In der langen Tradition strategischer Brettspiele wurde schon so manches Königreich vergrößert, so auch bei Majesty: Deine Krone – Dein Königreich aus dem Hause Hans im Glück. Der Untertitel „Deine Krone, dein Königreich“ verrät, worum es in diesem Spiel geht: als Herrscher hat man wieder allerhand zu tun, um neue Gefolgsleute in sein Reich zu locken. Ein König ohne Königreich wird schließlich selten reich. In Spielpartien mit einer festgelegten Rundenzahl müssen Spieler ihre Produktionsstätten besetzen, Verteidigungslinien aufbauen – und unter Umständen sogar zwielichtige Hexen zu Hilfe rufen. Alles eingebettet in ein Grundgerüst aus einsteigerfreundlichen Regeln, die Majesty: Deine Krone – Dein Königreich sogar zu einem Familienspiel machen. Das alles klingt nach jeder Menge Unterhaltung und einer hohen Wertung, gäbe es da nicht bestimmte Spielkonstellationen, die den Spaßfaktor bei dem Brettspiel von Marc André – der auch für den Hit Splendor verantwortlich gewesen ist – spürbar einbrechen lassen. Weshalb der Titel gut, aber nicht überragend ist, erläutern wir in der nachfolgenden Rezension zu Majesty: Deine Krone – Dein Königreich von Hans im Glück.
Pimp your Empire: Regieren kann so einfach sein
Kinder sind bodenständig, wenn man sie nach ihrem Traumberuf befragt: neben Feuerwehrmann, Tierpfleger oder Polizist gehört der Rennfahrer zu den eher außergewöhnlichen Nennungen. Bei Erwachsenen
fällt die Wahl häufiger auf machtgeprägte Tätigkeiten: Gott oder Weltherrscher, manchmal bescheiden: einfach nur König.
Einmal König sein, an Wildschweinkeulen knabbern und durch einen Fingerzeig ganz beiläufig über das Schicksal seiner Untertanen bestimmen zu können, ist also einer der Träume mancher Erwachsenen
mit einer ausgeprägten narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Und bei Majesty: Deine Krone – dein Königreich wird der Traum wahr. Dass es gar nicht so schwierig ist ein Königreich zu
verwalten, zeigen die simplen Grundregeln des Brettspiels von Marc André.
Wie weit Traum und Wirklichkeit auseinanderliegen können, beweist die Vorbereitung auf die Spielpartie: statt aus prunkvollen Bauten, stellt jeder König seine Stadt aus acht schlichten (aber immerhin hübsch illustrierten) Gebäudekarten zusammen. Ein doppelseitiger Druck sorgt für zwei Varianten, eine für Einsteiger, die anderen für fortgeschrittene Herrscher. Das ist praktisch, weil sich der Spielablauf von Majesty: Deine Krone – Dein Königreich durchaus abnutzt.
Das Sortieren und Mischen der Personenkarten bildet den nächsten Punkte auf der Vorbereitungsliste: Karten mit der 2 verbleiben stets im Spiel, Karten mit einer 1 werden teilweise – und zwar je nach Anzahl der teilnehmenden Spieler – aussortiert. Beide Kartensorten bilden dann zusammen den Nachziehstapel. Anschließend werden die obersten sechs Karten offen ausgelegt. Jeder König erhält zudem eine Figurenkarte, die bis zu fünf Meeples beherbergen kann; „bis zu“, weil die Anzahl im Verlauf einer Spielpartie sich verändern kann. Vor allem liegt das daran, dass Spieler immer wieder neue Meeples erhalten: durch eine Personenkarte oder aufgrund einer Gebäudefunktion. Überschüssige Gefolgsmänner, für die kein Platz auf der Figurenkarte ist, landen umgehend wieder im Vorrat. Allerdings bescheren sie dem aktiven Spieler dann zumindest Goldmünzen, jeweils eine pro Meeple.
Apropos Geldressourcen: Majesty: Deine Krone – Dein Königreich geizt nicht mit haptischen Reizen. Spieler erhalten regelmäßig neue Münzen, was sich insgesamt ziemlich mächtig anfühlt – und für ein Spiel der Könige überaus passend ist.
Familienfreundliche Spielidee
Der Ablauf der 12 Spielrunden folgt stets einem einfachen Muster. Am Zug, sucht sich der jeweils aktive Spieler eine der sechs ausliegenden Personenkarten aus und legt diese zu dem passenden Gebäude seiner Stadt. Aufsteigend von links nach rechts ist die Wahl der Personenkarten mit mehr Aufwand verbunden. Während die linke Karte völlig kostenlos in die eigene Stadt einziehen darf, muss für jede weitere Karte ein Meeple von der Figurenkarte auf die Personenkarten gestellt werden. Nun wird auch deutlich, weshalb die Figurenkarte maximal fünf Meeples fassen kann. Personenkarten, die zwei Personen zeigen, stellen Könige vor die Wahl, welche der beiden Personen er lieber nutzen möchte. Die erworbenen Personen lösen dann umgehend Sonderfunktionen der Gebäude aus. Abschließend werden die Karten nach links gerückt und die äußerste rechte Lücke mit einer neuen Auslagekarte geschlossen.
Die Features der Gebäude werden immer unmittelbar abgehandelt und laufen wie folgt ab:
Ein Wächter des Wachturms schützt vor einem Soldatenangriff. Soldaten wiederrum eliminieren bei erfolgreichen Angriffen (also durch solche ohne Block durch einen Wächter) die linke Personenkarte ihrer Stadt. Diese wird sodann in das Lazarett gelegt und kann von dort durch eine Hexe wieder in die Stadt befördert werden – allerdings ohne das Gebäude-Feature erneut auszulösen. Verbleiben verwundete Personenkarten im Lazarett, schlagen diese sich am Spielende in Strafen nieder: jede Person kostet dann eine Münze, im fortgeschrittenen Spiel zwei Münzen. Was kompliziert klingen mag, funktioniert in der Spielpraxis aufgrund des simplen Konterprinzips sehr gut. Runde um Runde locken Spieler Gefolgsleute in ihr Reich, fechten simpel gestaltete Konflikte aus und sammeln Siegpunkte – solange bis jeder Spieler 12 Karten in seiner Stadt ausliegen hat. Dann folgt die Endabrechnung.
Was in einigen Partien negativ auffällt sind einzelne Spielstrategien, die sich als übermächtig erweisen können – zumindest sofern keiner der übrigen Spieler rechtzeitig in das Geschehen eingreift. Auch wenn derartige Taktiken den Spielern die gute Laune vertreiben können, kommen sie vergleichsweise. Einerseits, weil Soldaten zu horten, um gegnerische Spieler in bester Massenschlacht-Manier wegzuputzen, stark vom Kartenglück abhängt und weil andere Spieler diese Strategie leicht aushebeln können – wenn sie denn wollen. Andererseits, weil es immer genügend Interventionsmöglichkeiten gibt. Bei Majesty: Deine Krone – Dein Königreich reicht es manchmal nicht aus, sich stets nur auf seine eigene Taktik zu konzentrieren. Wer – zugegebenermaßen offensichtliche – gegnerische Strategien zulässt, darf sich hinterher nicht wundern. Das Spielkonzept von Marc André ist bezüglich der Generierung von Siegpunkten kein Hexenwerk: seine Bewohner zu streuen, ist eine Siegstrategie, die oft aufgeht.
Was Marc André als Spieleautor erneut beweist: es braucht weder komplizierte Regeln noch komplexe Abläufe, damit ein strategisches Workerplacement-Spiel Spaß macht. Ohnehin ist der Autor für seine klaren Linien bekannt, denn auch Brettspiele wie Splendor oder Barony waren alles andere als kompliziert, unterhaltsam dagegen in jedem Fall.
Dass sich Majesty: Deine Krone – Dein Königreich als familienfreundliches Strategiespiel auf dem Markt durchsetzen konnte, ist daher auch dem konsequenten Verzicht auf unnötige Regelkniffe zu verdanken. Ob Majesty: Deine Krone – Dein Königreich allerdings für Kinder im Alter von sieben Jahren (be)greifbar ist, ist fraglich. Klar, das Spielprinzip ist in rund 20 Minuten erklärt und verstanden, die erste Spielrunde dauert ungefähr genauso lange – aber nicht für Kinder in diesem Alter.
Majesty im Test: Zu viel richtig, um falsch zu sein
Man kann fragliche Altersangaben als Makel bezeichnen. Und auch übermächtige Strategien können Spieler ratlos werden lassen. Sogar über die Sinnhaftigkeit der Verwendung von Münzmassen könnte man diskutieren: am Ende macht Majesty – Deine Krone, dein Königreich derart viel richtig, dass all diese (möglicherweise) makelbehafteten Faktoren in den Hintergrund treten. Die Idee von Marc André funktioniert, sie funktioniert sogar ganz hervorragend.
Das simple Workerplacement-Brettspiel aus dem Hause Hans im Glück macht Spaß und spricht eine gigantische Zielgruppe an, die von Einsteigern bis hin zu erfahrenen Vielspielern reicht. Nicht zuletzt liegt das auch an dem Gefühl, dass dieser Titel beim Spielen verbreitet. Es fühlt sich unheimlich gut an, wenn einem als Spieler massenhaft Münzen durch die Finger gleiten: die haptische Komponente von Majesty: Deine Krone – Dein Königreich ist wahrhaft majestätisch, die Optik insgesamt königlich. Sich zu Beginn der Partie sein Königreich zurechtzulegen, ist der perfekte Einstieg für angehende Nachwuchsherrscher.
Ab diesem Zeitpunkt glänzt Majesty: Deine Krone – Dein Königreich durch seine wohlige Spannungskurve, die trotz des spürbaren Glücksfaktors keinerlei Einbrüche erleidet. Die stetige Konfrontation mit wichtigen Entscheidungen erzeugt bei Spielern für die nötige Motivation, dem Geschehen aufmerksam zu folgen – was besonders dann relevant wird, wenn einzelne Spieler sich mithilfe von Nischentaktiken abzusetzen versuchen. Gegnerischen Königen eine Karte wegzuschnappen sorgt für jede Menge Schadenfreude; sich selbst bricht man dabei nur selten einen Zacken aus der Krone, denn nahezu jede Kartenwahl ist in ihrer Weise nützlich. Und wer Abwechslung auf den Spieltisch bringen möchte, der nutzt die B-Seiten – oder die A- und B-Seiten bunt gemischt, um wenigstens ein wenig Chaos in das grundsolide Regelwerk zu bringen.
Bilder zu Majesty – Deine Krone – Dein Königreich
Infobox
Spielerzahl: 2 bis 4 Spieler
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: 20 bis 30 Minuten
Schwierigkeit: einfach
Langzeitmotivation: mittel
Verlag: Hans im Glück
Autor: Marc André
Grafik: Anne Heidsieck
Erscheinungsjahr: 2017
Sprache: deutsch
Kosten: 32 Euro
Fazit
Auch Majesty: Deine Krone – Dein Königreich ist ein Spiel um Throne: ziemlich spannend, manchmal überraschend – aber völlig unblutig. Man kann als König fies sein ohne Konsequenzen für sein Reich fürchten zu müssen, muss selbiges dafür erdulden. Man kann stur einer erdachten Strategie folgen, muss dafür aber erdulden, wenn gegnerische Könige es etwas cleverer angehen. Man kann kurzfristig denken, muss dafür jedoch erdulden, wenn langfristige Taktiken mehr Münzen abwerfen. Majesty: Deine Krone – Dein Königreich ist trotz simpler Grundregeln angenehm fordernd, und das für Familienspieler oder Gelegenheitsspieler ebenso wie für Vielspieler. Das Workerplacement-Spiel von Marc André erfordert kein langes Regelstudium: die erste Partie läuft bereits nach rund 15 Minuten.
Ständig relevante Entscheidungen treffen zu müssen hält Könige bei Laune. Ebenso das Hantieren mit Unmengen von Spielmünzen oder der Möglichkeit seinem Gegner einfach mal sein königliches Szepter zwischen die Beine zu werfen. Das stets nachvollziehbare Spielgeschehen ermöglicht auch absoluten Einsteigern, sich mit den wesentlichen Mechanismen zurecht zu finden. Sicher, die Motivation lässt aufgrund des einfachen Spielablaufs auch bei Majesty: Deine Krone – Dein Königreich nach einigen Partien nach – allerdings dürften die niedrigen Einstiegshürden dafür sorgen, dass ausreichend Mitspielernachschub vorhanden ist. Mit voller Besetzung entfaltet Majesty: Deine Krone – Dein Königreich auch das volle Potenzial, zu dritt läuft es ordentlich: die Variante mit zwei Spielern ist allerdings Geschmackssache.
Je öfter man sich mit dem seichten Workerplacement-Spiel beschäftigt, desto stärker drängt sich der Eindruck auf, Marc André habe ein Gesellschaftsspiel entwerfen wollen, das keiner Zielgruppe so richtig zugehörig ist – und das ist nicht abwertend gemeint. Im Gegenteil, Majesty: Deine Krone – Dein Königreich bringt die unterschiedlichsten Typen gemeinsam an einen Tisch und alle haben Spaß dabei. Wenn man einen echten Makel finden möchte, dann ist es wohl am ehesten die mangelnde Abwechslung. Die Partien spielen sich eher gleichförmig, weil man ohnehin mit dem arbeiten muss, was die glückliche Kartenhand einem anbietet. Das macht diesen Titel in gewisser Hinsicht belanglos, sorgt jedoch auch dafür, dass sich das knackige Spielprinzip innerhalb kürzester Zeit entfalten kann. Bei einem Spiel, dessen Partien nur zwischen 20 und 30 Minuten dauern ist das immens wichtig. Einzig das ständige Geldwechseln kostet unnötig viel Zeit: einen Spieler die „Bank“ übernehmen zu lassen, ist sinnvoll.
Ansonsten präsentiert sich der Titel wie ein typisches Spiel aus dem Hause Hans im Glück: bunt, hübsch illustriert, hochwertig produziert. Insgesamt ist die Aufmachung hervorragend. Hohe Ansprüche an strategische Möglichkeiten sollte man als Spieler nicht stellen. Das ist für Gelegenheitsherrscher ideal, unterfordert Vielspieler bisweilen jedoch. Trotzdem: Majesty – Deine Krone, dein Königreich nicht mindestens einmal gespielt zu haben, grenzt an Majestätsbeleidigung; und die wird bekanntlich hart bestraft.