Im Test zu Robin Hood and the merry men schlägt sich die, über Taverna Ludica erschienene, deutsche Version des Brettspiel wacker – hier und da hakt es allerdings. Der Spaß kommt am Ende dennoch nicht zu kurz bei dieser Mixtur aus Workerplacement und Dice-Rolling mit semi-kooperativem Grundkonzept. Aber es man hätte es mal wieder ein My besser machen können – wie so oft bei Final Frontier Games.
Über Kickstarter hatte Final Frontier die Kampagne gestartet und über 6.700 Unterstützer machten mit. Gemeinsam verhalfen sie der Idee mit einer Gesamtsumme von rund einer halben Million US-Dollar zum Erfolg. 2018 ist das Brettspiel in seiner Originalversion erschienen, ein Jahr später hat der Kleinverlag Taverna Ludica Games „Robin Hood and the merry men“ hierzulande in einer deutschsprachigen Version auf den Markt gebracht – der englische Titel blieb allerdings erhalten.
Robin Hood and the merry men – hört oder liest man diesen Titel, würde man von einem Brettspiel ein großes Abenteuer erwarten. Immerhin steht die Legende um Robin Hood genau dafür: Epische Kämpfe mit Schwert und Bogen, eine romantische Liebesgeschichte als Sidekick und eine Rahmenhandlung um Helden und Schurken. Von diesem Bild des mittelalterlichen Volkshelden lassen die Designer Ivana Krstevski, Vojkan Krstevski, Maja Matovska, Martyn Poole und Toni Toshevski sowie Publisher Final Frontier Games am Ende so gut wie nichts übrig. Klar, Robin Hood bleibt Robin Hood – und auch seine Gefährten sind mit von der Partie, rein spielerisch geht es allerdings deutlich subtiler zu als in den Haudrauf-Filmen, die man aus dem TV und Kino so kennt, wenn es um die Räuber aus dem Sherwood Forest geht.
Bei Taverna Ludica Games schreibt man zur Story: „Nottingham 1100 n. Chr.: Der wahre König befindet sich im heiligen Land und der böse Tyrann Prinz John strebt nach der Herrschaft über England. Doch Nachrichten über Gesetzlose in Nottingham verbreiten sich im ganzen Land. In dem Bestreben sich dieser Gesetzlosen zu entledigen, hebt Prinz John die Steuern für die Dörfer stark an, stationiert Wachen in den Städten und bestraft jeden, der es wagt den Gesetzlosen zu helfen.“ Zwei Absätze folgen dann noch, aber im Grund war es das mit der Geschichte.
Immerhin: Ganz grob orientiert man sich bei dem thematischen Euro-Brettspiel dennoch an der Story um den „guten Schurken“. Spieler schlüpfen in die Rollen bekannter Figuren und verteidigen Nottingham. Die Brücke zum Eurogame schlägt das Brettspiel dennoch schnell: am Ende kann nur einer gewinnen und der hat die meisten Punkte auf dem Konto. Das Ziel: der Hauptmann der Gesetzlosen werden. Robin Hood würde angesichts dieses Kniffs jedenfalls vor Schreck den Köcher fallen lassen.
Robin Hood in Ruinen
Man muss Final Frontier Game dennoch zugute halten, sich dem Thema auf eine andere, bislang unbekannte Art genähert zu haben. Workerplacement, Hand-Management, Dice-Rolling und Set-Collection ersetzen jenen Part, den Robin-Hood-Brettspiele sonst mit einer Geschichte zu füllen wussten. Robin Hood and the merry men ist mechanisch, das ist Fluch und Segen zugleich. Wie so oft bei Eurogames muss man sich die Frage nach dem Warum stellen? Warum gibt es überhaupt ein Thema, wenn es letztendlich nur um eine Punktehatz geht? Warum ist alles oft so kompliziert, dass der Spielablauf darunter leidet? Warum muss man verdammt nochmal in jedem auch nur annähernd auf einer Saga beruhenden Euro-Brettspiel „Ansehen“ sammeln?
All diese Fragen kann auch Robin Hood and the merry men nicht Beantworten – wozu auch? Es macht spielerisch allenfalls bezogen auf die Optik einen Unterschied, ob man den Sherwood Forest als Schauplatz nimmt oder den Mars oder eine x-beliebige Unterwasserforschungsstation. Fegt man Story und Hintergründe also beiseite, bleibt die Mechanik: und die ist bei Robin Hood and the merry men durchaus spannend. In ihren jeweils zwei Phasen pro Zug arbeiten sich die Spieler durch Nottingham, führen Aktionen aus (Workerplacement), etwas um Rohstoffe zu sammeln, oder spielen Karten (Hand-Management), um sich frühzeitig auf die Endwertung vorzubereiten.
Ein bisschen „Robin Hood“ kommt immerhin ins Spiel, wenn es darum geht, den Reichen ihre Steuergelder abzuknöpfen. Auch Fallen kann man stellen und viele weitere Handlungen auf dem Brett umsetzen – die ausführliche Anleitung gibt auf 25 Seiten Aufschluss über jede noch so kleine Detailregel. Davon gibt es übrigens viele, was mitunter den Spielfluss stört. Die Aufmachung ist gelungen: Man wühlt sich gern durch das bunt bebilderte Regelwerk, kann – oft, aber nicht immer – nachvollziehen, was verlangt wird, ist deshalb damit aber noch lange nicht in jeder Situation damit einverstanden. Zu sperrig wirken die Abläufe manchmal, zu sehr fokussiert auf das Konstrukt des Euro-Brettspiels scheinen die Autoren gewesen zu sein.
Typisch Final Frontier
Die Optik macht es den Spielern nicht einfacher. Final Frontier hat tief in der Mottenkiste gegraben, um am Ende jenen bekannten Spielfeldaufbau für Robin Hood and the merry men zu nutzen, den man schon bei Rise to Nobility gehasst hat: In der Mitte etwas Spielfeld, links am Rand wuchern Symbole. Die sind zum Teil zu kleine geraten – die Übersicht leidet. Dabei ist der Rest der Präsentation eine Wucht, die man kurz zusammenfassen kann: Bunte Spielfiguren, schöne Karten, schicke Würfel, toller Sack. Das gewählte Thema ist bei jeder Spielaktion erkennbar, es kommt Spaß auf, als Robin Hood oder Gefährte die Geschicke im Sherwood Forest zu lenken.
Auch wenn es sich bislang vielleicht anders gelesen hat: Man kann durchaus unterhaltsame Partien bestreiten, das Brettspiel macht es einem nur nicht besonders leicht, Spaß zu haben. So stehen nicht strategische Erwägung am Beginn, sondern Geduld. Das ist ein notwendiger Soft-Skill für all jene, die planen, sich mit Robin Hood and the merry men zu beschäftigen. Die Möglichkeiten überfordern zunächst, es braucht Zeit, bis man erfasst hat, was auf dem Spielbrett gewinn- oder nutzbringend eingesetzt werden kann und was man möglichst meiden sollte. Die passiven Karten zum Beispiel, die wirken derart ineffizient, dass man sie auch hätte weglassen können.
Auch der Glücksfaktor ist spürbar – das muss man mögen. Ja, Robin Hood and the merry men ist ein strategisches Brettspiel, allerdings weichen die Autoren die Steuerbarkeit an vielen Stellen auf. Nicht erschüttern gezogene Karten den Spielverlauf in seinen Grundfesten – ein plötzlich enormer Vorteil wirkt deplatziert, ein Nachteil ebenso. Die Idee des semikooperativen Mechanik-Mixes geht letztendlich trotzdem auf, auch wenn der kooperative Teil für Vielspieler kaum eine Herausforderung darstellen dürfte.
Dafür gibt es zahlreiche Möglichkeiten, um an Punkte zu kommen – das zeichnet Robin Hood and the merry men als gutes, nicht jedoch überragendes Eurospiel aus. Würde man rein auf den Spaßfaktor durch Optimierungen abstellen, so wäre der Titel problemlos durch weitaus bessere ersatzbar. Robin Hood and the merry men ist gut, weil aus verschiedenen ineinandergreifenden Faktoren ein grundsolides Brettspiel gebastelt wurde: Optik und Story ergänzen sich mit dem Spielablauf und seinen auf das Thema heruntergebrochenen Handlungen; verschiedene Spielmechanismen sind seicht verzahnt, die Optionen sind nachvollziehbar, allerdings erst nach einigen Partien.
Spielerzahl: Solo / bis zu 5
Alter: ab 14 Jahren
Spielzeit: 60 bis 140 Minuten
Schwierigkeit: mittel
Langzeitmotivation: mittel
Genre: Strategisches Brettspiel
Untergenre: Euro-Brettspiel
Kernmechanismen: Semikooperativ, Würfeln, Set-Collection, Hand-Management, Workerplacement
Autoren: Ivana Krstevski, Vojkan Krstevski, Maja Matovska, Martyn Poole, Toni Toshevski
Illustrationen: Mihajlo Dimitrievski
Verlag: Taverna Ludica / Final Frontier
Offizielle Website: Link
Erscheinungsjahr: 2019
Sprache: deutsch
Kosten: 60 Euro
Fazit
Die Willkür des Königs oder des Sherriffs von Nottingham ist nicht das große spielerische Problem von Robin Hood and the Merry Men – es ist die Willkür des Karteneffekte. Es gibt Momente, da haut es den grünen Rächer schlicht aus seinen Lederlatschen, wenn einzelne übermächtige Karten plötzlich den Verlauf der Partie drehen. Das könnte man bewundernd feiern und dem Ganzen große Emotionen von Freud und Leid zuschreiben – am Ende vernichtet das aber die gesamte im Vorfeld investierte Spielzeit. Etwas mehr Feintuning am Konzept und aus einem soliden wäre ein grandioses Euro-Brettspiel mit viel zu seltenem Thema geworden. Im wahrsten Sinne des Wortes retten Robin Hood und seine Gefährte nämlich ihr Brettspiel: die Präsentation gepaart mit dem nostalgischen Setting reißen es am Ende heraus.
Die reine Produktion entschädigt: Wertiges Material, hübsche Optik, feinste Illustrationen – auf dem Tisch sieht Robin Hood and the Merry Men ziemlich gut aus. Nur spielerisch will der Titel nicht mithalten. Dafür ist das Euro-Brettspiel zu kleinteilig. Als leidenschaftlicher Punkteoptimierer könnte man dem Umstand etwas abgewinnen, wäre das nicht der Glücksfaktor, der jede noch so gute Strategie zu fallen bringen kann. So ganz klar wird letztendlich nicht, welche Art Spielvergnügen die Autoren einem verkaufen wollen. Dabei will man es angesichts der kiloschweren Robin-Hood-Vollausstattung so sehr mögen nach dem Auspacken: Karten, Figürchen, Säckchen, Plättchen, Hölzchen, selbst die Metallmünze liegt bei – es gibt viel Themenmaterial zum fairen Preis.
Für das so andersartige Robin-Hood-Gesellschaftsspiel, bei dem es mal nicht auf wilde Kloppereien ankommt, nimmt man so manchen Makel gern in Kauf. Dabei macht es der Titel den Spieler von Beginn an deutlich zu schwer: die Regeln sind umfassend und längst nicht alle ausreichend erklärt. Zwar bekommt man einen Eindruck von dem, was verlangt wird, ohne Nachschlagen geht es im Verlauf des Spiels aber nicht. Das Problem: Robin Hood and the Merry Men muss mehrmals auf dem Tisch landen, damit das Brettspiel sein schlummerndes Potenzial auch entfalten kann, so richtig hoch ist die Motivation aber nicht. Man kämpft einen inneren Kampf, weil man weiß: dieses Brettspiel hätte viel besser sein können als es ist.
Die angegeben 24 Minuten Spielzeit pro Spieler klingen nach kurzweiligem Vergnügen – ausgepackt und angefangen dauert eine Partie meist deutlich länger und nicht selten zu lange. Was anfangs noch Spaß macht, verkommt zu reiner Arbeit durch repetitive Aktionen auf dem Weg hin zur bestmöglichen Punktzahl. Das Problem ist genre-immanent: nahezu jedes Euro-Brettspiel kommt im Verlauf der Partie an einen Punkt, da hat man alles gesehen und mehrfach gemacht, nur will es nicht enden, weil die Regeln das nicht zulassen. Also wird zwangsweise weiter optimiert. Spaß? Bestimmt, aber nicht für jedermann. Spannend bis zum Schluss, meinen die einen angesichts der Kletterei auf dem Punktestreifen. Langatmig finden es die anderen, weil sich nicht viel mehr tut als Kletterei auf dem Punktestreifen.
Etwas Licht scheint dennoch durch die Baumwipfel: Wer Robin Hood and the Merry Men mit einer gewissen Regelmäßigkeit auf den Tisch zu bringen wagt, wird belohnt. Das Solospiel ist hingegen ziemlich gut gelungen und vielleicht das heimliche Highlight, das man so kaum kommuniziert.
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