Mit dem Spiel 11-11 Memories Retold haben die Entwickler von Aardman Animations und Digixart den Ersten Weltkrieg völlig neu erzählt. Es geht nicht um den mutigen Soldaten oder den legendären Offizier. Dieses Mal wurde das Augenmerk auf ganz normale Menschen gerichtet, welche nicht die Absicht hatten in den Krieg zu ziehen. Doch kann aus so einer Idee trotzdem ein spannendes Spiel im ersten Weltkrieg entstehen?
Zwei Männer, ohne den Willen Krieg zu führen
Bei einem Spiel welches Ereignisse des Ersten Weltkriegs erzählt hat man nicht unbedingt einen Fotografen oder einen Ingenieur im Kopf. Doch genau das sind die Berufe unserer Protagonisten im Spiel 11-11 Memories Retold. Wir beginnen im Jahre 1916, sind also gerade mitten im Ersten Weltkrieg angekommen, mit der Geschichte unserer beiden Protagonisten. Kurt ein Familienvater aus Deutschland befindet sich gerade in einer größeren Fabrik und arbeitet beim Bau eines Zeppelins mit. Der Ingenieur wollte von Anfang an nichts mit dem Krieg zu tun haben, für ihn sollten keine Menschen über Leben und Tod anderer entscheiden. Doch als ihm am 11. November des Jahres eine Nachricht erreichte änderte sich die Meinung, dass er nicht in den Krieg ziehen will. Er erfuhr über Funk, dass die Einheit seines Sohnes im Krieg verschollen ist.
Als er diese Nachricht hörte, wollte er nichts anderes als schnellstmöglich an die Front um seinen Sohn zu finden. Denn es stand nicht fest, ob er nur verschwunden oder gar tot ist. So beginnt für den ersten Protagonisten, dem deutschen Ingenieur Kurt, seine Geschichte im Krieg. Auch der Kanadier Harry macht sich am 11. November 1916 auf den Weg in Richtung Front, jedoch hat er ein ganz anderes Ziel. Als Harry in Kanada gerade eine neue Kamera in den Händen hält geht sein Fotografenherz auf. Er muss sie sofort testen und kennt kein besseres Modell als die Tochter seines Chefs. Julia ist die große Liebe in Harrys Leben, hat aber bisher noch kein großes Interesse an dem eher schüchternen Harry. Kurz darauf betritt ein Offizier das Studio und fragt nach einem Fotografen. Bei dem Offizier handelt es sich um Barett einer Kriegslegende. Es wird ihm sogar nachgesagt, dass er am ganzen Körper kugelsicher ist, denn bisher kam er aus jedem Einsatz ohne Verletzungen zurück. Als Julia dann Barett sieht ist sie hin und weg. Ein Kriegsheld in Uniform, ist für die junge Frau entzückend. Als Harry dann noch seine Fotografiekünste unter Beweis stellen soll und die beiden als Motiv posieren sollen fasst Harry einen Entschluss. Er möchte auch in den Krieg ziehen und eine Uniform tragen, so dass er endlich seine Liebe von ihm überzeugen kann. So wird er von Barett zum Kriegsfotografen an der Front erklärt und so beginnt Harrys Kriegsgeschichte.
Der Weg zum Krieg ist holprig und erste Entscheidungen stehen an
Beide machen sich nun auf dem Weg zur Front. Wie den meisten bestimmt schon aufgefallen ist, kämpfen beide gegeneinander und haben nicht wirklich viel gemeinsam. Bis auf eine Sache, denn beide wollen nicht aus eigener Überzeugung in den Krieg ziehen, sondern weil sie jemanden suchen bzw. imponieren wollen. Während es für Harry mit dem Schiff an die Front geht fährt Kurt in einem Zug nach Frankreich. Dorthin wo sein Sohn das letzte Mal gesehen wurde. An dieser Stelle sei noch zu erwähnen, dass wir immer abwechselnd beide Charaktere spielen und somit auch beide Geschichten kennenlernen. Während Harry seine erste kleine Mission bekommt, nämlich durch ein richtiges Läuten von Glocken Minen auszuweichen, beginnt bei Kurt eine ganz andere Mission. Bei dem Spiel sind Briefe ein essentieller Bestandteil, diese haben nicht nur emotionalen und story-relevanten Nutzen, sondern beeinflussen auch den weiteren Spielverlauf.
So müssen wir bei Harry immer wieder überlegen, welches geschossene Bild wir an unsere Angebetete Julia schicken, um sie zu imponieren. Bei Kurt müssen wir passende Briefe an seine Tochter schicken, bei denen wir immer Einfluss auf den Inhalt nehmen können. Wollen wir ihr immer die Wahrheit erzählen oder sie ein bisschen anlügen, dafür aber keine Angst bei ihr hervorrufen. Dabei nimmt jeder Brief Einfluss auf den weiteren Verlauf der Geschichten. Natürlich bekommen wir auch immer einen Brief zurück, dieser wird vertont und uns mit passender Musik vorgelesen, so entsteht eine unbeschreibliche Atmosphäre. Wir entscheiden bei Harry auch immer, welche Bilder wir für die Zeitungen in Kanada schießen. Da man auch noch neue Soldaten benötigt sollte man natürlich auch mal die wenigen schönen Flecken an der Front zeigen. Beispielsweise die kleine musizierende Gruppe oder die kleine Kartenrunde unter Soldaten. Da Kurt ein Ingenieur ist besteht seine Arbeit natürlich dementsprechend häufig darin, irgendwelche Geräte zu reparieren oder der Handlanger für kämpfende Soldaten zu sein. So müssen wir in kleinen Minispielen immer wieder Funkgeräte oder Aufzüge reparieren. Aber Kurt bekommt auch noch eine andere Aufgabe, er soll den Feind über ein Tunnelsystem belauschen. Dabei bekommen wir immer einen Einblick auf die andere Seite.
Eine Waffe und zwei Kriegsgegner (beinhaltet Spoiler)
Nach einiger Zeit und den ersten Angriff kommt es auch zum ersten Aufeinandertreffen der beiden Protagonisten. Kurt ist gerade auf den Weg in einen Tunnel, um sich vor dem Angriff der Alliierten in Sicherheit zu bringen, währenddessen läuft Harry über ihm über das Schlachtfeld und muss Fotos für den Offizier schießen. Als dann auf einmal ein Tunnelsystem in sich zusammenbricht passiert es. Harry fällt in den gleichen Tunnel, in dem sich gerade Kurt aufhält. Kurt hat natürlich eine Waffe parat, während Harry nur panisch in der Gegend rumschaut. Diese Stelle ist an Intensität kaum zu überbieten, an dieser Stelle können wir auch eine Entscheidung für Kurt treffen. Wollen wir den kanadischen Soldaten am Leben lassen und die Waffen senken oder wollen wir ihn erschießen. Wer sich ein bisschen in die Person Kurt hineinversetzt hat wird eine realistische Entscheidung treffen. Denn er ist kein Mörder und der Krieg ist für ihn unnötig. Als die beiden dann das erste Mal realisieren was gerade passiert ist wird klar, man muss zusammenarbeiten, um dort wieder herauszukommen. So heißt es erst einmal Nahrungsmittel beschaffen und dann irgendwie diese Höhle verlassen. Das gestaltet sich anhand der Sprachbarriere jedoch etwas schwierig. Besonders wichtig sind an dem Punkt aber ganz andere Sachen.
Eine Katze und der Vogel
Während das vorhergeschilderte gerade passiert, ist eine Katze gerade dabei einen Vogel zu fangen. Dabei spielen wir die Katze und müssen uns im Höhlensystem irgendwie so bewegen, dass wir den Vogel fangen können. Nach dem Aufeinandertreffen der beiden Soldaten wird der leicht verletzte Vogel von Harry gepflegt und weicht ihm seitdem nicht mehr von der Seite. Das bleibt auch im folgenden Spielverlauf so, das Gleiche passiert auch auf der anderen Seite mit Kurt und der Katze. Beide Soldaten haben nun neue Wegbegleiter für ihre weitere Reise und diese werden auch nochmal sehr relevant werden.
Unglaubliche Atmosphäre und malerische Grafik
Kommen wir nun zum Spiel selbst, denn das ist alles andere als gewöhnlich. Dies zeichnet sich schon beim ersten Start des Spiels ab, denn wer eine digitale Grafik, wie bei normalen Spielen erwartet wird hier überrascht werden. Das ganze Spiel sieht aus, als wäre es mit Farbe auf Papier gemalt. Natürlich sieht man mit dieser Grafik nicht alle Details und Konturen, wie bei anderen Spielen, aber es wirkt unglaublich liebevoll gestaltet und passt zur gesamten Atmosphäre.
Man kann förmlich jeden Pinselstrich erkennen und so bekommt das Spiel eine ganz außergewöhnliche Stimmung allein schon wegen der grafischen Gestaltung. Noch dazu kommen die wirklich sehr gut vertonten Dialoge, Monologe und Briefe. Diese sorgen für eine atemberaubende Stimmung im ganzen Spiel. Das Geschriebene der Briefe bekommt durch die Musik und die dazu passende Stimme noch einmal eine ganz andere Wirkung, als würde der Spieler einfach nur selbst die Briefe lesen. Sowieso sind Musik und Soundeffekte ein wesentlicher und gut gelungener Teil des Spiels. Die Charaktere und deren Geschichten runden das Spiel dann nochmal ab und sorgen für ein unvergessliches Spielerlebnis.
Media zu 11-11 Memories Retold
Infobox
Spielerzahl: 1 Spieler
Alter: USK 12
Spieldauer: ca. 5 Spielstunden
Schwierigkeit: leicht
Langzeitmotivation: niedrig
Publisher: BANDAI NAMCO Entertainment Europe
Entwickler: Aardman Animations, Digixart
Erscheinungsjahr: 2018
Plattformen: PC, Xbox One, PlayStation 4
Sprache: Deutsch (Text, Oberfläche), Englisch (Ton), weitere Sprachen (Oberfläche, Text)
Kosten: 24,99 Euro
Fazit
Was soll man noch großartig zu diesem Spiel hinzufügen. Es glänzt durch eine abstrakte Grafik und der Atmosphäre. Die Musik ist immer passend und untermalt immer wieder das Geschehen. Bei den Dialogen gibt es hin und wieder Wiederholungen, das ist aber bei der Menge an Interaktionsmöglichkeit zu verkraften. Die Charaktere sind schön herausgearbeitet und keine Stereotypen von der Stange. Beide Protagonisten haben eine gute Geschichte und diese kann man während des Spielens auch immer noch ein bisschen beeinflussen. Die kleinen Minispiele bei Kurt sind natürlich nicht die Schwierigsten, aber das würde dem Spiel auch nicht guttun. Denn es ist kein Spiel, bei dem es um Highscores oder Rätsellösen geht.
Es ist ein Spiel, bei dem die Geschichte im Vordergrund steht und das ist den Entwicklern wirklich sehr gut gelungen. Die Entscheidungen im Spiel sind gut gewählt und man sollte sich immer ein bisschen auf die Vergangenheit der Protagonisten beziehen, dann kann man vielleicht noch realistischere Entscheidungen fällen. Sonst gibt es aber kein Richtig oder Falsch, denn jede Entscheidung hat irgendwie Auswirkungen auf die Zukunft. Es kommt einfach eine sehr schöne Stimmung auf, auch wenn wir uns im Ersten Weltkrieg befinden. Denn auch das merken wir immer wieder, so sind wir dabei, wenn Harry das erste Mal einen getöteten Soldaten sieht. Man lässt den Spieler gut in die Köpfe der Akteure blicken und weiß so immer über deren Gemütszustand Bescheid. Schlussendlich lässt sich sagen, dass 11-11 Memories Retold ein für mich fast perfektes Spiel ist. Es ist ergreifend, hat eine schön erzählte Story und eine atemberaubende Atmosphäre. Somit kann ich nur eine klare Kaufempfehlung aussprechen.