Es gibt viele moderne Brett- und Kartenspiele, die in der Szene Hypes ausgelöst haben. Gloomhaven, Scythe, Azul, Brass: all diese Titel gelten bei den meisten Fans als brettspielerische Offenbarungen. Dennoch werden wahrscheinlich nur wenige komplexe Brettspiele auch in einigen Jahren noch regelmäßig auf den Spieltischen landen. Fortsetzungen, neue Spielideen und eine weiter fortschreitende Verbindung zwischen digitalen und physischen Spielinhalten führen dazu, dass auch Brett- und Kartenspiele sich immer wieder ablösen. Auf echte Evergreens trifft das weitaus weniger zu. Ein Gesellschaftsspiel, das den Schritt hin zu einem zeitlosen Klassiker schafft, hat es geschafft – auch wenn Vielspieler angesichts der eher simplen Spielabläiufe oftmals die Hände über den Köpfen zusammenschlagen. Allen voran gilt das für populäre Spiele wie Die Siedler von Catan, Monopoly, Mensch ärgere dich nicht, Vier gewinnt – und auch für Memo-Spiele.
Wir haben uns Tri-Memo von Armin Mumper angeschaut und verraten euch in der nachfolgenden Rezension, weshalb das Kartenspiel aus dem Hause NSV frischen Wind in ein angestaubtes Genre bringt.
Tri-Memo ist vor allem eines: bunt.
Die allermeisten Memo-Spiele fallen durch eine vergleichsweise lieblose Präsentation auf: wenig fantasievolle Abbildungen oder gar Fotos treffen auf das bekannte Spielplattenformat aus dicker, aber leicht ausfransender Pappe. Memo-Spiele sind oftmals wenig ästhetisch und eher mäßig verarbeitet. Dennoch verkaufen sich die simplen Merkspiele jedes Jahr hervorragend. Kein Wunder, denn Memo-Spiele zählen zu den absoluten Klassikern unter den Lern – und Förderspielen für Kinder. Es ist verständlich, dass Memo-Spiele für Kinder eher schlicht gehalten sind. Auch, dass sie auf Abbildungen setzen, die für Kinder nachvollziehbar sind, ist keine Überraschung.
Erwachsene sprechen all diese Umsetzung nicht an, zu gering sind die optischen und spielerischen Elemente klassischer Memospiele.
Einen anderen Weg schlägt daher der Spieleautor und Grafiker Armin Mumper mit seinem Kartenspiel Tri-Memo ein. Er setzt auf ein ansprechendes Design und erweitert die Grundidee eines Memos um alternative Spielstrategien. Auch Tri-Memo, das der Nürnberger-Spielkartenverlag in sein Programm aufgenommen hat, baut auf dem Prinzip eines klassischen Memos auf: Spieler ab ca. 8 Jahren decken solange jeweils zwei Karten auf, bis keine Passung mehr zustande kommt. Dazu werden die insgesamt 55 Spielkarten gemischt und in mehreren Reihen ausgelegt. Beginnend mit dem jüngsten Spieler versucht anschließend jeder, ein Kartenpaar aufzudecken. Wer am Ende die meisten Pärchen erspielen konnte, gewinnt: Simpel. Schnell. Gewohnt.
Der Clou an Tri-Memo: es gibt mehr als nur eine Möglichkeit, zwei Karten passend zusammenzubringen. Varianten machen das möglich.
Die Idee baut auf ganzheitlichen Abbildungen ab, die jeweils in ein Kopf- sowie ein Fußteil getrennt wurden. Das ist enorm schlicht, gleichzeitig aber enorm spannend. Von jeder Abbildung existieren mehrere Exemplare, sodass sich für jede Abbildung mehrere Passmöglichkeiten ergeben. Neben der klassischen Passung geht es dann darum, Kopf- und Fußteil zu finden oder jeweils zwei Füße und zwei Köpfe aufzudecken. Unterschiedliche Wertungsgewichte führen dazu, dass Spieler eine eigene Strategie verfolgen können, um ihren Punktestand in die Höhe zu schrauben.
Insgesamt können Spieler auf drei Varianten zurückgreifen. Oder sogar vier, wenn man Tri-Memo unter Zeitdruck spielen möchte.
Frischer Wind weht im Memo-Genre
All das klingt so furchtbar trivial, dass man als erfahrener Spieler lieber zu einem komplexeren Titel greifen möchte. Doch es lohnt sich, Tri-Memo eine Chance zu geben. Der frische Wind, den die Varianten in das angestaubte Genre der Merkspiele bringen, macht das Kartenspiel von Armin Mumper zu einem attraktiven Gelegenheitstitel, den man als „Absacker“ genauso spiele kann wie als schnelles Familienspiel. Viel Geduld ist bei der kurzen Spielrundendauer von ca. 10 bis 20 Minuten nicht notwendig. Insbesondere Kinder werden das dem Autor danken.
Erwachsene Memo-Fans freuen sich über eine Auswahl seichter strategischer Optionen. Anstatt das erstbeste Ergebnis aufzudecken, können Spieler sich die im Spielverlauf ermittelten Kartenteile merken und somit durch geschicktes Kombinieren ihr Punktekonto füllen. Dabei gilt in etwa: je schwieriger eine Paarkombination ist, desto mehr Punkte werden dem aktiven Spieler gutgeschrieben. Kombiniert man einen Kartenteil mit einem Joker, gibt das zwar Punkte, jedoch eher wenige. Es ist also nicht immer clever, die Allroundkarte sofort zu nutzen, nur, weil man sie aufgedeckt hat.
Wie schwierig sich Tri-Memo gestaltet, bestimmen die Spieler zum Teil selbst. Selbstverständlich ist zu Beginn des Spiels auch eine Portion Glück gefragt. Je weiter die Partie fortschreitet, desto mehr kommt es auf die Merkfähigkeiten der Spieler an. Kommt dann noch ein zusätzlicher Stressfaktor durch die Zeitverknappung aus der vierten Spielvariante hinzu, dürften selbst erfahrene Memo-Spieler ordentlich ins Schwitzen kommen. Durch die strategischen Aufdeckmöglichkeiten schaffen geübte Spieler sich eine persönliche kognitive Herausforderung, müssen jedoch gleichzeitig die Fähigkeiten des Gegners im Auge behalten, um keine Punkte zu verschenken. Was bei Memo-Spielen grundsätzlich für Spaß sorgt, fehlt natürlich auch bei Tri-Memo nicht: die Auslage unterscheidet sich von Partie zu Partie, Routine kommt daher nicht auf.
Bilder zu Tri-Memo (NSV)
Infobox
Spielerzahl: 1 bis 5 Spieler
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: 10 bis 20 Minuten
Schwierigkeit: einfach
Langzeitmotivation: mittel
Verlag: Nürnberger-Spielkarten Verlag
Autor: Armin Mumper
Grafik: Armin Mumper
Erscheinungsjahr: 2018
Sprache: deutsch
Kosten: 10 Euro
Fazit
Bei einem Klassiker wie Memo ist es schwierig, das Rad neu zu erfinden. Das schafft auch Tri-Memo von Armin Mumper nicht. Zudem ist es nicht das einzige Spiel auf dem Markt, das sich durch frische Ideen vom klassischen Memo abzuheben versucht. Dennoch: der Variantenreichtum dieses kurzweiligen Kartenspiels überzeugt. Tri-Memo verleiht dem eher drögen Ablauf herkömmlicher Memo-Spiele mehr Spannung und mehr Abwechslung – und es macht auch optisch einen enorm guten Eindruck.
Die Illustrationen fallen insbesondere durch die Mischung aus Abstraktion und Farbgestaltung positiv auf. Leichte Abstriche muss man bei der Haptik der Spielkarten machen: die Memo-Karten sind dünn und lassen sich teilweise schwer vom Tisch anheben, was sich auf Dauer in unschönen Biegungen niederschlagen kann. Das macht Tri-Memo immer noch tadellos spielbar, es sei denn man steht unter Zeitdruck.
Wie klassische Memo-Spiele, ist auch das Regelwerk von Tri-Memo überschaubar. Das Merkspiel ist innerhalb weniger Minuten verstanden. Selbst Kinder kommen mit den Detailveränderungen problemlos zurecht. Mit steigender Anzahl der gespielten Partien büßt Tri-Memo einen Teil seines anfänglichen Reizes ein. Zu Beginn ist es noch vergleichsweise schwierig, die Bildteile zu einem Gesamtkunstwerk zusammenzubringen. Je mehr Erfahrung Spieler mit Tri-Memo gesammelt haben, desto leichter fällt die Zuordnung. Dennoch ist auch Tri-Memo – wie der Klassiker – zeitlos.
Die kurze Rundendauer macht aus der modernen Variante des Merkspiels ein motivierendes Zwischendurchspiel, dessen Schwierigkeitsgrad maßgeblich durch die kognitiven Fähigkeiten der einzelnen Spieler – persönlich wie interagierend – bestimmt werden. Sich Strategien zurechtzulegen geht meistens nicht auf, auf gute Kombinationen zu warten kann sich dagegen auszahlen.
Tri-Memo lässt sich mit bis zu 5 Spielern spielen. Richtig Spaß macht das Spiel allerdings mit drei Spielern oder gar als Duell. Das liegt unter anderem daran, dass der eigene Erfolg auch vom Können der Gegner abhängt: mehr Spieler bedeuten mehr aufgedeckte Karten bis man selbst wieder aktiv werden darf – und damit eine geringere Chance, sich gute Paare zu schnappen. Tri-Memo wird erfahrene Vielspieler aufgrund der limitierten Spielhandlungen unterfordern, Familien mit Kindern oder Gelegenheitsspieler werden dagegen gern die eine oder andere Runde spielen.
Weil Memo-Spiele durch ihr simples Regelwerk auffallen, haben Kinder zu jeder Zeit gute Gewinnchancen – nach einer Eingewöhnungszeit sogar noch bessere. Das liegt daran, dass Kinder über ein besseres episodisches Gedächtnis verfügen als Erwachsene. Während der Mensch im Laufe des Lebens seine Fähigkeit zu abstraktem Denken ausbaut, erinnern Kinder sich besser an Details. Das hilft bei Memo-Spielen und macht aus Kinder harte Konkurrenten. Im Grund bildet das kindliche Gedächtnis den exakten Gegenpol zu dem Gedächtnis eines Erwachsenen. Was in jedem Fall gilt: erlernte Strategien – vor allem bildhafte – helfen dabei, die Gedächtnisleistung zu verbessern. Während Kinder ihre kognitiven Fähigkeiten durch Anwendung erlernter Strategien denen junger Erwachsener angleichen, können ältere Spieler zumindest Defizite ausgleichen.
Lange Rede, kurzer Sinn: Memos sind spielerisch sinnvoll und Tri-Memo von Armin Mumper aus dem Hause NSV ist eine spannende Alternative zum bewährten Klassiker.