Vor ziemlich genau einem Jahr haben wir Harry schon einmal den Wagen vorfahren lassen, um in die Rollen ambitionierter, aber bei manchen Kriminalfällen überforderter, Ermittler zu schlüpfen. Mit dem zweiten Teil der Krimispielreihe Crime Master erhalten wir erneut die Chance, unsere Fähigkeiten als Ermittler zu beweisen. Statt in die Stadt, führt uns Crime Master 2 – Tatort: Urlaub in einige der schönsten Reiseregionen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz, in denen Straftaten in äußerst humoriger Art aufgeklärt werden müssen. Wie sich der Nachfolger zum beliebten Krimiratespiel schlägt, erfahrt ihr in unserer Rezension zu Crime Master 2 – Tatort: Urlaub von Sonja Klein (Gmeiner Verlag). Harry, fahr schon mal den Wohnwagen vor! 


Kooperativ, kompetitiv? Hauptsache Urlaub!

„Mailand oder Madrid? Hauptsache Italien!“, gilt als eine der legendärsten Aussagen unseres Rekordnationalspielers Lothar Matthäus. Manchmal ist es einfach egal, wohin man geht – hauptsache die Sonne scheint. Auch die Fälle des Krimi-Rollenspiels Crime Master 2 – Tatort: Urlaub entführen spielende Ermittler an beliebte Ferienorte. Einmal quer durch die Bundesrepublik, Österreich und die Schweiz reisen Ermittler-Duos oder größere Gruppen von Fallanalysten, um Verbrechen zu lösen. Ganoven kennen schließlich keine Grenzen.

Von Sylt über Chemnitz bis nach Konstanz sind wir unterwegs und ermitteln bei Brandstiftungen, Einbrüchen oder Körperverletzungen, aber auch in Mordfällen oder im Rahmen von Bombendrohungen. Sonja Klein, die Autorin von Crime Master 2 – Tatort: Urlaub, deckt mit ihren Fällen einen großen Teil des Strafgesetzbuchs ab und sorgt damit für Abwechslung im Ermitlerbüro. Kriminalfälle lösen Spieler in zwei Spielvarianten: kooperativ als Ermittlerteam mit mindestens 2 Spielern oder kompetitiv ab 3 Spielern, um auszumachen, wer der beste Ermittler am Spieltisch ist. Das dazu benötigte Spielmaterial liegt in einer handlichen Schachtel, was Crime Master 2 – Tatort: Urlaub auch zu einem perfekten Reisespiel macht. Insgesamt 25 Kriminalfälle werden ergänzt durch 25 großformatige Aufklärungskarten. Auf dem beiliegenden Ermittlungsblock halten Spieler ihre (Rate-)Ergebnisse fest. Die lediglich vierseitige Anleitung zeigt, dass Crime Master 2 – Tatort: Urlaub auf eine schnelle Aufnahme der Ermittlungsarbeit drängt.

Crime Master 2 lebt von den Spielern

Bereits die Rezension zum Vorgänger Crime Master – Tatort: Großstadt verdeutlichte, wie sehr ein Spiel von seinen Spielern leben kann. Das ist bei Rollenspielen zwar üblich, bei so manchem Brettspiel wird die spielerische Freiheit jedoch derart eingeengt, dass echtes Rollenspiel-Gefühl nur rudimentär aufkommt. Auch bei Crime Master 2 – Tatort: Urlaub tut man sich (je nach persönlicher Selbstdarstellungskompetenz) schwer, die Rolle des Ermittlers zu verkörpern. Der erste Fall gestaltet sich unter Umständen zäh, denn die große spielerische bzw. inhaltliche Freiheit, sorgt dafür, dass vor allem die ermittelnden Spieler nicht so recht wissen, was sie als erstes tun sollen.

Hat man einige Fälle gelöst oder geht im Spielkonzept des Krimi-Rollenspiels ohnehin auf, gestaltet sich der Spielablauf spüarbar flüssiger. Crime Master 2 – Tatort: Urlaub lebt von den Interaktionen der Spieler und nicht zuletzt deren kreativer Falllösungsideen. Sich an einen der, im Schwierigkeitsgrad variierenden, Kriminalfälle heranzutasten hängt mitunter von der Allgemeinbildung ab. Nicht immer sind kulturelle oder geografische Wissenslücken dafür verantwortlich, dass ein Spieler bei der Lösung eines Kriminalfalls auf der Stelle tritt. Einige Rahmenbedingungen sind derart speziell, dass man dieses Wissen durchaus als „nerdig“ bezeichnen könnte. Ein Grund an den knackigen Fälle zu verweifeln ist das aber nicht: der „allwissende Fallaufkärer“ gibt anhand seiner großformatigen Lösungskarten dezente Hinweise, um Spieler aus einer gedanklichen Einbahnstraße zu lotsen. 

Rezension: Crime Master 2 - Tatort: Urlaub

Das grundlegende Spielprinzip ist dabei denkbar einfach. Jeder der 25 Fälle beschreibt einen Kriminalfall in jeweils 4 Teilkategorien: das Verbrechen, den Tatort, die gesicherten Spuren und mögliche Zeugenaussagen. Eine kurze Übersicht am Ende der Fallkarten gibt an, aus welchen Faktoren der Tathergang rekonstruiert werden muss. So sind im Fall der Kripo Aurich beispielsweise 2 Hinweise zum Täter, 2 Motivhinweise u, 2 Tathilfsmittel und 6 Schritte des Tathergangs zu benennen, um die volle Punktzahl (12 Punkte) abzustauben. Selbstverständlich müssen Lösungspunkte nicht immer wortgetreu genannt werden. Welcher Ergebnispunkt als getroffen zählt, bestimmt der sogenannten (fair agierende) Ermittlungsleiter.

Im kompetitiven Spielmodus ab 3 Spielern wird für jeden Treffer ein Punkt vergeben. Die Spieler sind reihum an der Reihe und dürfen solange Fragen stellen, wie diese von dem Ermittlungsleiter mit „Ja“ beantwortet werden. Dies geht solange weiter, bis der Fall gelöst und sämtliche der 12 Punkte vergeben wurden. Der Ermitler mit den meisten Punkten gewinnt.

Die Leistung in der kooperativen Variante von Crime Master 2 – Tatort: Urlaub wird mithilfe einer kleinen Punkteübersicht bestimmt.

Überstunden: Zeitintensive Ermittlungen

Beide Spielvarianten sind reizvoll und motivieren zu munterer Logikarbeit. Die Schlussfolgerungen der meisten Kriminalfälle sind logisch aufgebaut und (mit Hilfe des Ermittlungsleiters) gut lösbar. Bei Rätselspieler dieser Machart zeigt sich übrigens das vorteilhafte Instrument der „Macht der Masse“. Je größer die Mitspielerrunde, desto mehr profitieren alle gemeinsam vom sogenannten Schwarmwissen, was Spieler nicht nur zielstrebiger zur Lösung eines Falles führt, sondern den gesamten Spielablauf spürbar spannender gestaltet – auch weil Ermittler auf weniger Hilfestellungen angewiesen sind. Einer duellhaften Zwei-Spieler-Runde geht eher die Luft aus.

Stehen sich Ermittlungsleiter und Ermittler in einer Zweierrunde gegenüber, passiert es schnell, dass dem ermittelnden Spieler die Ideen ausgehen oder seine Gedankengänge aufgrund der stets komplexen Fallkonstellationen bockiert sind. Der Ermittlungsleiter ist dann damit beschäftigt, möglichst hilfreiche aber lösungsfremde Tipps zu geben, um den Ratespaß nicht zu zerstören. Mit steigender Spielererfahrung, steigt jedoch auch in Zwei-Spieler-Spielen die Chance, dass schwierige Fälle mit einer hohen Punktzahl erfolgreich gemeistert werden – man lernt im Laufe der Zeit, um welche Ecke man als Ermittler denken muss.

Überstunden müssen Profi-Ermittler unbedingt einplanen: den zeitlichen Rahmen einer Spielrunde sollte man daher nicht unterschätzen. Die angegebenen Spielrundenzeiten von ca. 15 bis 20 Minuten haben wir während unserer Spielrunden im Rahmen der Rezension nur selten erreicht. Die Lösungen nahmen mindestens 30, mitunter sogar 60 Minuten in Anspruch. Grundsätzlich bestimmen die Spieler ihre Spielzeit aber selbst. Ungeduldigen Mitspielern greift der Ermittlungsleiter einfach früher unter die Arme. Mit steigendem Schwarmwissen sinkt die Spielzeit ohnehin.

Infobox

Spielerzahl: ab 2 Spielern
Alter: ab 14 Jahren
Spieldauer: 30 bis 45 Minuten
Schwierigkeit: mittel bis hoch
Langzeitmotivation: niedrig

Verlag: Gmeiner Verlag
Autor: Sonja Klein

Erscheinungsjahr: 2017
Sprache: deutsch
Kosten: 10 Euro

Fazit

Als Rezensent könnte man es sich an dieser Stelle einfachen machen und sagen Crime Master 2 – Tatort: Urlaub spiele sich wie der Vorgänger nur mit anderen Fällen. Das ist grundsätzlich zwar so, wird der spannenden Idee des Krimi-Rätselns aber nicht gerecht. Bei manchem Fall bekommt man als Spieler zwar den Eindruck, die Lösung sei alles andere als logisch, das sagen Mathematikunkudige allerdings auch, wenn es um multifaktorielle Varianzanalysen geht.

Crime Master 2 – Tatort: Urlaub richtet sich sowohl an Fans des ersten Teils als auch an Krimi- und Rätselfreunde, die den sonntäglichen Tatort-Abend fest in ihren Tagesablauf verankert haben. Sämtliche Fälle sind humorvoll aufbereitet und mit (einfach gehaltenen) Tatortskizzen versehen, die es Ermittlern leicht machen, sich auf das Spielprinzip einzulassen. Nach anfänglichen zähen Spielrunden macht das Ermitteln enorm viel Spaß. Neue Fälle zu lösen ist reizvoll und einen Tathergang bis ins Detail rekonstruieren zu können, fühlt sich an wie ein großartiger Spielerfolg. Der Wiederspielwert ist hingegen eher gering, weil bekannte Lösungen nur wenig Anreiz für erneute Ermittlungsarbeit bieten. Bis alle 25 Kriminalfälle erfolgreich gespielt wurden, vergehen viele Spielstunden – was bei Anschaffungskosten von rund 10 Euro sehr fair ist.

Wer Crime Master – Tatort: Großstadt mochte, sollte sich den zweiten Teil der Serie nicht entgehen lassen. Andere Anhänger logischer Rätselspiele können bedenkenlos Probespielen. Zudem gilt: Je mehr Mitspieler am Tisch sitzen, desto größer ist der Spaß mit Crime Master 2 – Tatort: Urlaub.