„It’s ime to kick ass and chew bubblegum“, sagte einst ein legendärer Shooter-Held und umschrieb damit den notwendigen Inhalt eines Ego-Shooters ziemlich treffend. Es geht nicht um eine schöne Geschichte und oftmals auch nicht um fein herausgearbeitete Spielmechanismen: was zählt ist allein der Spielspaß.
Taktik-Shooter sind ein feststehendes und bei Fans beliebtes Element aus dem Gaming-Sektor. Nun wird sogar die Welt der analogen Spiele davon beeinflusst – einfach, weil die Zielgruppen immer mehr zu verschmelzen scheinen. Es gibt nicht mehr die Gamer auf der einen und die Brettspieler auf der anderen Seite. Betrachtet man die Realisierung der Brettspielumsetzungen populärer Marken wie „This War of mine“ oder „Dark Souls“, so könnte man fast von einer Art Cross-Plattform-Development sprechen. Ein aktueller Trend ist die Wiedergeburt von First-Person-Shootern für die heimischen Spieltische.
Frag: Das Brettspiel von Pegasus Spiele
Overwatch, Battlefield 1 oder der Evergreen Counter Strike sind nur drei Beispiele für erfolgreiche Taktik-Shooter: heutzutage wird gern und viel geballert. Diesen Trend haben findige Entwickler analoger Spielkonzepte jetzt wiederentdeckt. Dabei erfinden die Neuerscheinungen das Genre der „Shooter-Brettspiele“ gar nicht neu. Pegasus Spiele hat bereits vor rund sieben Jahren einen Fuß in die Arena gesetzt und mit dem strategischen Brettspiel Frag – Gold Edition ein derartiges Projekt lokalisiert. Das Brettspiel, das von Spielern oft gelobt und häufig gesucht wird, ist im Handel nicht mehr erhältlich. Auf Online-Plattformen wie Ebay, aber auch über Amazon* können Liebhaber dieses Klassikers jedoch wenige Exemplare in deutscher Sprache erstehen. Wer dagegen keinen besonders großen Wert auf eine Lokalisierung legt, der bekommt die englischsprachige Variante* zu deutlich günstigeren Preisen. Selbst wer diesen Titel aus dem Bereich der Shooter-Brettspiele nicht kaufen möchte, sollte den Titel zumindest zur Kenntnis nehmen – er gilt immerhin als eine Art Urvater des ziemlich überschaubaren Genres. Das Alter des Brettspiels erkannt man bereits am Design des Spielmaterials. Frag – Gold Edition macht optisch zwar keinen schlechten Eindruck, aber es ist ungewohnt detailarm, fast schon grobschlächtig illustriert – und passt vor allem deshalb perfekt in die heutige Zeit, in der Retrografik als Qualitätsmerkmal zu verstehen ist. Dazu muss man wissen, dass dieses Shooter-Brettspiel ursprünglich von Steve Jackson Games stammt und in der Grundversion bereits im Jahr 2001 veröffentlich wurde.
4 bis 6 Spieler betreten das analoge Schlachtfeld mit virtuellen Wurzeln. Bevor der erste Schuss fällt, basteln die Spieler sich ihren Avatar, den sie an ihre persönlichen Bedürfnisse anpassen können. Ein waschechter Tank mit viel Lebensenergie aber vergleichsweise wenig Firepower ist ebenso möglich wie die schwachbrüstige Glaskanone, die dafür immensen Schaden verursacht. Dieses System dürfte erfahrenen Gamern von taktischen Ego-Shootern bekannt vorkommen – auch das Blockbuster-Game Overwatch* von Blizzard Entertainment setzt exakt auf eine derartige Spielidee. Bei Frag – Gold Edition ist der Name Programm: es geht darum, den gegnerischen Spielern die Lichter auszupusten. Sinken die Lebenspunkte eines Avatars auf Null ohne sofort geheilt zu werden, so gilt die Figur als „gefragged“, also besiegt. Tot ist der Spieler dann aber noch lange nicht, denn echte Shooter-Helden sterben im Computerspielen nicht für immer, sie respawnen. Und beweisen sich dann erneut im Kampf – natürlich ohne die vorher erbeutete Ausrüstung.
Bewegungs- und Angriffsregeln orientieren sich eng an der virtuellen Vorlage: Beschossen werden kann, wer sich im Sichtfeld des Spieler aufhält. Kämpfe werden ausgewürfelt, das kennt man als Brettspieler. Ein Schmankerl sind die Power-Up-Felder und Sondermarkierungen auf dem Spielbrett. Bei ersteren können Spieler mit einem glücklichen Händchen sich Ausrüstungsgegenstände erwürfeln. Zweitere bringen eine taktische Komponente in den Spielablauf, indem der Spieler die Felder in seine Bewegungen einbaut. Alles wiederholt sich, bis ein Spieler 3 Frags erzielen konnte.
Frag – Gold Edition ist damit kein strategischen Schwergewicht, kein Komplexitätswunder und auch kein optischer Leckerbissen, aber das Brettspiel überzeugt durch einen unkomplizierten, schnellen und unterhaltsamen Spielablauf – und setzt damit auf genau die drei Komponenten, die moderne Ego-Shooter ausmachen.
Adrenalin vom Heidelberger Spieleverlag
Im strategischen Brettspiel Adrenalin, das hierzulande beim Heidelberger Spielverlag erscheint, ist ein Hightech-Kampfanzug der eigentlich Star des Spiels. Der Handlungsrahmen wird von einem postapokalyptischen Szenario abgesteckt: die Welt liegt in den letzten Atemzügen und selbst die überlebenden Fraktionen kennen keinen Frieden. Statt die Konflikte auf klassische Weise auszufechten, erfindet man kurzerhand eine neue Sportart, bei der Kämpfer sich in einer Arena bekriegen. Bestimmt wird das Geschehen durch die Genre-typischen Abläufe: Bewegen, Power-Ups und Waffen sammeln und die Gegner erschießen, bevor man selbst getroffen werden kann. Beschädigte Kampfanzüge sorgen zudem für einen Geschwindigkeitsschub, der den Avatar durch die Arena flitzen lässt.
Benötigte Frag – Gold Edition nur ein vierseitiges Regelwerk, muss man für eine Partie Adrenalin bereits 12 Seiten durcharbeiten, die jedoch hervorragend gestaltet und schön bebildert sind. Je nach Spieleranzahl ist ein anderer Aufbau der Arena empfehlenswert, bis zu 5 Spieler dürfen an einer Partie teilnehmen. Moderne Online-Shooter enthalten oftmals kleinere humoristische Einlagen und auch Adrenalin als analoge Variante ist da keine Ausnahme: die Charaktere sind cool, verrückt und stets gut bewaffnet. Es geht darum, möglichst viele Punkte zu sammeln. Das gelingt durch gegnerische Treffer und Abschüsse. Nerdige PvP-Ausdrücke wie „First Blood“, „Killshots“ und „Double Kills“ sind fest im Regelwerk von Adrenalin verankert. Passt gut, weil Shooter-Fans dadurch besonders angesprochen werden. Taktiker markieren ihre Ziele, um einen Schadensbonus zu erhalten.
Shoot: Card Game von Game Absorber
Shoot: Card Game von dem dänischen Publisher Game Absorber ist der Traum jeder Studenten-WG. Das Shooter-Spiel enthält kein eigenes Spielbrett, sondern nutzt die jeweiligen Gegebenheiten des Spielortes, genauer des Spieltisches. Unordentliche WG-Esstische bieten dabei ebenso gute Deckungsmöglichkeiten wie Omas Sonntagsporzellan. Auch die Spielfiguren dürfen auf Wunsch frei gewählt werden. Wer als Donald Duck hinter der Ritzenhoff Kaffeekanne campen will, um seine Gegner aus sicherer Distanz zu eliminieren, wird von der Spielidee genauso angesprochen, wie der Playmobil-Feuerwehrmann, der John Rambo persönlich nacheifert und seine Waffen aus alltäglichen Komponenten zusammenbaut. Gespielt wird mit Karten: Waffenkarten, Gegenstandskarten, Aktionskarten – alle Details aus populären Computer-Shootern, die sich auch nur annähernd in ein Kartenformat presse lassen, finden bei Shoot: Card Game Verwendung. Das Regelwerk ist simpel und lässt sich in weniger als 15 Minuten erlernen, wovon ich mich auf der zurückliegenden SPIEL’16 selbst überzeugen konnte.
Die wichtigste Grundregel: Du erschießt, was du siehst. Was du nicht sehen kannst, kannst du auch nicht treffen. Statt in einem klassischen Deathmatch (das auch möglich ist), kämpfen die Spieler in einem Capture-the-Flag-Modus über eine zu erobernde Flagge, die zurück in die Heimatbasis gebracht werden muss. Wer erschossen wird, respawned und startet damit am eigenen Startpunkt. Bewegt werden die Helden über Kartenlängen, die als Maßeinheiten dienen. Das simple Spielprinzip entfaltet enormes Spaßpotential, nutzt sich jedoch auch ab – da dürfen selbst eingefleischte Shooter-Fans sich keinen Illusionen hingeben. Für Motivation sorgen dagegen die ständig neuen Schlachtfelder, die eben aus dem gebaut werden, was der Haushalt so hergibt. Man kann dem Gegner auf einem Stück Gouda stehend auflauern oder man bahnt sich seinen Weg unter dem Schutz einer Reihe Bierflaschen bis zur gegnerischen Flagge. Regelabwandlungen sind bei einem derart offenen Spielprinzip nicht nur erwünscht, sondern zwingend notwendig. Shoot: Card Game lebt von der Kreativität der Spieler und von den sozialen Interaktionen – und wird damit am Ende kommunikativer als jeder Online-Shooter, bei dem neben Beleidigungen nur kurze Kommandos in das Mikrofon gebrüllt werden.