Wahrscheinlich geht es vielen anderen meiner Generation, die ähnlich Fußballbesessen waren oder gar noch sind, nicht anders als mir; nachdem man auf dem Pausenhof stammtischähnliche Parolen geliefert hat, was der Trainer seines Herzensvereins nicht hätte anders machen müssen, ging man heim, feuerte seinen Rucksack in die Ecke und startete den PC. Schnell den Fußball Manager von EA gestartet und seinen Kreisligaverein erneut zum Champions-League-Sieg geführt mit ganz einfachen Tricks – das richtige Trainingslager für einen Fitnesseffekt mindestens eine halbe Saison? Check. Einfach nach Gesamtstärke der Spieler aufstellen, muss ja die beste Aufstellung sein? Check. Wer dabei auch nicht vergisst die obligatorischen Feiern zur Saisoneröffnung- sowie Abschluss zu veranstalten kann fast nichts falsch machen. Lest nachfolgend den ausführlichen Spieletest zu Football Manager 2019.W
Endlich wieder Mannschaften führen
Trotz seiner Einfachheit waren das schöne Zeiten, erreichte man doch immer seine Ziele. Doch die Zeiten waren 2013 vorbei, EA zielte mit seinem Fokus noch mehr auf FIFA und Mikrotransaktionen,
der Fußballtrainer verlor das Genre aus den Augen, fehlte es doch immer an Konkurrenz in der öffentlichen Wahrnehmung.
Dabei schwirrte ein umfangreiches Spiel, auch damals, eben außerhalb dieser Wahrnehmung über die Bildschirme dieser Welt, das jetzt seinen Durchbruch hierzulande feiern könnte; der Football
Manager von Sports Interactive. Für die aktuelle Saison sicherte sich Entwickler die Rechte der ersten und zweiten Bundesliga und darf das Spiel nun auch im deutschsprachigem Raum vertreiben.
Doch bringt der diesjährige Ableger das Feeling von damals wieder, als man dachte, man ist so oder so der Beste Coach im Land? Der Selbsttest wird es zeigen. Zu aller erst die harten Fakten.
Das Spiel ist mit ca. 30 EUR relativ günstig zu erstehen, der Download bei Steam dauerte gefühlte 2 Minuten, was auch mich überraschte, soll die Datenbank in diesem Spiel doch angeblich riesig
sein. Nach dem kurzen Ladebildschirm steht man im Hauptmenü vor der Wahl zwischen der Karriere, dem Online-Spiel und dem Draft Modus, dieser ist auch für das Online-Spiel gedacht. Im Test ist
aber, ganz klassisch, die Karriere. Ich will wieder meinen Rucksack in die Ecke feuern und alles um mich herum vergessen.
Moderne Manager schreiben E-Mails
Zunächst muss man sich ein Trainerprofil erstellen, auch optisch kann man seinen Polygon anpassen. Hier überrascht der FM allerdings mit angenehmer Einfachheit, ein paar vorgefertigte Gesichter, ein paar plastikartige Frisuren, ein bisschen Farbe für seinen Anzug und das war es. Wer hier im Sims-Style sein alter Ego erstellen möchte ist auf der falschen Seite, wer raus, auf den Platz, möchte, dem dauert wahrscheinlich selbst das zu lang.
Nun wird gewählt, welche Ligen im Spiel aktiviert sein sollen. Hierbei stehen sämtliche „wichtigen“ Ligen der Welt zur Verfügung. Wir bleiben bei den europäischen Top 5 – England, Spanien, Italien, Deutschland, Frankreich. Schnell noch den Verein wählen, dem man in unbekannte Höhen führen möchte und schon befindet man sich in einem sehr nüchternen Bildschirm.
Dieser soll das Mailpostfach des Trainers darstellen und wird über kurz oder lang der Hauptanlaufpunkt des ambitionierten Managers. Hier laufen alle News zusammen, der Präsident begrüßt einen, die Mitarbeiter stellen sich vor und machen die ersten Verbesserungsvorschläge. Alles schön und gut, nach fünf Minuten stellte dann auch ich fest, dass man diese Mails gar nicht löschen kann. Egal, weiter geht es: schnell eine Aufstellung hin gezimmert und ab auf den „Weiter“ Button, der die virtuelle Woche voranschreiten lässt.
Theoretisch könnte ich jetzt gar schon zum Ergebnis kommen, denn nach wenigen Spielen, von denen ich kein einziges gewinnen konnte und einige empfindliche Niederlagen hinnehmen musste war ich regelrecht wütend. Dementsprechend aufgebracht klappte ich den Laptop zu und habe schlechtgelaunt vor mich hingestarrt. Das einzig gute, was man dem allem noch abgewinnen konnte war die Tatsache, dass das Spiel dennoch niemals Langeweile hat aufkommen lassen. Es war frustrierend, aber die Zeit verging.
Klage gegen die Programmierer abgewiesen
Es hat tatsächlich einen Tag und eine Nacht gebraucht bis ich den Entschluss gefasst habe die Programmierer doch nicht zu verklagen sondern noch einen Versuch zu unternehmen. Dieses Mal nehme ich es Ernst. Die Voreinstellungen blieben gleich doch jetzt beschäftigte ich mich tatsächlich ein bisschen intensiver – mit dem Interface, aber auch mit dem Tiefgang. Ein Klick auf „Mannschaft“ zeigte mir den kompletten Kader an, beziehungsweise eine Auflistung der Spieler. Dies bringt mich direkt zu dem häufigstem Punkt, den man so liest, wenn man sich über den FM informieren möchte; „Eine spielbare Excel-Liste“. Und es stimmt. Vieles ist in Tabellenform aufgebaut und kommt dadurch entsprechend dröge daher. Diese Office-Anwendung ist aber wahrscheinlich nicht ohne Grund die umfangreichste von allen. Hinter fast jedem Wert oder Wort öffnet sich ein weiterer Bildschirm mit noch mehr Informationen. Das überfordert zu Beginn einfach ungemein, vor allem wenn man sich den EA-Manager in Erinnerung ruft, die gefühlt mit fünf Bildschirmen auskam. Durch diese (erneute) Überforderung klickte ich auf „Taktik“ und kam in das Herzstück des Spiels. Bei Bedarf hilft einem eine Art Tutorial mit den ersten Schritten für seine Taktik. Dabei kann man aus mehreren vorgefertigten Stilen auswählen, von Tiki-Taka über Flügelspiel bis hin zu „den Bus parken“ ist dabei jede Absurdität von moderner Taktik grundlegend abgebildet.
Wem das zu viel Hilfe ist, der stellt eben diese aus und versucht sich von vorne bis hinten selbst. Doch Vorsicht, hier kann man tatsächlich vieles falsch machen. So setzt sich eine Taktik aus verschiedenen einzelnen Konzepten zusammen. Zum einen ist natürlich die Grundformation wichtig, darüber hinaus bietet das Spiel mehrere „Mentalitäten“, die quasi eine Grundausrichtung des Teams darstellen. Damit kann man eigentlich schon gute Ergebnisse einfahren, wer aber besonders strebsam ist legt noch verschiedene Spielerrollen an. Jede einzelne Position kann von einem Spieler anders interpretiert werden. Zwischen diesen Spielerrollen gibt es es dann oftmals die Wahl zwischen den Spielermentalitäten Angriff und Verteidigen sowie Automatisch, was eine Angleichung an die Teammentalität darstellt.
Alles in allem ein unfassbar fesselnder Teil dieses Spiels, wenn nicht DER fesselnde Teil. Sich in sämtliche Facetten der Taktikerstellung einzuarbeiten hat zumindest mir persönlich riesigen Spaß gemacht, dabei hat man noch nicht ein einziges Fußballspiel seines Teams gesehen. Es gibt sogar noch mehr, per Teaminstruktionen kann man noch einstellen, wie hoch und intensiv das Team presst, über welche Seite man spielen möchte und noch viel viel mehr. Insgesamt war ich an der Taktik gute 3 Stunden zugange (inklusive passende Spielerwahl) bis ich dachte, dass es damit klappen könnte.
Das Beste an dieser Geschichte ist allerdings, dass das Spiel das belohnt. Im Vergleich zu meinem erstem Versuch zeigte sich das Team deutlich verbessert. Tore wurden geschossen und Spiele wurden gewonnen, dennoch muss man immer dran bleiben, denn es gibt nicht so etwas wie die perfekte Taktik, auch die KI lernt einen zu lesen. Dabei hilft das sehr umfangreiche Analystool zu den einzelnen Spielen. Dort kann man unter anderem einsehen, was für Pässe gespielt wurde, ob diese ankamen, welcher Spieler wo auf dem Feld welche Fehler gemacht und wie die Grundformationen gegenübergestellt aussahen. Liest man diese Informationen richtig aus kann man seine Taktik noch besser an sein Team und/oder den nächsten Gegner anpassen.
Wichtig ist auf dem Platz
Dieser komplexe Ansatz zieht sich durch das gesamte Spiel. Ein wichtiger Ankerpunkt stellen auch die Mitarbeiter dar – hier sind besonders die Scouts herauszustellen. Deren Aufgabe ist es unter anderem neue Spieler zu beobachten – den Auftrag, wo auf dem Planeten sie den nächsten Lionel Messi entdecken sollen erteilt allerdings ihr. Die Scout-Berichte sind im Football Manager 2019 gewertet auf einer Skala von 0 bis 100. Allerdings ist das mit Vorsicht zu genießen, da ihr mit besseren Scouts auch bessere und detailliertere Ergebnisse bekommt.
Wem das jetzt schon alles zu viel ist dem sei gesagt, dass es noch viel mehr Möglichkeiten gibt. So wollen auch die Jugendmannschaft, die zweite Mannschaft und natürlich Finanzen und Transfers verwaltet werden. Der letzte Punkt macht da sicher mit am meisten Spaß, sind diese Transfers und die Möglichkeit Geld auszugeben so ein bisschen das Salz in der Suppe. Man will sein Team immer besser machen, die Scoutingabteilung ist hieran aber natürlich eng gekoppelt. Was das für eine intensive, aber durchaus befriedigende Arbeit sein kann, wenn sein 17jährige Nobody innerhalb von zwei Jahren ein fester Bestandteil der ersten Mannschaft wird, zeigt folgender Vergleich. Bei zu Beginn angesprochenem „alten“ EA-Manager wurden die einzelnen Fähigkeiten der Spieler zusammengezählt und zusammen mit ein paar versteckten Attributen zu einer Gesamtstärke vermischt. Die einfache Gleichung lautete: je höher die Gesamtstärke desto besser auch der Spieler. Auf diese Gesamtpunktzahl verzichtet SI in seinem Football Manager. Die Spieler haben verschiedene Fähigkeiten, die über Abschluss, Technik und Passen über mentale und auch körperliche Attribute verteilt sind. Alle Fähigkeiten sind mit einem Wert von 1-20 angegeben. Somit muss man sich intensiv mit eventuellem Transfer beschäftigen. Können wir bei unserem Innenverteidigertalent darauf verzichten, dass er einen guten Antritt hat, wenn dafür sein Stellungsspiel umso besser ist? Man muss jede Verpflichtung in den Gesamtkontext einbinden, hat man eine in der Liga favorisierte Mannschaft und möchte dementsprechend viel mit eigenem Ballbesitzspiel arbeiten, braucht man beispielsweise auch in der Innenverteidigung Spieler, die entsprechend mit dem Ball umgehen können.
Auch bei SI haben die Spieler versteckte Attribute, die auch bei bestem Scouting nicht einsehbar sind. Diese bestimmen in gewisser weise die Mentalität der einzelnen Spieler. Daraus setzt sich wiederum eine Teamhierarchie zusammen, die dem Trainer wohlgesonnen sein könnte oder die aber auch schlicht gegen ihn spielt. Natürlich gibt es hier einen entsprechenden Screen. Die Teamhierarchie ist wie eine Pyramide aufgebaut, an deren Spitze der Trainer steht, dicht gefolgt vom Kapitän des Teams. Dann folgen „sehr einflussreiche“ Spieler, „wichtige“ Spieler und „sonstige“ Spieler. Verprellt ihr einen Eurer sehr einflussreichen Spieler kann es durchaus sein, dass ihr das komplette Team schnell gegen Euch habt. Entsprechend sehen die Leistungen auf dem Platz dann auch aus.
Bildergalerie zu Football Manager 2019
Infobox
Spielerzahl: 1 Spieler
Alter: 16+
Spieldauer: 1 Stunde
Schwierigkeit: mittel
Langzeitmotivation: niedrig
Publisher: Feardemic
Entwickler: Feardemic
Erscheinungsjahr: 2018
Plattformen: PC
Sprache: Englisch
Kosten: 8,19€
Fazit
Fängt man mit dem Offensichtlichen an, so stünde zunächst die Bewertung des grafischen Gerüsts auf dem Programm. Hier gilt natürlich: Wichtig ist auf dem Platz. Doch wie sieht der Platz eigentlich aus? Eine klare Antwort, denn hier büßt der Football Manager ganz deutlich ein: 2005 wäre das vielleicht toll gewesen, heutzutage zieht man skeptisch die Augenbraue hoch. Die Spieler und Animationen im 3D-Spiel sehen hölzern, unbeholfen und schlichtweg nicht mehr zeitgemäß aus. Dazu bekomme ich das, zugegebenermaßen subjektive, Gefühl, dass das Spielgeschehen im Zeitlupentempo über den Bildschirm flimmert. Stellt man die Geschwindigkeit hoch, geht alles wieder zu schnell, für mich fehlt da die Balance. Abhilfe schafft hier der 2D-Modus, eine Vogelsicht auf das Spielfeld, Kreise stellen die Spieler dar. Klingt beim ersten Hören langweilig, reicht aber vollkommen aus, das Gefühl zu vermitteln alles zu sehen und doch mittendrin zu sein.
An diesem Punkt sei noch anzumerken, dass es in Sachen Spielberechnung keine verschiedenen Varianten gibt. Von früher kennen wir ja noch das 3D-Spiel, den Textmodus, sogar ein virtueller Videotext wurde damals von EA verbaut. Sports Interactive geht hier eine galante Lösung; Jedes Spiel wird von der „Match-Engine“ berechnet, der Spieler entscheidet vor dem PC, wie viele Highlights er sehen möchte, der Rest wird zwischen den Highlights simuliert. Diese Match-Engine bekommt auch das Prädikat „umfassend“. Jede Änderung im Taktikbildschirm zieht einen Rattenschwanz bis in die 90 Minuten am Wochenende nach sich.
Wem das alles noch nicht genug ist, dem sei ein Blick auf www.meistertrainerforum.de empfohlen. Denn, wie bereits erwähnt, hat das Spiel, was vorher nicht in Deutschland offiziell zu erhalten war, eine sehr große Community. Diese kümmerte sich in der Vergangenheit unter anderem darum, dass das englische Spiel auch auf deutsch spielbar ist. Darauf kann man aber auch dieses Forum nicht runterbrechen. Die User geben sich extrem viel Mühe dieses Spiel mit noch mehr Tiefgang zu gestalten, sei es durch Ligen-Erweiterung (bis in die Kreisliga!) oder mehr Spielerbilder und Vereinslogos. Nebenbei kann man noch Stories lesen, in denen andere Manager ihre Erlebnisse schildern und einem nochmal eine ganz andere Herangehensweise aufzeigen können oder sein Spielerlebnis durch vorgegebene „Challenges“ noch schwerer machen.
Wo wir bei einem extrem wichtigen Punkt wären; ist der Football Manager 2019 schwierig?
Immerhin rede ich nun in diesem gesamten Artikel von einem unfassbar erscheinendem Tiefgang. Die Antwort ist ein ganz „klares“ Jein. Lässt man sich darauf ein und konzentriert sich auf jeden einzelnen Aspekt des Spiels belohnt einen der FM schon merklich. Gefühlt versteckt sich hinter jedem Wort ein neuer Abzweig, der die Mannschaft bzw. den Verein verändern könnte. Beschäftigt man sich ausgiebig mit all diesen Variationen bekommt man einen klaren Vorteil vor der KI. Beschäftigt man sich aber eben nicht damit, kommt man keinen Centimeter voran.
So ist der Football Manager zwar sehr kurzweilig, die Zeit vergeht wie im Fluge, ist aber nichts für Zwischendurch. Mich hat er, auch nach nun mittlerweile mehreren Stunden, immer weiter in seinen Bann gezogen. Es ging soweit, dass ich sogar an das Spiel dachte, während ich es nicht spielte. Wer Mikromanagement liebt und sich in ein Spiel „verbeißen“ kann wie in die Wage eines Gegners, dem ist hiermit eine ganz klare Kaufempfehlung ausgesprochen. Wer aber lieber ein Spiel für Zwischendurch sucht, der sollte vom detailreichen Football Manager 2019 die Finger lassen.