität derzeit (noch) nicht aus. Dabei wäre das ein Idealbild für die Planbarkeit von Messeveranstaltungen. Stattdessen: Steigende Infektionszahlen, explodierende Inzidenzwerte, ein R-Wert, der sich hartnäckig über der 1er-Marke hält – derzeit stehen die Zeichen eher auf Schließung von allem, als auf Öffnung von irgendwas.
Und mitten hinein in die dritte Welle schreien die Gamescom-Macher ihre Messe, an der in Spitzenjahren rund eine halbe Million Menschen teilnehmen – vor Ort. Für die Hybrid-Messe hat man sofort erkannt, dass man diese Zahlen angesichts der aktuellen Lage kaum in die Messehallen wird zwängen können. Also wurde ein zweigleisiges, ein hybrides Eventkonzept erarbeitet. „Gaming-Superfans“ will man damit nach Köln locken, in eine Entertainment-Area, in der Spiele ausprobiert werden können – mit einem Warteschlangen-Management. Und wenn die Gamescom eines kann, dann sind es Warteschlangen: die gibt es jährlich – bis auf 2020 – in verschiedenen Format. Von lang über länger bis hin zu „ab hier sind es drei Stunden Wartezeit“.
Die Organisatoren der Gamescom und die Verantwortlichen der KoelnMesse sind bereit für die Videospiele-Supershow. Die Besucher sind es nicht, das zeigt schon das Genörgel angesichts kleiner Warteschlagen von Supermärkten oder Geschäften. So sehr man sich eine Vor-Ort-Hälfte für die Gamescom auch wünscht, es sind am Ende die Besucher selbst, die den Traum zerplatzen lassen.

Gamescom 2021: So könnte es vor Ort aussehen – leer, viel Platz, regulierte Besucherströme. Nur die Masken fehlen auf dem Bild. Fast schon prophetisch: Einige Besucher wenden den Blick auf ihre Handys, um die aktuellen Sicherheitsregelungen nachzulesen! Foto: Volkmann
Auch neuere wissenschaftliche Erkenntnisse sprechen gegen eine Vor-Ort-Gamescom. Weitaus häufiger als vorher sind junge Menschen infiziert – und gerade sie machen einen großen Teil der Messebesucher aus. Ihr Verhalten ist dabei nicht immer nachvollziehbar: Da trifft man sich unter Gleichgesinnten, entgegen der Corona-Regeln im Pulk. Einsätze von Ordnungsbediensteten im gesamten Bundesgebiet decken regelmäßig „Corona-Partys“ auf. Und dann will man die jungen Gamer dazu bringen, sich angepasst und regelkonform zu verhalten? Das wird nicht funktionieren. Und damit nicht der Eindruck aufkommt, die Jugend sei schuld: Die Erwachsenen machen es nicht besser. Stand jetzt: mit rund 100.000 Besuchern in einer Vor-Ort-Entertainment-Area wird die Gamescom zu einem Super-Superspreader-Event. Die bittere Erkenntnis würde hinterher sein, dass Konzepte nur funktionieren, wenn Leute sich auch daran halten. Und daran scheitert es. Leider. Und zum Leidwesen jener, die sich detaillierte Ablaufpläne ausdenken.
Rund 25 Schüler gleichzeitig, pandemie-gerecht und geschützt in ein Klassenzimmer zu pferchen, das erscheint derzeit wie eine Herkulesaufgabe. Rund 100.000 Schüler und Erwachsene in eine Messehalle zu stopfen, das erscheint vor diesem Hintergrund völlig unmöglich. Derzeit zumindest. Aber es bleiben ja noch fünf Monate Zeit.
Aber: Wenn wir zurückblicken, was man in Deutschland in den vergangenen fünf Monaten so stemmen konnte, um die Pandemie erfolgreich einzudämmen, dann sollte die Durchführung der Gamescom doch ein Klacks werden!
Was wäre wenn: So soll die Gamescom 2021 ablaufen
Nun stelle man sich für einen Moment vor, alle Besucher heilten sich penibel an die Regeln, desinfizierten nicht nur, sondern wuschen sich sogar die Hände nach dem Toilettengang- dann könnte die Gamescom 2021 als Hybrid-Event nach Informationen der Messeveranstalter so aussehen:
- eine speziell für die Gaming-Superfans konzipierte Entertainment Area für eine verringerte Anzahl von Besucherinnen und Besuchern vor Ort und mit einem Fokus auf das Ausprobieren neuer Spieletitel live vor Ort inklusive eines digitalen Warteschlangenmanagements
- ein weiterentwickeltes Gamescom now als zentrale Anlaufstelle für Gaming-Fans aus aller Welt im Netz
- aus den Vorjahren bekannte Gamescom-Shows wie die Gamescom: Opening Night Live oder das Gamescom studio
- eine Event arena, die Platz für besondere Programmpunkte wie E-Sport-Turniere oder Cosplay-Shows bietet
- eine um die Halle 11 erweitere Business area, um auch 2021 möglichst vielen Fachbesucherinnen und Fachbesuchern optimale Networking-Bedingungen zu bieten
erstmals eine Online-B2B-Plattform namens „Gamescom biz“, die auf dem bereits erprobten Konzept der DMEXCO @home basiert und neben der Unternehmens- sowie Produktpräsentation auch Leadtracking sowie umfangreiche Networking- und Matchmaking-Funktionen bietet
Einschränkungen bleiben: In Folge des Sicherheitskonzept und der damit verbundenen Fokussierung auf Anspielmöglichkeiten kann nicht allen bisherigen Ausstellern die Teilnahme ermöglicht werden. Zudem wird das Ticketkontingent für die Gamescom 2021 deutlich reduziert. Der Start des Ticketverkaufs ist für Mai 2021 geplant.
Dass der reine Online-Part funktionieren kann, hat die Gamescom bereits im vergangenen Jahr – mit einigen Abstrichen – bemerkenswert gezeigt. Was dieses Jahr passieren würde, war lange nicht absehbar. Die Organisatoren hatten zwischenzeitlich die Fans befragt, nach Sicherheitswünschen, Preisgrenzen, der Grundmotivation für einen Besuch in Corona-Zeiten. Die Ergebnisse zeigen vor allem eines: Die Fans wollen zurück in die Messehallen, zurück auf die Gamescom. So haben 88 Prozent der Befragten angegeben, sich „mit guten Schutz- und Hygienemaßnahmen auf einer Gamescom in Köln sicher fühlen“ zu können.

Warteschlangen-Management ist nicht neu auf einer Gamescom – in der Vergangenheit, ohne Corona, sah das so aus. Foto: Volkmann
Für 76 Prozent der Befragten geht „das Ausprobieren von neuen Spielen einfach am besten auf der Gamescom vor Ort“. Tragisch: 50 Prozent der 76 Prozent der Befragten werden vermutlich niemals die Eine-Stunde-Wartemarke auf der Vor-Ort-Messe überschreiten. Hoffnung spielte also schon immer mit beim Thema Gamescom.
Und: 92 Prozent der Befragten können „es kaum abwarten, die Gamescom wieder vor Ort zu erleben“. Das ist ohne Zeitangabe, könnte also auch erst im Jahr 2025 eintreten.
Dennoch ist die Gamescom als Hybrid-Event erstmal vom 25. bis 29. August geplant. Ein Hintertürchen lassen die Organisatoren ist jedoch offen: Sollte die pandemische Entwicklung eine Umsetzung vor Ort unmöglich machen, so wird die Gamescom erneut rein digital stattfinden. Für Fans ist das eine gute Nachricht, denn sie bedeutet, dass die Gamescom 2021 auf jeden Falls stattfinden wird, in welchem Format auch immer.
Wir wünschen der KoelnMesse, dem Bundesverband Game, allen Ausstellern, Entwicklern und Publishern, Messeangestellten, Messebauern und Fans, dass tatsächlich vor Ort in Köln die Post abgehen kann – wenn nicht mit 100.000 Besuchern in der Entertainment-Area, dann wenigstens mit 1.000 – oder zu zweit. Mit Termin – „Click und zock“. Hauptsache Messe. Man ist ja ausgehungert. Hoffnung ist vorhanden. Wünsche und Träume ebenso. Realität allerdings leider auch.