Auf der SPIEL’16 haben wir nicht nur Gesellschaftsspiele gespielt, sondern auch die Chance genutzt, um uns mit Verlagsvertretern zu unterhalten. In langen Gesprächen wurde deutlich, dass sich auch die kleinen und mittelständischen Spielemacher nicht auf ihren bisherigen Erfolgen ausruhen, sondern die Entwicklung neuer Konzepte tatkräftig vorantreiben.
… Manfred Lamplmair von Rudy Games
Manfred Lamplmair ist CEO von rudy Games, einem Spieleentwickler mit europäischem Sitz in Linz. Die Österreicher haben sich zur Aufgabe gemacht, Spiele der Zukunft zu entwickeln. Dabei setzt rudy Games bewusst auf die Kombination von klassischen Brettspielelementen und der Unterstützung digitaler Technologien. Auf der SPIEL’16 war rudy Games hauptsächlich mit dem Brettspiel Leaders – a combined Game vertreten (Rezension zu Leaders). Ebenfalls angeteasert wurde jedoch das neue Projekt Interaction – a combined Game, das den Bereich des sogenannten Social Board Gaming berühren wird. Die Spieltische an Stand 3-O116 waren stets gefüllt. Eine Reservierungsliste half dem Team von rudy Games, zumindest die Hälfte der Brettspielplätze systematisch zu vergeben. In einem offenen Gespräch offenbarte Manfred Lamplmair, dass rudy Games auch in Zukunft an kleinen und großen Innovationen festhalten wird – auch, wenn Hybrid-Spiele im digitalen Zeitalter zu Unrecht gegen ihren schlechten Ruf ankämpfen müssen. Die Zukunft von Leaders – a combined Game schein gesichert, wenn man sich die Anzahl der interessierten Spieler anschaut.
Zwei neue Erweiterungen zu Leaders – a combined Game hat rudy Games auf der SPIEL’16 präsentiert: Die Erweiterung Rising Sun, die Japan als spielbare Nation verfügbar macht und die Spieler in die Rolle des Tennō Hirohito schlüpfen lässt. Ganz klassische setzen die Japaner Kamikazeflieger als Spezialfähigkeit ein. Zudem wird mit Eva Peron die erste weibliche Anführerin wählbar, wenn man sich für den Kauf der Erweiterung El Tango diplomacia entscheidet. Über diese Neuheit zeigte sich Manfred Lamplmair besonders begeistert: „Wir sind stolz darauf, mit Eva Peron die erste weibliche Anführerin in Leaders integriert zu haben.“ Als strategisch wichtiges Spielelement werden mit der Einführung Argentiniens als Spielfraktion ab sofort Handelsboykotte. „Die Community hat sich eine weibliche Anführerin lange gewünscht„, so Lamplmair. Es sei „gar nicht so einfach gewesen, eine passende Kandidatin zu finden, die zum Spiel passt„.
Die Suche hat sich gelohnt. Mit María Eva Duarte de Perón haben die Österreicher einen besonders charismatischen Charakter in das Spiel eingebunden. Die First Lady des zweimaligen Präsidenten Juan Perón gewinnt „allein mit ihrem Charme Verbündete„. Die Messe ist für rudy Games ein voller Erfolg. Auf die Frage nach dem verbleibenden Spielbestand sagte Lamplmair: „Wir haben aus der Vergangenheit gelernt und ausreichend Spiele produziert.“ Dass das nötig war, haben die zahlreichen Verkäufe gezeigt, die allein während des Gesprächs über den Ausstellertisch gingen. Neben neuen Erweiterungen sind für die Zukunft vor allem Community-Events in Planung. „Im nächsten Jahr wollen wir Leaders-Turniere veranstalten„, prophezeite Manfred Lamplmair unter Verweis auf eine dann benötigte Standerweiterung. „Doppelt so groß“ müsse die Ausstellungsfläche für rudy Games werden, um ein mögliches Turnier veranstalten zu können. Dass dabei auch digitale Technologien zum Einsatz kommen werden, um das Spielgeschehen spannend zu gestalten, ist für Manfred Lamplmair fester Bestandteil des Plans und keine Besonderheit – zumindest nicht für rudy Games. Auch wenn so mancher Kritiker Leaders – a combined Game als bloßen Risiko-Klon verschrien hat, steckt hinter dem Gesamtkonzept der Combined Games mehr als eine abgeschaute Spielidee. Fast schon visionär präsentierte Lamplmair das aktuelle Projekt Interaction – a combined Game. Das Spiel sei „ein Familienspiel, das sich abhängig vom Standort verändert„, um schrieb Lamplmair den innovativen Titel mit einem knappen Satz. Soziale Daten der Spieler, wie etwa Interessen, der Wohnort und sogar soziale Beziehungen, sind Hauptbestandteile des Hybridspiel, das ebenfalls mit App-Unterstützung laufen wird. „Der Zugriff auf Daten von den Facebook-Profilen ist nicht zwingend. Dieser muss von den Spielern nicht genutzt werden„, antwortete Manfred Lamplmair auf die Frage nach möglicher Kritik zu der Verwendung von Profildaten aus dem sozialen Netzwerk. Gut, dass rudy Games stets an der Idee der sogenannten Combined Games festgehalten hat – auch in Zeiten, in denen Hybridspiele als bloße Spielerei denn als Spiel verschrien waren. Für die Österreicher hat sich diese Hartnäckigkeit jedenfalls ausgezahlt.
… Familie Loth vom Mogel Verlag
Für das Gespräch am Stand des Mogel Verlags aus Rhede im Emsland standen Jürgen und Michael Loth zur Verfügung. Ungezwungen berichteten die Emsländer von ihrem Familienverlag, der erst in diesem Jahr gründete. Während Jürgen Loth für Handel und Vertrieb verantwortlich ist, kümmert sein Bruder Michael sich als kreativer Kopf um die Spielentwicklung. Das älteste Werk Perlentauchen haben die Niedersachsen einem Verlag vorgestellt, der den Titel zum damaligen Zeitpunkt jedoch ablehnte, weil „Aufmachung und Regeln noch nicht ausgereift waren“, so Michael Loth. Um „bei der Entwicklung möglichst frei zu bleiben“ gründete die Familie aus dem Emsland daraufhin kurzerhand einen eigenen Verlag. Mit einem Schmunzeln fügte Michale Loth an, die Familie bestünde aus so vielen Leuten, dass man „das Ganze auch einfach selber machen kann.“ Das Kernteam des Mogel Verlags besteht aus insgesamt fünf Leuten. Namentlich seien an dieser Stelle Gerrit, Jörn und Mutter Loth erwähnt, die Entscheidendes zum derzeitigen Erfolg des Verlagsprojekts beitragen. Die Organisation des gesamten Verlagswesens läuft auf Hochtouren, allerdings mit halber Kraft – zumindest wenn man den nebenberuflichen Arbeitseinsatz als Maßstab ansetzt. „Alle zwei Wochen treffen sich die Teammitglieder und berichten davon, was in dieser Zeit gemacht wurde“, sagte Jürgen Loth, nur um direkt anzufügen, dass „alle Entscheidungen gemeinsam getroffen werden.“ Schön, wenn die Entwicklung von Gesellschaftsspielen auch in einem derart familiären Rahmen erfolgreich verlaufen kann. Hauptberuf und Verlagsarbeit auszubalancieren funktioniert gut, wenn man den Ausführungen von Michale Loth zuhört, der neben der Spieleentwicklung als Kunstlehrer tätig ist. Eine gute Planung sei dennoch Voraussetzung, um die anstehenden Aufgaben zu bewältigen. Hinter den Designs der Kartenspiele Perlentauchen, Willi Wörterwurm und Tierisch bedroht! steckt mehr, als ein Kunstlaie auf den ersten Blick vermuten würde. Während Willi Wörterwurm und Perlentauchen in erster Linie Kinder anspreche, steckt „hinter der Aufmachung von Tierisch bedroht! eine ganz andere Romantik, die ein Gefühl vermitteln soll“, erläuterte Michael Loth aus der Sicht eines Kunstlehrers.
Qualitätsmanagement findet bei Familie Loth durchaus auch in der Küche statt, wenn dort „ein Team sitze, das die Spiele durchspielt“, so Jürgen Loth. Im Elternhaus auf dem Land sei ohnehin genug Platz. Was zunächst verwundert, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als probates Mittel, um ein Maximum an Kreativität bei der Entwicklung neuer Spielkonzepte zu erzielen. Betriebswirtschaftler würde derartige Abläufe als echte Benefits in einem Unternehmen beschreiben: „kurze Entscheidungswege“ ist dann der magische Begriff. Kritik wird innerhalb der Familie selbst bei der Verwendung harter Formulierungen als Motivation aufgefasst. Die Brüder, die zudem auch Freunde sind und ihre Jugend gemeinsam in einem Freundeskreis verbracht haben, wissen eben wie sie „einander nehmen müssen„, sagte Jürgen Loth und verwies auf die immense Produktivität, die dadurch erreicht werde. Bei der Entwicklung neuer Spiele hilft, dass sich Familie Loth Gesellschaftsspiele völlig anders aneigne, als von den Regelmachern vorgesehen. Hausregeln bei Spielen zu nutzen sei vor allem bei Jürgen Loths Lieblingsspiel Scrabble ein echter Spaßgarant. Dazu passen auch spontane Spielaktivitäten auf Autofahrten, bei denen gemeinsame Familienerlebnisse in Erinnerung gerufen werden. Familie Loth ist durchaus als spielbegeistert zu beschreiben, auch wenn sie „nicht alle neuen Titel kennen, die auf dem Markt erscheinen.“ Das kann man nicht und muss man auch nicht, denn letztendlich kommt es nur darauf an, dass man spielt, was einem gefällt. Innerfamiliär bekannt sei das „Cola-Dilemma„, so Michael Loth. Eine Frage nach den genauen Umständen wäre an dieser Stelle mehr als angemessen gewesen. Insbesondere bei dem Kartenspiel Willi Wörterwurm erkennt man nach den Ausführungen Jürgen Loths, was den Mogel Verlag ausmacht: „Wir tragen etwas in die Spiele hinein, das uns selbst betrifft. Es gehe darum den Begriff Mogeln genauer unter die Lupe zu nehmen. Die Spieler sind gezwungen das Regelwerk so weit auszudehnen, wie es nur geht.“ Tatsächlich: am Beispiel von Willi Wörterwurm macht dieser Gedanke durchaus Sinn, um mögliche „Wortfindungsstörungen“ auszuschalten.
Als naturnahe Menschen wollen die Loths mit ihren Spielen auch Botschaften transportieren. So sei vor allem das Kartenspiel Tierisch bedroht! eine Form von Kritik – auch im Sinne eines Aufrufs, sich für den Tierschutz zu engagieren. „In den Regeln steht, dass es nicht nur beim Spielen bleiben soll„, führte Jürgen Loth an, um anschließend kurze Passagen aus den Regelwerken von Tierisch bedroht! und Perlentauchen zu zitieren.
Für die Zukunft sind bereits weitere Kartenspiele in der Entwicklung, von denen zumindest eines so gut sei, dass es veröffentlich wird. Auf die Frage nach dem Thema des nächsten Kartenspiels antwortet Michael Loth knapp: „Es geht um Ritter.“ Klingt nach einem kindgerechten Thema für ein Kartenspiel. Insgesamt soll der Mogel Verlag auch in Zukunft „definitiv als Familienprojekt weiterlaufen„, sagte Jürgen Loth mit Überzeugung, obwohl man „nie wissen kann, was sich noch entwickelt. Als Verlag haben die Loths auch Spielideen von Privatleuten zugeschickt bekommen, bisher jedoch keine konkreten Pläne für die Umsetzung familienexterner Spielkonzepte. Jürgen Loth sei „für eigene Spiele„, gibt jedoch zu, dass diese Meinung sich auch ändern könne.
Das Team des Mogel Verlags besteht ohnehin aus echten Machertypen, die sich sogar die Mühe gemacht haben, einen eigenen Messestand zu schreinern. „Jörn hat 12 Stunden nur geschliffen„, so Jürgen Loth. Einfach „damit man sich nichts wegholt„, ergänzte Michael Loth. Gemeint waren Holzsplitter in den Fingern. Die Detailverliebtheit, die Familie Loth an den Tag bringt, ist für einen Neuling im Verlagswesen beeindruckend professionell. Den Besuchern der SPIEL’16 hat der Standauftritt des Mogel Verlags so gut gefallen, dass zahlreiche Spieler gern für eine Kartenspielpartie anhielten. Nur englische Kunden seien eine kleine Herausforderung. Bis zur SPIEL’17 bleibt genug Zeit, um die Englischkenntnisse zu verbessern.