In Fifa 23 ist der Modus Ultimate Team umstritten aufgrund seiner Lootbox-Mechanik. WestLotto hat nun wissenschaftliche Aspekte in die Debatte zur Alterseinstufung des Spiels FIFA 23 eingebracht. Die fallen für Electronic Arts Fußballsimulation nicht besonders vorteilhaft aus. Nach Meinung eines Experten erscheine Fifa 23 als „riskant für Kinder und Jugendliche“.
Bei Fifa 23 ist der Ultimate Team-Modus die Gelddruckmaschine für Electronic Arts. Die Ingame-Währung für neue Pakete lässt sich mühsam erspielen, Echtgeld sorgt für Abkürzungen – und verschafft entsprechend Vorteile, zumindest wenn einem das Glück gewogen ist und man Topspieler aus den Paketen zieht. Immerhin: Eine kleine Abmilderung des Glücksfaktors gibt es in einem begrenzten Rahmen. Mittels Vorschau-Pack darf man sich die Inhalte eines Pakets ansehen, ohne dafür direkt zahlen zu müssen. Die Entscheidung kann hier also nach Auflösung der Inhalte fallen, allerdings ist das eine Ausnahme und nicht die Regel.
Komplexes Problem: Altereinstufung
Lootboxen können nach einhelliger Expertenmeinung vor allem für Kinder und Jugendliche eine gefährliche Einstiegsluke in das Glücksspiel sein. Intensive Aufklärung über die Problematik ist deshalb ebenso wichtig wie eine klare Regulierung. Dafür setzt sich auch WestLotto stark ein. Für einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Glücksspiel stehen die lizenzierten und legalen Glücksspielanbieter in Deutschland.
Ein unreguliertes Angebot von Lootboxen läuft dem Jugend- und Verbraucherschutz allerdings klar entgegen. So werden bei Lootboxen Kaufanreize über Mechanismen hergestellt, die im Glücksspiel verboten sind. Entsprechende regulative Eingriffsmöglichkeiten werden international diskutiert und teilweise bereits umgesetzt. In Deutschland fehlen Regularien für Lootboxen bislang aber völlig.
In die gesellschaftliche und politische Debatte in Deutschland bringt WestLotto nun die Sichtweise des international renommierten Suchtforschers Prof. Gerhard Bühringer ein, den das Unternehmen gebeten hat, eine anbieterunabhängige Erstbewertung zu der USK-Alterseinstufung für das Spiel FIFA 23 zu geben. „Zum Schutz vor den Gefahren problematischen Glücksspiels bei Kindern und Jugendlichen, sollten die Entscheider diese wissenschaftlichen Ausführungen kennen,“ fordert WestLotto-Unternehmenssprecher Axel Weber.
Wie komplex das Problem und wie groß zugleich der Handlungsbedarf ist, zeigt sich eindrucksvoll: Die USK hat das Spiel ohne Altersbeschränkung freigegeben und mit USK 0 gekennzeichnet. Dabei gehören Lootboxen ganz selbstverständlich zum Spiel dazu.
Der Suchtforscher Professor Gerhard Bühringer von der TU Dresden äußerte sich in einem WestLotto-Interview zu dem Thema. Sein Fazit zusammengefasst: Aufgrund der Lootbox-Mechanik ist Fifa 23 durchaus als riskant für Kinder und Jugendliche anzusehen.
Problematisch ist nach Ansicht des Experten bereits die Alterseinstufung durch die USK-Prüfung. Wie es überhaupt sein kann, dass Fifa 23 trotz Lootbox-System eine Einstufung ab 0 Jahren erhalten hat? „Das liegt zunächst einmal in der Prüfung an sich begründet“, so Bühringer. Die USK habe nach eigenen Angaben die zufallsbasierten Spielerpakete, also die Lootboxen, unter dem Aspekt „Glückspielthematik“ anhand der aktuell gültigen USK-Leitkriterien bewertet.
Gewinn muss nicht Geld sein
„Eine mögliche Gewöhnung an Glücksspiel verneint die USK dabei, da diese Lootboxen optisch und technisch deutlich erkennbar von realem Glücksspiel distanziert seien“, erklärt der Professor. Allerdings weise die USK selbst darauf hin, dass Interaktions- und Nutzungsrisiken, wie sie etwa durch nicht spielimmanente Komponenten wie unter anderem auch Kauffunktionen entstehen könnten, in der Bewertung nicht berücksichtig worden seien.
Bezogen auf den Sonderfall Fifa 23 und seine Mechanik bedeutet das nach Ansicht des Experten: „Nach üblicher Definition handelt es sich bei den in FIFA 23 angebotenen Lootboxen eindeutig um ein Glücksspiel“. Die Kriterien seien voll erfüllt: „für den Erwerb einer Gewinnchance wird ein Entgelt verlangt und die Entscheidung über den Gewinn hängt ganz oder überwiegend vom Zufall ab“.
Der Gewinn müsse laut Definition und Praxis nicht unbedingt ein Geldbetrag sein. „Deshalb sollte dieses Spiel auch vor diesem Hintergrund geprüft werden“, so die Kritik des Suchtforschers. Nach den bisher bekannten Kriterien für riskante Glücksspiele erscheine FIFA 23 mit den Spielerkarten-Packs, die sich an den Lootboxen-Mechanismen orientieren und gegen Geldeinsatz zu erwerben sind, als „riskant für Kinder und Jugendliche“, resümiert Bühringer.
Der Experte erklärt auf die Frage, woraus er seine Einschätzung ableitet: „Für die Frage, ob es sich um ein riskantes Glücksspiel handelt, sind folgende Punkte relevant: Gibt es einen Kontrollverlust oder eine problematische Kontrolleinschränkung für den Bereich der persönlichen Entwicklung bei Kindern und Jugendlichen? Gibt es einen Kontrollverlust oder eine problematische Kontrolleinschränkung im Bereich der Finanzen, der Lebensgestaltung und/oder der sozialen Kontakte und Verpflichtungen? Wird all dies bejaht, wären zum Schutz der minderjährigen Spielenden geeignete Kontrollen der Nutzung notwendig“.
Für FIFA 23 lassen sich diese Fragen mit „Ja“ beantworten?
„Man muss sich klar machen, dass für Jugendliche unter 18 Jahren besondere Schutzpflichten gelten“, so Bühringer. „Diese beruhen auf der wissenschaftlich anerkannten Einschätzung, dass bei Jugendlichen die neurobiologische und psychosoziale Reifung noch nicht abgeschlossen ist. Damit einher gehen im Durchschnitt eine erhöhten Risikoneigung und verminderte Risikoeinschätzung. Über die rechtliche Ebene hinaus besteht eine erzieherische Schutzaufgabe für Eltern und beteiligte Erziehungsorgane für die Entwicklung einer risikoarmen und risikobewussten Nutzung von Glücksspielen“.
Nach den gesellschaftlichen Wertvorstellungen trage auch der Anbieter solcher Spiele mit Lootboxen und möglichen Risiken für eine Verhaltensabhängigkeit eine eindeutige unternehmerische Verantwortung, die entsprechend auch im GlüStV 2021 und in der SpielV festgehalten ist.
„Und wenn Sie sich nun FIFA 23 anschauen, dann kommen Sie zu dem Schluss, dass Merkmale eines Spiels mit riskanten Merkmalen von Lootboxen vorliegen“, so der Professor. Er erklärt weiter: „1. Objektiv müssen sie einen bedeutsamem Geldeinsatz für den Kauf von FIFA 23 leisten – das gilt vor allem im Verhältnis für das Taschengeld von Kindern und Jugendlichen. 2. Subjektiv liegt zwar ein geringer Kaufpreis je Spielerkarten-Pack vor – bei hoher Kauffrequenz wird aber auch dieser problematisch. 3. Die Wahrscheinlichkeit, gute Karten zu erhalten, ist sehr gering und liegt auch im teuersten Pack bei nur 1,7 Prozent. 4. Es werden Anreize zur häufigen Wiederholung und damit zunehmenden Geldausgabe gegeben und 5. ist der soziale Druck zum Mitmachen für Kinder und Jugendliche hoch.“
Wie ist der aktuelle Forschungsstand zur Gefahr von Lootboxen in Videospielen?
Bühringer erläutert: „Für Erwachsene liegen aus neuerer Zeit zwei systematische Überblicksarbeiten zum Zusammenhang von problematischem Spielverhalten und der Nutzung von Lootboxen bei Internetspielenden vor: Diese Studien finden einen positiven korrelativen Zusammenhang zwischen der hohen Nutzung von Lootboxen und exzessiver wie auch problematischer Video-Spielteilnahme.
Die sehr wenigen Studien mit Jugendlichen zeigen ebenfalls einen Zusammenhang zwischen Lootbox-Nutzung und problematischen Videospielen, vor allem dann, wenn Lootboxen bezahlt werden müssen. Allerdings muss man beachten, dass – wie fast immer zum Thema Verhaltensabhängigkeiten – die Forschung zu diesem spezifischen Thema lückenhaft ist. Die Messinstrumente sind häufig nicht standardisiert, die Stichproben verzerrt, es fehlt an Studien, die kausale Aussagen erlauben.“
Am Ende steht der Thematik auch ein Problem der fehlenden Regelungen für Lootboxen vor.
Was bedeutet das im Fall von FIFA 23 und der Alterseinstufung durch die USK?
Bühringer: „Zwischen gekauften Lootboxen und problematischen Merkmalen der Videospiel Teilnahme von Jugendlichen besteht über mehrere Studien – trotz aller methodischer Schwächen und Forschungsdefizite – ein deutlicher Zusammenhang. Zur Kausalität können keine Aussagen gemacht werden. Dennoch gibt es einen Bedarf, die genannten Risiken durch geeignete Maßnahmen zu senken und problematische Entwicklungen möglichst zu verhindern. Vor diesem Hintergrund ist die Alterseinstufung der USK nicht nachvollziehbar, auch nach den Leitlinien für die Prüfung von Videospielen.“
Zum Schutz von Kindern und Jugendlichen sollten aus Sicht des Suchtexperten verschiedene Maßnahmen aus der folgenden Auswahl kombiniert werden:
- FIFA 23 sollte nur von Erwachsenen gekauft werden können.
- Es sollte eine Aufklärung für Erwachsene über die finanziellen und entwicklungspsychologischen Risiken bei Kindern und Jugendlichen erfolgen.
- Die Alterseinstufung sollte zudem auf USK 16 festgelegt werden.
- Der Kauf von Spielkarten- Packs pro Tag sollte durch geeignete technische Maßnahmen begrenzt und erst ab 18 freigegeben werden.
Letztendlich gilt gleichzeitig aber auch: „Und wie immer: Es besteht weiterer Forschungsbedarf!“, so Professor Gerhard Bühringer.
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