Das Jahr 2016 neigt sich dem Ende. Zeit für einen Rückblick auf ein Jahr, das bei der Netzgemeinde mit dem Hashtag #scheissjahr nicht besonders gut weggekommen ist. 2016 war ein Jahr der gemischten Gefühle, der Hochs und Tiefs – kulturell, gesellschaftlich, politisch. Und trotz aller Schreckensmeldungen gab es viel Positives zu vernehmen, vor allem für Brettspieler. In unserem Jahresrückblick 2016 fassen wir die vergangenen zwölf Monate noch einmal in aller Kürze zusammen.
Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern einen guten Rutsch in das neue Jahr.
Traurige Überraschungen
Schauspieler oder Musiker hatten es schwer im Jahr 2016. Roger Cicero, David Bowie, Leonard Cohen, Prince und Rick Parfitt sind nur einige der Namen, die im sich dem Ende neigenden Jahr überraschend verstorben sind. Filmfans trauerten unter anderem um Leinwandlegende Bud Spencer, Anton Yelchin und jüngst Peter Vaughan. Selbst die Brettspielszene bliebt von traurigen Ereignissen nicht verschont, etwa als im August Harald Bilz vom Heidelberger Spieleverlag überraschend verstarb. Als dann Carrie Fisher einen Tag vor Heiligabend einen Herzinfarkt erlitt und auch sie das Jahr 2016 nicht übersteht, wurde deutlich, dass das Schicksal auch an den Weihnachtstagen keine Pause machen würde. Mit dem Tod der Musiklegende George Michael schien die Katastrophe und damit das #scheissjahr perfekt.
Und dann war da noch die Sache mit Donald Trump…
Terraforming Hype
Spieler konnten sich immerhin in fantastische Welten absetzen, um den schlechten Schlagzeilen zumindest zeitweise zu entgehen. Spielerisch war 2016 ein gutes Jahr. Dafür standen auch die erfolgreichen Messeveranstaltungen in Köln und Essen. Insbesondere die Spielemesse in Essen stellte mit über 170.000 Besuchern im Jahr 2016 einen neuen Rekord auf. Die Spielzeugbranche vermeldete zweistellige Zuwachsraten und überhaupt scheint es wieder voll im Trend zu liegen, Gesellschaftsspiele aus dem verstaubten Regal zu holen. Erwähnenswerte Titel aus dem Jahr 2016 gibt es indes viele. Mit einem echten Hype bekam es der Schwerkraft Verlag zu tun, der mit Terraforming Mars eines der wohl angesagtesten Brettspiel auf den Markt brachte. Der Ausstellerstand des Oberhausener Verlags wurde auf der SPIEL’16 regelrecht belagert und die Verkäufe von tumultartigen Szenen begleitet als Fans versuchten, sich eines der begehrten Exemplare zu sichern. Während die einen leer ausgingen, witterten die anderen das Geschäft ihres Lebens und boten Exemplare von Terraforming Mars zu horrenden Preisen auf den bekannten Internetauktionsplattformen an.
Erfahrene Brettspieler erwarten jährlich die Wahl zum Kennspiel des Jahres – so auch 2016 zum mittlerweile 37. Mal. Die Jury hatte in diesem Jahr die Chance, einen echten Hochkaräter zum Kennerspiel des Jahres 2016 zu küren, blieb letztendlich jedoch vergleichsweise konservativ. Auch wenn mit Isle of Skye von Lookout Games ein sehr guter Titel die Auszeichnung erhalten hat, hätte die Jury mit einer Entscheidung zugunsten von Pandemic Legacy – Season 1 oder T.I.M.E Stories weitaus mehr Mut beweisen können und vielleicht sogar müssen.
Ansonsten ist das Jahr 2016 auch eines der wiederverwerteten Ideen. Neue Legacy-Spielsysteme wie Seafall* gehören mittlerweile ebenso zu den regelmäßigen Neuerscheinungen wie die Veröffentlichungen von Kartenspielvarianten beliebter Brettspiele (Camel Up, Glück auf, Port Royal u.a.). Letzteres dürfte vor allem vielreisende Spieler erfreuen. Eine Wiederverwertung der besonderen Art ist dagegen das Miniaturen-Spiel Kingdom Death: Monster 1.5, das auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter innerhalb weniger Stunden in den Olymp der erfolgreichsten Finanzierungsprojekte aus dem Bereich der Gesellschaftsspiele aufgestiegen ist. Echte Fans lassen sich von gutem Recycling eben nicht aufhalten – und von Debatten um Sexismus schon gar nicht.
Mut zu Kritik
Auch wenn Gesellschaftsspiele als Kulturgut umschrieben werden, dienten sie auch im Jahr 2016 in erster Linie zur Unterhaltung. Das ist gut so und führt Menschen in regelmäßigen Abständen zusammen, dennoch drängt sich die Frage auf, wie gesellschaftskritisch vor allem Brettspiele sein dürfen – oder müssen. Ein Paradebeispiel dafür war das großartige Expertenspiel Mombasa von Alexander Pfister. Nicht nur, dass Mombasa durch spielerische Qualität auf sich aufmerksam machte, es spielt im und mit der Kolonialzeit. Mit seinem ernsten Hintergrund wäre dieses Brettspiel der ideale Aufhänger für eine kritische Auseinandersetzung mit dem sensiblen Themenbereich der Kolonialherrschaft gewesen, deren negative Auswirkungen auch heutzutage noch spürbar sind.
In Community-Foren entbrannten Diskussionen darüber, ob derartige Settings bei einem Brettspiel erlaubt sind, sogar darüber ob Hintergrundgeschichten eines Gesellschaftsspiels überhaupt einen sinnvollen Bezug zur realen Welt herstellen könnten. Autor und Verlag hielten sich angesichts der wiederkehrenden Debatten (leider) eher bedeckt und scheuten eine kritische Auseinandersetzung mit dem wichtigen Thema. Leider, weil Mombasa eben wie nur einige andere Titel ein Meisterstück für ein erfolgreiches gesellschaftskritisches Brettspiel hätte sein können. Für 2017 wünsche ich mir auch bei Gesellschaftsspielen mehr Mut zu unbequemen Settings. Zwei Dinge hat Mombasa immerhin erreicht: Es unterhält auf hohem Niveau und ruft den Menschen eines der dunkelsten Kapitel ihrer Geschichte in Erinnerung – als Einladung darüber nachzudenken.
Nach der Übernahme von Lucasfilm, ist Disney mit der Marke Star Wars auch in 2016 omnipräsent gewesen. Für analoge Spielefans mündete das in ein wahres Paradies der Star Wars Gesellschaftsspiele: Star Wars Rebellion, neue Inhalte für Star Wars Pen & Paper, Erweiterung für Star Wars – Das Kartenspiel sowie wie Imperial Assault, X-Wing und Armada und zuletzt das geniale Sammelspiel Star Wars – Destiny. Vor allem Star Wars – Destiny* ist einer der Überraschungstitel des Jahres 2016. Der Heidelberger Spieleverlag hat für nicht enden wollenden Nachschub gesorgt und wird diesen Weg auch 2017 fortsetzen.
Ein echtes Highlight für Gelegenheits- und Vielspieler waren Escape-Games, die spätesten in der Zeit nach der SPIEL’16 zu einem regelmäßigen Thema in den Sozialen Medien wurden. Dank der äußerst erfolgreichen Escape-Reihe Exit – Das Spiel von Inka und Markus Brand können Gesellschaftsspieler auf Rekordjagd gehen und sich mit den Bestzeiten anderer Teams messen. Dass die beim Kosmos Verlag erschienene Serie bereits im Frühjahr fortgeführt wird, ist somit keine große Überraschung.
2016 war ein Jahr der gemischten Gefühle und auch für Spieler nicht frei von Enttäuschungen: man denke nur an Seafall, das vielleicht gut, aber nicht unvergesslich ist. Das nächste Jahr
wird für all diejenigen eine harte Zeit, die auf Besserung hoffen und vielleicht von der Realität enttäuscht werden. Immerhin: die Hoffnung stirbt zuletzt.