Leo Colovini hat sich für das Ratespiel Facecards einen Mechanismus zunutze gemacht, der den Menschen zutiefst menschlich erscheinen lässt: Pareidolie. In Mustern oder Dingen vermeintlich Gesichter oder Gegenstände zu erkennen, weist darauf hin, wie sehr das menschliche Gehirn von Erwartungen abhängig ist. Eines der bekanntesten – und wohl auch unheimlichsten – Beispiel für Pareidolie ist das „Marsgesicht“. Bereits im Jahr 1976 lichtete die Raumsonde Viking I eine Formation auf dem Roten Planeten ab, die auf den Bildern einem Gesicht ähnelt. Erst hochauflösende Aufnahmen aus dem Jahr 2001 zeigten dann das „wahre Gesicht“ der verblüffenden Felsformation. Weil Irren aber menschlich ist und das Betrachten von Trugbildern ohnehin ein echter Spaßgarant sind, hat Ravensburger ein kurzweiliges Kartenspiel auf den Markt gebracht, das sich einen Platz auf der Empfehlungsliste für das Spiel des Jahres 2018 sichern konnte. Wir haben Facecards gespielt und verraten euch in der nachfolgenden Rezension welche verrückten Paare besonders gut ankamen.
Simples Regelwerk.
Man muss kein Einstein sein, um die Regeln von Facecards zu verstehen. Leo Colovini hat mit einfachen Mitteln ein nachvollziehbares Kombinationsspiel geschaffen, das als Familien- oder Partyspiel genauso taugt wie als kurzweiliges Zwischendurch-Spiel. Und so dürfte es nicht verwundern, dass Facecards in regelmäßigen Abständen auf dem Spieltisch gelandet ist, seit es in unserer Reichweite liegt.
142 Karten aus unterschiedlichen Kategorien bilden das Herzstück des lustigen Kartenspiels aus dem Hause Ravensburger. Jeder Mitspieler rüstet sich mit einem Fotoalbum aus, das er vor sich auf dem Tisch platziert. Anschließend wird die Starthand aus 7 Karten gebildet (bei mehr als 5 Spielern aus 6). Geschützt vor den Augen der anderen Spieler schaut sich jeder seine Handkarten an – und lässt die abgebildeten Eindrücke auf sich wirken. Es ist erstaunlich, wie schnell die ersten Gemeinsamkeiten auf den Kartenabbildungen entdeckt, manchmal erdacht werden. Spannend ist, ob andere Spieler ähnlich ticken wie man selbst. Um das herauszufinden, wählt jeder Mitspieler zu Beginn einer Runde zwei Karten, von denen er glaubt, dass sie eine Ähnlichkeit aufweisen. Die selbe Haarfarbe, eine ähnliche Nase, ein vergleichbarer Gesichtsausdruck: jeder Ähnlichkeit, die irgendwie begründbar ist, kann als Auswahlkriterium genutzt werden. Für eine kategorienübergreifende (Personen, Tiere, Gegenstände) Auswahl gibt es zudem Sonderpunkte.
Hat sich jeder Spieler sein verrücktes Kartenpaar aus den Handkarten herausgesucht, legt jeder reihum eine der Karten offen, die andere verdeckt, vor sich aus. Besteht die Spielerrunde aus maximal 4 Spielern, werden noch drei zusätzliche Karten aus dem Vorrat als Störkarten ausgelegt. Zu einfach und offensichtlich soll es ja auch nicht werden. Nach dem Mischen der Tischkarten drehen die Spieler ihre noch verdeckte Paarkarte um. Der Startspieler beginnt nun mit dem Erraten einer möglichen Kombination. Der Besitzer der vor ihm ausgelegten Karten gibt eine Rückmeldung dazu, ob ein Treffer vorliegt oder nicht. Bei einem Nein ist der nächste Spieler an der Reihe. Bei einem Ja erhalten die beiden beteiligten Spieler jeweils eine der Karten und legen diese als Siegpunkte in ihr Fotoalbum. Anschließend ziehen die Spieler zwei Karten nach und setzen die Runde fort. Facecards endet, wenn alle Mitspieler gleich oft Startspieler gewesen sind.
Um erfahrenen Spielern eine Herausforderung zu bieten, empfiehlt Ravensburger eine Variante: die Spieler legen beide ihrer Paarkarten in die Mitte, um den Schwierigkeitsgrad noch zu erhöhen. In der Spielpraxis funktioniert das gut und macht Spaß – auch weil keiner der Mitspieler weiß, wer hinter welchem Kartenpaar steckt.
Je verrückter, desto … verrückter
Den Maori und Albert Einstein als Kartenpaar zu verwenden ist ziemlich offensichtlich: deutlicher können zwei herausgestreckte Zungen immerhin kaum sein. Das haarlose Baby und den Wrestler auszusuchen ist mindestens ebenso anschaulich bezüglich möglicher Gemeinsamkeiten. Um die Ecke denken muss man vor allem bei kategorienübergreifenden Ähnlichkeiten. Eine Schauspielerin, die ihren Mund weit öffnet, ähnelt vielleicht der Ruine, in der man Fenster als Augen und den Eingang als Mund erkennen kann. Je verrückter die ausgesuchten Ähnlichkeiten sind, desto lustiger gestalten sich bei Facecards die Spielpartien.
Eine kleine Schwäche des Spielprinzips ist dabei unverkennbar: je öfter man Facecards spielt, desto größer ist der Erfahrungsschatz bezüglich der bereits gefundenen Gemeinsamkeiten von Kartenpaaren. Hier liegt es an den Spielern, sich nicht auf bereits bekannte Ähnlichkeiten – und damit die sichere Wahl – zu verlassen.
Die Vergabe von Bonuspunkte für kategorienübergreifende Gemeinsamkeiten motiviert immerhin, sich doch öfter etwas Neues einfallen zu lassen. Dabei hilft auch den Umstand, dass insgesamt sehr viele Karten Ähnlichkeiten aufweisen oder andeuten. Bei der Auswahl der Motive hat der Autor also alles richtiggemacht. Hut ab!
Schneller Einstieg. Schneller Ablauf.
Das eingängige Spielprinzip von Facecards sorgt ohne Umschweife für unterhaltsame Momente am Spieltisch. Egal ob als Familienspiel, Partyspiel, Zwischendurchspiel oder als Einleitung eines Spieleabends: Facecards aus dem Hause Ravensburger sorgt ohne Umschweife für witzige Spielerlebnisse. Die niedrige Einstiegshürde sowie die eingängigen Regeln sind zwei wesentliche Stärken des Ratespiels von Leo Colovini. Weil das Grundprinzip des Kartenspiels ohne den Einsatz von Textelementen funktioniert, ist das mögliche Einsatzgebiet breit: von Kindern bis hin zu betagten Gelegenheitsspielern wird jede Zielgruppe bedient. Auch wenn es hilft: Im Grunde braucht es zum Spielen keine besonders ausgeprägte Beobachtungsgabe. Das menschliche Gehirn erledigt die vergleichenden Arbeitsschritte automatisch. Je mehr Erfahrungen ein Spieler im Laufe seines Lebens gesammelt hat, desto offensichtlicher fallen einige Gemeinsamkeiten auf – vor allem bei kategorienübergreifenden Ähnlichkeitsfaktoren. Die Herausforderung machen Spieler sich bei Facecards selbst. Durch eine aktive Detailanalyse der bildlichen Informationen können Mitspieler ihre Punktzahl positiv beeinflussen, sodass niemand zur völligen Passivität verdammt ist. Dass überhaupt keine Gemeinsamkeiten entdeckt werden, kam während unserer Spielpartien nahezu nicht vor. Das wirkt sich positiv auf die Bewertung von Facecards aus, denn ausbleibende Erfolgserlebnisse sind bei diesem Kartenspiel glücklicherweise Mangelware.
Ansonsten präsentiert sich das Ratespiel als würdiger Titel für einen Platz auf der Empfehlungsliste der Jury des Vereins Spiel des Jahres e.V. Die Karten sind von hoher Qualität, die Abbildungen stimmungsvoll, überraschend, manchmal witzig. Die gut ausgearbeitete Anleitung unterstützt den schnellen Spieleinstieg in Facecards und legt den Fokus auf die Vermittlung der wenigen Grundregeln. Kaum ausgepackt, wird man als Spieler ohne lange Vorlaufzeit die erste Partie angehen und seine Hirnwindungen fordern (oder fördern) wollen. Facecards ist ein idealtypisches Kartenspiel wenn man das Verständnis von Gesellschaftsspielen als wertvolles Kulturgut zugrunde legt. Das witzige Ratespiel ist für Jedermann geeignet und macht vor allem eines: unglaublich viel Spaß.
Dass sich das vergleichsweise simple Spielprinzip nicht schon nach wenigen Partien abnutzt, liegt auch an den Bonuskarten und Sonderfällen, die Facecards zusätzliche Reize verleihen.
Bilder zu Facecards
Infobox
Spielerzahl: 3 bis 7 Spieler
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: 15 bis 50 Minuten
Schwierigkeit: einfach
Langzeitmotivation: mittel
Verlag: Ravensburger
Autor: Leo Colovini
Erscheinungsjahr: 2017
Sprache: deutsch
Kosten: 10 Euro
Fazit
Bis zu 7 Spieler für rund 20 Minuten zu beschäftigen gelingt Facecards immer. Das einfache Kartenratespiel von Leo Colovini ist ein Titel, der sich für die Verwendung zu den unterschiedlichsten Anlässe eignet: als lustiges Familienspiel mit Kindern macht Facecards ebenso viel Spaß wie als Aufwärmübung für erfahrene Spieler, die im Anschluss ein zeitintensives strategisches Brettspiel angehen möchten. Die einzelnen „Portraits“ auf mögliche Ähnlichkeiten zu überprüfen – oder sich einfach den automatisch ablaufenden kognitiven Prozessen hinzugeben – sorgt für enorm viel Unterhaltung; gelegentliches Kopfschütteln auf Seiten der Mitratenden inklusive. Facecards ist nicht immer so eindeutig wie man es von diesem, zugegebenermaßen nicht ganz neuen, Spielprinzip erwarten würde. So manche Überraschung, so mancher Aha-Effekt sorgt für Lacher bei den Spielern. Aus gutem Grund haben wir im Rahmen der Rezension zu Facecards von Ravensburger nur wenige Beispiele verarbeitet: wer unbeeinflusst an das Ratespiel herangeht, entdeckt im Verlauf des Spiels mitunter Gemeinsamkeiten, die ihm entgangen wären.
Es ist äußerst sinnvoll, sich als Spieler des Öfteren zurechtzuweisen und auf sichere Punkte zu verzichten. Das Entdecken neuer Ähnlichkeiten macht nicht nur Spaß, es fördert auch die beobachterischen und kreativen Fähigkeiten. Das macht Facecards zwar nicht zu einem echten Förderspiel, dennoch beanspruchen die Spielhandlungen kognitive Ressourcen, die Menschen ansonsten eher selten ganz bewusst einzusetzen versuchen. Dass Facecards auf der Empfehlungsliste Spiel des Jahres 2018 steht, verwundert wenig.
Im Gegensatz zu anderen Ratespielen ist Glück kein beeinflussender Spielfaktor. Abgesehen von der zufälligen Verteilung der Handkarten kommt es allein auf die kreativen Fertigkeiten der Spieler an, um Punkte zu sammeln. Facecards fühlt sich aus Spielersicht enorm aktiv an, einfach weil das Gehirn ständig arbeitet. Das Ratespiel als herausfordernd zu bezeichnen wäre übertrieben; immer einfach ist es allerdings auch nicht. Je nach Kartenauslage ist es mitunter enorm knifflig, die Gedankengänge der Mitspieler nachzuvollziehen. Einfach ins Blaue hineinraten funktioniert zudem auch nicht, weil die Gemeinsamkeiten der ausgewählten Kartenpärchen begründet werden sollen. Nicht immer fällt es dann leicht, den anderen Spielern zu vermitteln, welch verrückte Ideen man sich erdacht hat. Für die Bewertung von Facecards eignet sich daher viel eher ein schlichterer Begriff: unterhaltsam!
Seichte Unterhaltung ist genau das, was das Kartenspiel von Ravensburger Spielern bietet: nicht viel mehr, auf jeden Fall aber auch nicht weniger. Das liegt nicht zuletzt auch an der geringen Downtime von Facecards. Die gesamte Spielrunde ist stets in das Geschehen involviert, einzig der letzte Spieler der Reihe geht manchmal ohne Punkte aus der Runde, wenn seine Mitspieler vorher besonders gut geraten haben. Das ist ein kleines Manko, das man jedoch verschmerzen kann. Facecards überzeugt als simples Ratespiel mit hohem Interaktionswert und jeder Menge lustiger Momente. Auch langfristig wird dieser Titel es auf die Spieltische schaffen. Um Abnutzungserscheinungen und drohender Routine entgegenzuwirken, sollten Spieler unbedingt die beiliegenden Blankokarten nutzen, um das Spiel um einige neue Motive zu bereichern. Hilfsweise eignen sich als die Varianten (Kenner, Könner und Risiko) als motivierende Faktoren – uns hat allerdings die Grundvariante am besten gefallen. Wer unkomplizierte Spiele mit hohem Spaßfaktor mag, sollte sich das Ratespiel von Leo Colovini, erschienen bei Ravensburger, anschauen. Facecards erhält von uns jedenfalls eine unbedingte Kaufempfehlung.