Asmodee mischt unternehmerisch und spielerisch überall mit. Vor allem Asmodee Digital presst bewährte Brett- und Kartenspiele in ein neues Gewand, um mit der Versoftung erfolgreicher Gesellschaftsspiele neue Zielgruppen zu erschließen. Das ist in der Vergangenheit überwiegend gut gelungen: Brettspielperlen wie Splendor, Ticket to Ride oder Mysterium erschienen als unterhaltsame digitale Ableger.
In seltenen Fällen übertreffen die Software-Versionen ihre Vorlagen um Längen. Ein gutes Beispiel könnte das jüngst veröffentlichte Rollen-Kartenspiel Pathfinder Adventures sein, für das Asmodee Digital die Vertriebsrechte besitzt. Das von Obsidian Entertainment entwickelte Spiel gibt es als Mobile Game für Android und Apples iOS sowie für den PC, wo es über die Gaming-Plattform Steam läuft.
Wir haben das Rollenspiel-TCG-Crossover Pathfinder Adventures gespielt und berichten im nachfolgenden Spieletest ausführlich über unsere Eindrücke zu der digitalen Fassung.
Asmodee Digital bringt Pathfinder Adventures auf den PC
Bereits im Herbst 2016 erschien Pathfinder Adventures für mobile Endgeräte (Android und iOS). Seit Juni 2017 dürfen sich auch PC-Jünger die Zeit mit virtuellen Karten und Würfel verdingen. Entwickelt wurde das Videospiel von Obsidian Entertainment, einem US-amerikanischen Studio, das seit 2003 regelmäßig für hochklassigen Spiele-Nachschub sorgt. Games wie das hervorragende Star Wars: Knight of the Old Republic 2 – The Sith Lords oder die Rollenspiele Neverwinter Nights 2 sowie Pillars of Eternity stammen von den Kaliforniern. Mit der Versoftung des Kartenspiels Pathfinder Adventures bleibt Obsidian Entertainment dem Segment der Rollenspiele zwar treu, geht bei der Konzeption der Gameplay-Mechaniken jedoch neue Wege.
Derzeit liegen virtuelle Kartenspiele wie Hearthstone, Elder Scrolls: Legends oder Gwent voll im Trend und begeistern weltweit Millionen von Spielern. Im Gegensatz zu den genannten Titeln steht bei Pathfinder Adventures jedoch das klassische Rollenspiel. Fasst man das Konzept in einem Satz zusammen, so ist Pathfinder Adventures ein Rollen-Kartenspiel, in dem es darum geht, seine Charaktere zu verbessern und Loot zu sammeln, um unzählige Feinde zu besiegen und im Spielverlauf Geheimnisse der Story aufzudecken.
Die strategische Komponente wird in der Versoftung hervorragend umgesetzt. Je weiter ein Spieler in der Welt von Pathfinder Adventures voran kommt, desto variabler werden die Möglichkeiten, sein Kartendeck den eigenen Wünschen anzupassen. Nach und nach konnten wir während unseres Spieletests einen völlig eigenen Stil entwickeln. Das macht nicht nur jede Menge Spaß, sondern motiviert ungemein. Pathfinder Adventures ist kein Spiel für einen Nachmittag. Im Gegenteil: Man kann sich nächtelang mit den Inhalten beschäftigen – und DLCs (Downloadable Contents) verlängern das Spielvergnügen weiter.
Was ist Pathfinder Adventures überhaupt?
Pathfinder Adventures ist eingefleischten Rollenspielern nicht nur ein Begriff, sondern gilt in den Pen-and-Paper Szene als bessere Alternative zum angestaubten D&D. Das Kartenspiel ist nur eines von vielen unterschiedlichen Produkten im PnP-Universum und basiert auf den D20-Regeln. Dass die Spielwelt ihren Weg auf Smartphones und Tablets – sowie auch auf den PC – findet, ist keine Überraschung, sondern eine konsequente Weiterentwicklung einer starken Marke.
Das grundlegende Konzept von Pathfinder Adventures ist vergleichsweise simpel, entpuppt sich bei genauer Betrachtung jedoch als echter Rohdiamant unter den strategischen Rollen-Kartenspielen.
Wahlmöglichkeiten bestehen nicht nur bei der Kartenzusammenstellung, sondern auch bei der Auswahl der Helden. Zum Spielbeginn starten Spieler mit einer Gruppe aus zwei Helden, die im Spielverlauf jedoch um weitere Charaktere erweitert werden kann. So lassen sich bis zu sechs Helden in einer Party versammeln, um fiesen Monstern und Kultisten das Leben schwer zu machen. Neue Helden können mit der erspielten Währung gekauft werden. Der Clou: Jeder Held trägt sein eigenes Kartendeck bei sich, das aus unterschiedlichen Komponenten besteht. Darunter etwa Waffen, Rüstungen, Handlanger oder Buffs. Was Rollenspielcharaktere ausmacht, kommt bei Pathfinder Adventures nicht zu kurz: jeder Held verfügt über ganz individuelle Charakterwerte, die seinen Würfeltyp festlegen und für Boni auf Würfelwürfe sorgen. Dieser simpel Kniff sorgt für ungemein viel Abwechslung und zwingt Spieler dazu, sich eine passende Spielstrategie zurecht zu legen. Die Charakterentwicklung ist bei Pathfinder Adventures kein kosmetisches Goodie, sondern wesentlicher Teil der Spielerfahrung.
Bei den Spielmodi stehen Szenarien sowie das Zufallsspiel zur Auswahl. In jedem Abenteuer warten mehrere Orte auf den Besuch der Heldentruppe. Dabei gilt die Regel: Es existieren immer zwei Orte mehr als Helden in der Gruppe sind. Jeder der Schauplätze hat ein eigenes Mini-Regelwerk, sodass auch in diesem Bereich für Abwechslung gesorgt ist.
Ob man sich als Spieler für ein Szenario oder Zufallsspiel entscheidet, hat rein spielerisch keinen Einfluss. Dass es sich bei Pathfinder Adventures um die Umsetzung eines Tischkartenspiels handelt, merkt man vor allem an der grundlegenden Gamesplay-Mechanik. Ein Zug besteht stets aus einem festen Ablauf. Als aktiver Spieler deckt man als erstes eine Karte vom sogenannten Abenteuerstapel auf. Je nach aufgedecktem Kartentyp gestaltet sich die Spielhandlung anders, steht jedoch immer im Zusammenhang mit einem Würfelwurf. Hat man etwa eine Rüstungskarte entdeckt und möchte diese auf die Hand nehmen, so entscheiden die Würfel darüber, ob dieses Vorhaben auch gelingt.
Je wichtiger die aufgedeckte Karte für die eigene Spielstrategie erscheint, desto wohlüberlegter sollte die Entscheidung darüber ausfallen, ob man vorhandene Handkarten zur Verstärkung der Würfelergebnisse einsetzt. Sogar andere Helden können unterstützend eingreifen und dem Spieler mit Segen oder Zaubern zur Seite stehen.
Monsterkloppe: Der Würfel sei mein Schwert
Selbstredend befinden sich im Abenteuerstapel nicht nur nützliche Ausrüstungsgegenstände sondern auch Monster und fiese Fallen. Beide müssen wie gehabt durch Würfelwürfe besiegt werden, wobei Boni durch den Einsatz von Handkarten die Siegchancen verbessern. Natürlich können die Gruppenmitglieder den aktiven Helden auch in den Kampfsituationen helfend unter die Arme greifen.
Wie in vielen Rollen-Kartenspielen üblich, fungieren die Kartenstapel der Helden als Lebenspunkte. Ist der Stapel eines Charakters leer gespielt und muss dieser dennoch Karten nachziehen, so scheidet er als verwundet aus dem Spiel aus. Schadenspunkte ständig hinzunehmen ist daher keine clevere Entscheidung – mitunter endet eine Spielrunde bei ausbleibendem Würfelglück schneller als man „Kettenrüstung“ rufen kann.
Zudem endet eine Spielrunde, wenn man es innerhalb der vorgegebenen Rundenzahl nicht schafft den Schurken festzunageln.
Man gewinnt, wenn man den fiesen Obermotz eines Ortes besiegt. Das gelingt durch Würfeln, birgt jedoch die Besonderheit, dass das Schließen eines Ortes besonderen Bedingungen (etwa einem erfolgreichen Stärke-Wurf) unterliegt.
Gewonnene Spiele erweitern das Kartenrepertoire, sodass sich immer neue strategische Möglichkeiten im Verlauf des Spiels ergeben. Das ist wahnsinnig motivierend!
LAGERRÄUMUNG: Rosa Würfel, Gelbe Würfel, Braune Würfel
Für das erspielte Gold kann man im Laden ausgiebig shoppen. Neben Charakteren und Verbesserungen locken Ladenbesitzer ihre Kunden mit regelmäßigen Angeboten, darunter auch Würfel in den wildesten Farben. Die Schatztruhen enthalten jeweils vier Karten, unter denen sich mindestens eine seltene befindet. Dieses randomisierte System kennt man von Konkurrenzspielen.
Es lohnt sich, dem Shop regelmäßig einen Besuch abzustatten, um nach virtuellen Schnäppchen Ausschau zu halten. Pathfinder Adventures überzeugt sogar bei diesen „Randinhalten“, die jedoch einen entscheidende Einfluss auf das Spielgefühl haben können – immerhin sind auch starke Ausrüstungsgegenstände im Shop erhältlich.
Extra-Gold kann man sich über sogenannten Challenges verdienen, die regelmäßig wechseln. So gilt es etwa drei Tagesaufgaben zu erledigen, um 500 Gold zu erhalten. Oder man unterstützt andere Charaktere 15-mal mithilfe von Segen.
Statt des Free2Play Systems der mobilen Versionen, enthalten PC-Spieler vollen Zugriff auf die aktuellen Inhalte. Darunter zahlreiche Helden sowie den neuen DLC „Rise of the Goblins“ mit den folgenden Erweiterungen:
- 5 neue Szenarien
- 11 Goblinversionen der Helden
- 2 Goblin-Charaktere
- ein Goblin-Würfelset
- 40 Karten
Wer vor einem Kauf in Pathfinder Adventures reinfühlen möchte, kann das ganz kostenlos mit der mobilen Version tun. Den vollen Umfang bekommt man für den PC zum fairen Preis von 22,99 Euro.
Tolle Präsentation: Grafik und Sound
Das grafische Grundgerüst passt. Hintergründe, Kartenbilder und Helden sind hübsch gezeichnet und erschaffen einen Mix aus echtem Kartenspiel und digitaler Umsetzung. Die Grafik fängt das mittelalterliche Thema stimmungsvoll ein. Was hervorragend zur Atmosphäre passt ist zudem die angenehm dudelige Hintergrundmusik.
Optisch hat die Versoftung der Tischvariante ohnehin einiges voraus. Der übersichtliche Aufbau der Spielumgebung ist ideal, um schnell in das Geschehen eintauchen zu können. Wichtige Informationen sieht man als Spieler umgehend – ohne lange Suche. Sanfte Animationen sorgen für ein ruhiges, unaufgeregtes Setting.
Ebenfalls praktisch in die Möglichkeit, die mobile Version mit der Steam-Variante zu synchronisieren. So kann man bequem zwischen dem Heim- und Unterwegsspiel wechseln ohne immer wieder neu anfangen zu müssen.
Media zu Pathfinder Adventures
Infobox
Spielerzahl: 1
Alter: 12
Spieldauer: 30+ Stunden
Schwierigkeit: mittel
Langzeitmotivation: mittel bis hoch
Publisher: Asmodee Digital
Entwickler: Asmodee Digital
Erscheinungsjahr: 2017
Plattformen: PC
Sprache: Englisch
Kosten: 23 Euro
Fazit
Dass die digitale Fassung eines Brettspiels besser ist als das Original, ist selten. Im Falle von Pathfinder Adventures hat Obsidian Entertainment jedenfalls hervorragende Arbeit abgeliefert und fängt die Stimmung der Tischversion perfekt ein. Rein optisch ist die Steam-Variante von Pathfinder Adventures nicht nur ebenbürtig, sondern schlicht überlegen. Garniert wird das Ganze mit tollem Sound und hübschen Animationen.
Spielerisch ist Pathfinder Adventures ein Fest für Rollen-Kartenspieler, die gern an ihren Decks tüfteln, um das Optimum aus einer Heldengruppe herauszukitzeln. Es gilt, die Fähigkeiten der Helden geschickt zu nutzen und die Charaktere stetig aufzuleveln. Die digitale Variante ist alles andere als anspruchslos. Die Kartenstapel der Helden sind oft knapp bemessen, sodass es nicht selten passiert, dass man einen Charakter verliert. Sogar die Größe der Heldengruppe will weise gewählt werden, weil mehr Helden nicht immer auch bessere Siegchancen versprechen. Vor allem mit einer vollen Gruppe zu hantieren will gelernt sein.
Ständig sucht man als Spieler die richtige Balance zwischen einem erfolgreichen Sieg und einem zu schnellen Abschluss. Wer Orte verfrüht schließt, lässt wertvollen Loot auf der Strecke. Wer lange verweilt, riskiert dagegen möglicherweise Niederlagen.
Es kommt ein leichtes P&P-Feeling auf, wenn man sich eingehend mit Pathfinder Adventures beschäftigt.
Wegen des spürbares Glücksfaktors, der einem Würfelsystem immanent ist, bleibt der Beigeschmack von Schummelei, wenn man trotz bester Voraussetzungen einen niedrigen Würfelwert nicht erlangt. Das fühlt sich manchmal „unecht“ an, weil in der virtuellen Umgebung die Kontrollfunktion fehlt – allerdings sorgt die Wahrscheinlichkeit auch bei waschten Tischspielen regelmäßig für unglaubliche Überraschungen.
Insgesamt hat sich Pathfinder Adventures während der Partien im Rahmen unseres Spieletests als motivierendes und forderndes Deckbauspiel herausgestellt, das für Rollenspieler aufgrund fehlender Alternativen nicht ignoriert werden darf. Für die Wertung bedeutet das am Ende 4 von 5 Punkten sowie einen verdienten silbernen Award für die strategische Tiefe.