In weniger als einer Woche ist es soweit: Am 23. Mai 2016 werden die Nominierten für das Spiel des Jahres 2016, das Kennerspiel des Jahres 2016 sowie dem Kinderspiel des Jahres 2016 bekannt gegeben. Für viele Brettspieler bedeutet die Wahl zum Spiel des Jahres so etwas wie einen Startschuss in die neue Brettspiel-Saison. Die Titelvergabe des Spiel des Jahres e.V. wird jedes Jahr mit Spannung erwartet. Gelegenheitsbrettspieler erhalten wertvolle Empfehlungen, Verlage freuen sich über die Preise, die die Verkaufszahlen deutlich in die Höhe treiben – meist zurecht, denn die Jury zeigt bei der Preisvergabe oftmals ein gutes Händchen und wählt spielerisch überzeugende Titel aus. Im nachfolgenden Artikel stelle ich einige meiner Favoriten für die diesjährige Nominierungsliste zum Spiel des Jahres 2016 vor.
Imhotep
Beginnen wir mit einer Einführung in die ägyptische Geschichte. Namensgeber meines ersten Favoriten für die Nominierungsliste für das Brettspiel aus dem Hause Kosmos ist niemand Geringerer als der altägyptische Pharao der 8. Dynastie. Das strategische Brettspiel für 2 bis 4 Spieler fällt durch eine seichte Lernkurve auf und eignet sich damit perfekt als Familienspiel. Mit jeder neuen Partie Imhotep arbeitet man an einer Optimierung seiner persönlichen Spielstrategie und bekommt ein Gefühl dafür, wann es an der Zeit ist, den Handlungen der Gegenspieler erhöhte Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Ziel des Spiels ist, die Topplatzierung auf der Wertungstafel zu erreichen, was Spieler jedoch nur durch vorausschauendes Planen bewerkstelligen können. Jede Spielrunde besteht aus vier Spielhandlungen: Steine aufnahmen, Steine in Boote verladen, Boote fahren, blaue Marktkarte ausspielen. Im Verlauf des Spiels erreicht Ihr so fünf verschiedene Orte, die jeweils durch eine zweiseitige ‚Spielbrettmechanik‘ kleinere Änderung erfahren. Imhotep ist für mich aufgrund seiner niedrigen Einstiegshürde einer der Favoriten, denn dieses Brettspiel schafft es mühelos, seinen komplexen strategischen Spielmechanismus sogar Brettspieleinsteigern nahezubringen. Das Kulturgut „Brettspiel“ wird bei Imhotep perfekt vermittelt.
Codenames
Deduktive Logik ist spätestens seit der britischen TV-Serie Sherlock in aller Munde, denn der von Benedict Cumberbatch gespielte Detektiv Sherlock Holmes ist ein Meister der deduktiven Schlussfolgerungen. Deduktion bedeutet zunächst nichts anderes, als vom Allgemeinen auf das Besondere zu schließen. In kurzen Spielrunden von ca. 15 Minuten wird den Spielern im Brettspiel Codenames vom Heidelberger Spieleverlage alles abverlangt. Eingebettet wird das Ganze in ein klassisches Agentenszenario à la James Bond. Ziel des Spiels ist, als erstes sämtliche Agenten des eigenen Teams zur Kontaktaufnahme aufzudecken. Da der Geheimdienstchef Kenntnis über alle Identitäten besitzt, ist er in der Lage, hilfreiche Tipps zu geben, aus denen dann die Schlussfolgerungen gezogen werden müssen. Manche Schlussfolgerungen sind ein wenig abstrakt, sodass sich das Gefühl rein logischer Schlüsse manchmal auflöst, dennoch baut Codenames auf ein hervorragend analytisches Spielprinzip, das die Spielteams gehörig fordern kann. Das Tolle: Codenames kann in großen Gruppen gespielt werden, denn es kommt nicht auf Spielzüge an, sondern allein auf gedankliche Vorgänge. Dadurch steigt die Zahl der möglichen Mitspieler quasi ins Unendliche. Codenames ist damit das perfekte Partyspiel und bringt das Thema „Brettspiele“ sogar Menschen näher, die vorher niemals gedacht hätten, dass sie jemals Brettspiele spielen würden. Und mit über 200 Begriffskarten sorgt Codenames für Langzeitspielspaß.
Lichterfest
Das Spiel Lichterfest von Pegasus gehört für mich eher zu den Außenseitern. Das Spielprinzip ist hingegen dem eines Spiel des Jahres 2016 würdig. Die Auszeichnung mit dem Preis „Mensa Select“ der amerikanischen Mensa-Sektion zeigt bereits, womit man es als Spieler bei Lichterfest zu tun bekommen: Taktik mit Tiefgang. Wenn sogar Hochbegabte ihre geistige Leistungsfähigkeit mit Lichterfest verbessern könne, muss hinter diesem Titel ein ausgeklügelter Spielmechanismus stecken. Und in der Tat motiviert Lichterfest von Pegasus zu komplexen Denkvorgängen, die man bei dem eigentlich simplen Spielprinzip so nicht erwarten würde. Einmal im Jahr arrangieren Künstler ein wunderschönes Lichterfest, bei dem die Platzierung der Laternen das eigentliche Kunstwerk ist. Ziel ist, durch das geschickte Auslegen von Laternen-Plättchen punktebringenden Laternen-Sets zu ergattern. Klingt soweit einfach, wird jedoch dadurch erschwert, dass man durch unüberlegt platzierte Tokens auch den Gegnern hilft. Mit jedem Spielzug wird das Legespiel komplexer. Die Optionen steigen und im Verlauf des Spiels offenbart sich die große Stärke von Lichterfest: Es bleibt sogar während der gegnerischen Züge spannend.
Die Holde Isolde
Schmidt Spiele geht mit der holden Isolde ins Rennen um einen Nominierungsplatz auf der Wahlliste zum Spiel des Jahres 2016. Vor einiger Zeit wurde mehr Furore um das Brettspiel Die Holde Isolde gemacht. Mittlerweile ist es etwas ruhiger um den Titel geworden, aber das müssen nicht zwangsläufig schlechte Vorzeichen sein. Schon so manches Brettspiel ist überraschend zur Wahl zum Spiel des Jahres aufgestellt worden. Schon das Spielmaterial von Die Holde Isolde ist eine Augenweide. Die Illustrationen sind bunt, lustig und passen hervorragend zum Hintergrundthema. Das recht günstige Brettspiel Die Holde Isolde katapultiert Euch direkt ins Mittelalter, genauer gesagt auf einen mittelalterlichen Turnierplatz. Als Ritter versucht Ihr, die größtmögliche Zahl am Ruhmespunkten zu erspielen. Wie bei einem Ritterturnier üblich, geschieht das in verschiedenen Disziplinen wie traditionellem Lanzenstechen oder dem Zweikampf mit Schwert und Schild. Anschließend zieht Ihr los, um die wirklich ritterlichen Aufgaben zu erledigen: Drachen töten etwa. Oder das Studium von verstaubten Büchern. Nur der Punktesieger ist am Ende in der Lage, das Herz der wunderschönen Prinzessin zu erobern. Spielerisch erreicht Ihr das beim Brettspiel Die Holde Isolde, indem Ihr die passenden Handkarten einsetzt und den Einsatz zeitlich gut plant. Lustig, erfrischend und unterhaltsam, das ist das Brettspiel Die Holde Isolde und damit einer der Favoriten für die Nominierten zum Spiel des Jahres.
Karuba
Mit Karuba werfe ich ein weiteres Legespiel als aussichtsreichen Kandidaten für den Titel Spiel des Jahres 2016 ins Rennen. Karuba begeistert 2 bis 4 Spieler in Spielpartien von durchschnittlich 30 Minuten Länge. Thematisch orientiert sich dieses Brettspiel an ähnlichen Schatzsucher-Titeln: Jeder Spieler verkörpert ein Expeditionsteam auf der Suche nach einem wertvollen Schatz. Wer sein Ziel zuerst erreicht, gewinnt. Dazu erhält jeder Mitspieler seine persönliche Inselspieltafel, 4 Abenteurer sowie 4 Tempel und 36 Dschungel-Plättchen. Gemeinsam werden anschließend die Tempel auf den Inselkarten verteilt. Dann heißt es: Vorbereitung abgeschlossen, Die Schatzjagd kann beginnen. Insgesamt ist das Spielmaterial optisch ansprechend gestaltet und aus verschiedenen Grundmaterialien gefertigt. Auf dem Brettspieltisch macht Karuba durch den Materialmix einen guten Eindruck. Die Dschungelplättchen sortieren die Mitspieler übrigens offen um Ihre Inseln herum. Die mit Zahlen versehenen Platten müssen immerhin schnell gefunden werden, sobald der Expeditionsleiter einen entsprechenden Zahlenwert vorgibt. Ziel ist, einen Weg zu den gleichfarbigen Tempeln zu bauen. Die elementaren Legeregeln sind schnell erlernt, sodass auch jüngere Spieler einen guten Zugang zu Karuba bekommen. Auch hier passt die Vorgabe für ein Spiel des Jahres, das Kulturgut Brettspiel möglichst unkompliziert zu jedermann zu bringen. Das Spiel endet, sobald alle Urwaldplatten aufgebracht sind oder ein Spieler alle seiner vier Abenteurer zum Tempel leiten konnte. Karuba ist ein einsteigerfreundliches, schnelles Spiel, mit gelungener Legemechanik.
T.i.m.e Stories
Mein heimlicher Favorit und eines der besten Brettspiele der letzte Monate, kommt aus dem Hause Space Cowboys: T.I.M.E Stories. Dieses Boardgame fällt nicht nur wegen des tollen Verpackungsdesigns auf, sondern kann spielerisch voll überzeugen. Das Design der Verpackung entspricht auch dem Spieldesign, denn T.I.M.E Stories ist bis ins letzte Detail auf Innovation getrimmt. Spieler übernehme die Rollen von Zeitagenten, die in die Vergangenheit zurückreisen, um dort temporale Anomalien aufzuspüren, bevor diese das Zeitgefüge zerstören. Dazu schlüpft Ihr in Avatare der Vergangenheit hinein und arbeitet Euch durch die Szenarien. T.I.M.E Stories ist ein kooperatives Brettspiel, in dem 2 bis 4 Spieler gemeinsam durch das Spielszenario des Grundspiels. Die größte Stärke dieses Spiels ist gleichzeitig auch seine größte Schwäche. Zwar ist das Spielszenario des Grundspiels hervorragend, doch es liegt eben auch nur dieses bei. Mittlerweile sind weitere AddOns erschienen, die jedoch einzeln gekauft werden müssen. Wen dieser Umstand nicht stört, der bekommt mit T.I.M.E Stories eines der besten und innovativsten Brettspiele der aktuellen Spielsaison präsentiert. Die Aufmachung erinnert ein wenig an typische TV-Serienklassiker der 80er wie etwa ‚Zurück in die Vergangenheit‘ mit Scott Bakula. Müsste man T.I.M.E Stories einem Genre zuordnen, so wäre dies am ehesten das der Rollenspiele. Das erste Szenario überzeugt und Ihr benötigt mehr als einen Spieldurchgang, um das Ziel zu erreichen. Einmal auspacken, spielen und weglegen bedeutet der Verzicht auf zusätzliche Abenteuer im Grundspiel also nicht. Jeder Aktion kostet Euch Zeit, die Ihr eigentlich gar nicht habt. Der Einsatz der Ressourcen will also wohl überlegt sein. Die Illustrationen dieses Boardgames sind einfach spitzenmäßig und man kann sich kaum an den Bildern sattsehen, obwohl die eigentlichen Motive thematisch relativ neutral gehalten sind. Die wunderbare Aufmachung, gnadenlose Spannung und eine episodenartige Erzählstruktur sorgen für langanhaltenden Spielspaß. Ich wünsche mir dieses Brettspiel auf jeden Fall auf der Liste der Nominierten zum Kennerspiel des Jahres 2016.
Mysterium
Mysterium von Libellud / Asmodee ist eine gesunde Mischung auf den Spielen Dixit und Cluedo, angereichert mit einer ordentlichen Portion Mystery. Nach einem Mord spukt der Geist des Toten durch ein Anwesen. Nun ist es die Aufgabe der spirituellen Detektive, das Rätsel um dieses Verbrechen zu lösen. Durch logische Schlussfolgern gelangen die Spieler in diesem kooperativen Brettspiel ans Ziel. Einer der Spieler schlüpft in die Rolle des Geistes, um Informationen über richtig oder falsch gelegte Marker zu geben. Durch Zug- und Rundenbegrenzung entsteht Spannung. Insbesondere die Rolle des Geistes kann spielerisch überzeugen und ist jederzeit spannend, denn nur weil man einen Hinweis gegeben hat, bedeutet das nicht, dass die Mitspieler diesen auch genauso deuten oder überhaupt erkennen. Das verleiht dem Brettspiel Mysterium eine ordentliche Portion Humor und zeigt, dass Brettspiele einen wunderbaren Unterhaltungswert haben.
Aber es gibt noch mehr spannende Titel, die auf die Liste gehören. Darunter beispielsweise Imperial Settlers, Innovation oder Isle of Skye.