Fallout 76 Wastelanders ist ein kleiner Schritt für die Entwickler, aber ein großer Sprung für das Grundspiel. Zumindest wenn man sich auf eine grundsätzliche spielerische Qualität bezieht, die Fallout 76 nun tatsächlich hat. All die kleinen und großen Fehler konnte auch das Wastelanders-Update nicht lösen. Immerhin: Bethesda hat anderthalb Jahre nach Release den richtigen Weg eingeschlagen – auch wenn die zurückgelegte Strecke hätte länger sein dürfen. Im Spieletest zu Fallout 76 Wastelanders verraten wir, ob sich das Online-Fallout endlich lohnt.
Eine Tonne voll Bugs, Serverprobleme und zu allem Übel auch noch ein kostenpflichtiger Abo-Service, der spielerische Vorteile gewährt: Fallout 76 steht als Videospiel nicht besonders gut da. Man hätte kaum zu glauben vermocht, dass Bethesda es hinbekommt, eine derart starke Marke vor die Wand zu fahren. Der Release von Fallout 76 hat eindrucksvoll gezeigt, dass hinter einem großartigen Entwicklerstudio noch lange kein großartiges Spiel stehen muss.
Nun, rund anderthalb Jahre nach der Erstveröffentlichung, haben die Entwickler mit Wastelanders einen Gratis-DLC veröffentlicht, der das Online-Fallout unter anderem, um menschliche NPCs und eine neue Hauptstory-Linie erweitert. Zudem hat Bethesda die Spielwelt überarbeitet. Ob das reicht, um aus einem ziemlich miesen Fallout ein ziemlich gutes Fallout zu machen? Nein. Aber immerhin der der Wastelanders-DLC ein kleiner Schritt in die richtige Richtung.
Nuka-Dilemma: Man will es gut finden
Fallout 76 steht vor einem Dilemma. Nach dem desaströsen Start muss man sich mit jenen Fans, die das Online-Fallout noch spielen, versöhnen, gleichzeitig würde man bei Bethesda jedoch gern neue Spieler ansprechen und dazu einladen, in der postapokalyptischen Welt umherzustreifen. Während Versöhnung dank Wastelanders für aktive Spieler funktioniert, geht der Titel an allen anderen vermutlich vorbei – Fallout 76 wird mit einem knappen Schulterzucken hingenommen. Ja, es gibt da so ein neues Fallout-Spiel, aber nein, unbedingt spielen muss man es nicht.
Schuld daran ist nicht zuletzt die Preisstruktur. Fallout 76 kostete lange Zeit zu viel für das, was es bietet – auch anderthalb Jahre nach Release. Für einen „Zwanziger“ würde man wohl eher zugreifen und dem Spiel die Chance geben, die es seit der Veröffentlichung des Gratis-DLC Wastelanders verdient hat. Zum Glück haben nicht wenige Händler das begriffen und geben Fallout 76 zum fairen „Probierpreis“ heraus.
Wer sich unter dem Gratis-DLC gar nichts vorstellen kann – Bethesda hat einen Trailer zum Release veröffentlicht:
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Mehr InformationenEingefleischte Fans der Reihe interessiert das ohnehin kaum. Sie sind dazu verdammt, das Spiel gut zu finden, egal wie. Bethesda kann sich glücklich schätzen, eine derart engagierte – und leidensfähige – Community im Rücken zu haben. Immerhin: Mit Wastelanders gibt es nun deutlich mehr Abwechslung und das tut dem Spiel sichtlich gut.
Wastelanders macht aus Fallout 76 endlich ein Fallout
Wie konnte Bethesda im Spätherbst 2018 ein Fallout auf den Markt bringen, das nicht nur technisch, sondern auch spielerisch ein Reinfall gewesen ist und in den Folgemonaten daran arbeiten, dass das Spiel von diesem Status quo nicht wegkommt? Eine Antwort darauf zu finden ist schwierig. Das sich ständig wiederholende Gameplay war wenig motivierend – warum zur Hölle sollte man dafür auch noch ein Abonnement abschließen? Auch die Antwort darauf lässt sich kaum erahnen.
Fallout 76 fühlte sich an wie ein unvollendeter Mod für Fallout 4, den Hobby-Entwickler in der Freizeit innerhalb weniger Wochen lustlos dahin gezimmert haben. Mit dem DLC Wastelanders ist Fallout 76 endlich wieder ein Fallout – und das liegt nicht zuletzt an für die Serie typischen Quests, die dank der neuen Hauptstory-Linie Einzug in das Spiel halten. Gespoilert wird an dieser Stelle bewusst nicht, nur so viel: der Witz einiger neuer Quests ist grandios. Endlich spürt man wieder jenen schwarzen Humor. Für den die Reihe bekannt ist.
Insgesamt bleibt Fallout 76 natürlich dennoch weiter hinter dem, was Fans vielleicht von einem Fallout 5 erwarten würden. Aber es kommt Spaß auf im Spiel und das war lange Zeit nicht selbstverständlich.
Ansonsten sollte man sich von der rund 12 Stunden umfassenden Kampagne nicht zu viel erwarten. Es entspannt sich eine Story zwischen zwei neuen Fraktionen – Raider und Siedler – und die ist gut geschrieben und lokalisiert und durchaus originell. Die Namen deuten schon an, wie die Fraktionsvertreter ihren Alltag in der postapokalyptischen Welt verbringen. Wer Ruf bei ihnen sammelt, kann weitere Quests freischalten und die Verkaufspalette der Fraktionshändler erweitern, um so auf neue Gegenstände zugreifen zu können.
Insgesamt passen beide Fraktionen hervorragend in die Welt, sorgen für Belebung und neue Interaktionsmöglichkeiten. Und dann ist da noch der Höhepunkt der Questreihe, den man ebenso mitnehmen sollte wie alle anderen Fraktionsmissionen – einfach, weil diese wirklich gelungen sind.
Die Story-Linie ist ein deutlicher Schritt in die richtige Richtung und zeigt, wie kurzweilig Fallout 76 sein könnte, wenn die Entwickler die richtigen Inhalte implementieren. Klar, die Präsentation fühlt sich nach wie vor an wie ein Spiel mit Release rund um die Jahrtausendwende – aber Fallout 76 bleibt eben auch trotz Wastelanders-DLC immer noch Fallout 76.
Das gilt auch so manch wenig nachvollziehbare Design-Entscheidung: Wer die Wastelanders-Missionen im Team erledigt, kann das zwar tun, jedoch bestimmt nur der „Hauptspieler“ darüber, wie mit NPCs interagiert wird. Der Fortschritt einer Aufgabe wird also nur für den Spieler gewertet, der das Kommando hat. Egal was alle anderen Teammitglieder tun, um sich während der Dialogszenen die Zeit zu vertreiben: Eingreifen können sie nicht. Wastelanders mit den Kumpels zu spielen ist enorm umständlich für ein Spiel, das im Zeitalter etablierter Online-Multiplayer-Systeme entwickelt worden ist.
So gut der neue Kampagnen-Strang auch ist, er spricht in erster Linie erfahrene Spieler an. Nicht, dass man sich als Einsteiger nicht genauso mit dem Online-Fallout beschäftigen könnte – man muss sich nur auf eine Durststrecke gefasst machen. Story gibt es dann bis Stufe 10 und danach erst wieder ab Stufe 20. Die Idee dahinter? Vermutlich keine, zumindest keine nachvollziehbare. Zwar ist Fallout 76 ist dieser „Zwischenphase“ nicht per se langweilig, aber dennoch stark repetitiv und inhaltlich eingeschränkt, auch wenn es durchaus spannende Rahmeninhalte zu entdecken gibt.
Bethesda hegt Pläne, die Geschichte weiter zu erzählen. Das ist allerdings auch notwendig, denn Wastelanders fühlt sich alles andere als abgeschlossen an – das ist diesmal vermutlich tatsächlich eine konzeptionelle Entscheidung. Also heißt es erneut: Geduld haben.
Fallout 76 weiterhin postapokalyptische Großbaustelle
So überarbeitet sich Fallout 76 im Missionsbereich anfühlt, so ätzend ist nach wie vor das klobige Kampfsystem. Das in die Online-Welt übertragene V.A.T.S fühlt sich einfach falsch an. Klar, den Faktor Echtzeit kann man in einem Mehrspieler-Online-Konzept nur schwer verlangsamen, daher ist der Kampf in Fallout 76 weiterhin eine Mischung aus Shooter-Oldie mit völlig gleichgültiger Waffenwahl. Wirklich ernst kann man die Schießereien nicht nehmen, zumindest nicht im Jahr 2020.
Zu diesem taktischen Tiefpunkt gesellt sich ein aufgesetzt wirkendes Überlebens-Element: von Hunger und Durst getrieben – und aufgrund der radioaktiven Strahlung ohnehin eher tot als lebendig – muss man seine Grundbedürfnisse durch eintönig Handlungen stillen. Spannung kommt dabei selten auf, strategischen Einfluss spürt man gar nicht. Toll sind dagegen die Camps, die teilweise gigantische Ausmaße annehmen. Beeindruckend, was Spieler dabei teilweise auf die Bildschirme bringen.
Fallout 76 bleibt auch mit installiertem Wastelanders-Update fehlerhaft, fühlt sich allerdings um Längen besser an als die Variante ohne den Gratis-DLC. Weniger Mod, mehr Vollpreisspiel – so könnte man die Tendenz beschreiben.
Auch technisch hat Bethesda ordentlich an Fallout 76 geschraubt und das mit Erfolg. Das Spiel fühlt sich runder an, läuft technisch sauberer, ist jedoch immer noch nicht am Ziel. Es gibt weiterhin Bugs, wenn auch weniger gravierende. Hie und da schweben NSCs über dem Boden, dort vermischen sich Texturen und auch Lag ist manchmal spürbar; ebenso gibt es Verbindungsabbrüche, allerdings weitaus weniger als vorher.
Media zu Fallout 76
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Infobox
Spielerzahl: Online-Multiplayer
Alter: USK ab 18 Jahren
Spieldauer: 50+ Spielstunden
Schwierigkeit: mittel
Langzeitmotivation: mittel
Publisher: Bethesda Softworks
Entwickler: Bethesda Game Studios
Erscheinungsjahr: 2018 (Grundspiel); 2020 (Wastelanders)
Plattformen: PC, Xbox One, Playstation 4
Sprache: Deutsch
Kosten: ab 22,99 Euro
Fazit
Fallout 76 kann man am besten mit einem schlechten Horrorfilm vergleichen. Man will ihn eigentlich gar nicht sehen, kann aber auch nicht weggucken. Das galt zumindest lange Zeit – jetzt, mit dem Release von Wastelanders, hat Fallout 76 es geschafft, zu einem B-Movie aufzusteigen. Das ist immer noch weit entfernt von grandios, aber immerhin sehens- bzw. spielenswert.
Mit dem Update hat Fallout 76 einen großen Schritt in die richtige Richtung gemacht und fühlt sich nun, nach anderthalb Jahren, so an wie andere Online-Spiele kurz nach dem Start. Auch Einsteiger können sich das Online-Fallout mit Veröffentlichung des Wastelanders-DLC anschauen, weil das Spiel nicht nur konzeptionell, sondern vor allem technisch einen Sprung gemacht hat und nun deutlich runder, wenn auch nicht perfekt läuft.
Wer das etwas altbacken wirkende Design ausblenden oder dem sogar etwas abgewinnen kann, das sperrige Kampfsystem nicht als störend empfindet und die Tagesroutinen eines Online-Spiels mag, der kann sogar mit Fallout 76 einen Einstieg in die Marke wagen. Fallout-Fans werden Wastelanders feiern – schon wegen der coolen Quests.
Auch wenn sich der Titel längst nicht immer anfühlt wie ein Multiplayer-Online-Spiel, es ist insbesondere die Community, die zu einem großen Teil zum Erlebnis „Fallout 76“ beiträgt. Bethesda kann sich glücklich schätzen, derart treue Fans im Rücken zu haben, die den Entwicklern viele Fehler verzeihen. Man sollte sich keinen Illusionen hingeben: Aus einem Spiel mit maximal solider Basis macht man kein Meisterwerk mehr.
Stand jetzt ist Fallout 76 allerdings ein unterhaltsamer Lückenfüller mit Schwächen, mit dem man die Wartezeit zu einem Fallout 5 überbrücken kann.