Zum mittlerweile siebten Mal hat der der kalifornische Spieleentwickler Blizzard Entertainment das MMORPG World of Warcraft erweitert. Die Rückkehr zum bewährten Kampf zwischen der Horde und den Streitkräften der Allianz lockt viele Spieler vor die Bildschirme, die dem MMO bereits den Rücken gekehrt haben. Geändert hat sich viel in der Welt des Kriegshandwerks: neue Zonen, eine höhere Maximalstufe, der Fokus auf PvP-Inhalte, Ressourcenkämpfe und natürlich neue Dungeons und Schlachtzüge laden Fans dazu ein, ihre Accounts zu reaktivieren – oder ein bestehendes Abonnement zu verlängern.
In den vergangenen Tagen haben sich viele unterschiedliche Fragen aufgetan, eine davon wird allerdings immer wieder gestellt: Lohnt sich Battle for Azeroth?
Battle for Azeroth: eine Ode an die Gemächlichkeit
Jede Erweiterung zu World of Warcraft ist eine Art bittersüßes Deja-Vue. Spieler hegen oftmals große Erwartungen an ein AddOn, vor allem, wenn Blizzard im Vorfeld vollmundige Versprechungen zu den spielerischen Qualitäten macht. Nach schier nicht enden wollenden Kämpfen gegen die Streitkräfte der Legion, kehrt Blizzard mit Battle of Azeroth zu dem zurück, was Fans seit der Veröffentlichung der Grundversion im Jahr 2004 begeistert: spannende Gefechte zwischen Allianz und Horde.
Die Zeiten der Verbrüderung scheinen vorbei. Kurz nach dem Sieg für die Legion entbrennt ein neuer Konflikt zwischen den beiden Fraktionen, die zuletzt fast schon den Eindruck vermittelten Kriegsmüde zu werden. Im Mittelpunkt der Streitigkeiten: König Anduin und Sylvanas Windläufer. Letztere wurde von Teilen der Community zu einer echten Hassfigur erhoben, weil ihr Handeln moralisch kaum makelbehafteter hätten sein können. Was Blizzard bereits mit der Veröffentlichung des Vorbereitungs-Patches gelungen ist, sieht man selbst in der langen Geschichte von World of Warcraft selten: Fans schrien auf, protestierten in kreativer Weise gegen die bisher bekannte Hintergrundgeschichte und deren Charakterentwicklung und waren so emotionale in die Erweiterung involviert wie selten zuvor. Erwartungen bezüglich spannender Storywendungen werden im Zentrum des Interesses vieler Spieler stehen, die World of Warcraft treu bleiben. Selbstverständlich sofern sich Battle for Azeroth lohnt.
Wie so oft in den vergangenen 14 Jahren hat Blizzard die Maximalstufe angehoben, auf 120. Um das Levelcap zu erreichen, questen Spieler sich durch zwei neue Gebiete: Kul Tiras und Zandalar. Während Kuzl Tiras sich, dank vertonter Dialekte, sich anfühlt wie ein Besuch auf dem Hamburger Fischmarkt, laden die Trolle in Zandalar Spieler zu Wanderungen durch optisch beeindruckende Dschungel- und Sumpflandschaften ein. Beide Fraktionsgebiete haben ihre Höhen und Tiefen, insgesamt liegt die Qualität der Questgebiete jedoch deutlich über denen von World of Warcraft: Legion. Natürlich ist das unser subjektiver Eindruck zu den bisher verfügbaren Inhalten, doch die siebte Erweiterung motiviert mit jedem neuen Questhub zum Weiterspielen, auch weil große Teile der Hintergrundgeschichte noch unbekannt sind. Die bisher gebotene Story scheint gute Voraussetzungen für zukünftige Überraschungen schaffen zu wollen. Die Inhalte sind eher seicht, scheinen Spieler sanft in die neuen Welten einführen zu wollen. Ohne zu spoilern kann man den Handlungssträngen emotionale Momente bescheinigen. Die Erzählweise scheint gereift, so wie ein Spiel reifen muss, um auch nach 14 Jahren noch gespielt zu werden.
Zu den offensichtlichen Änderungen von Battle for Azeroth gehört auch der sogenannte „Stat-Squish“, also die Anpassung der Charakter- und Schadenswerte. Längst überfällig war die Abschaffung der gigantischen Zahlenwerte, die WoW: Legion zuletzt hervorbrachte. Siebenstellige Schadenszahlen waren am Ende alles andere als übersichtlich. Zwar fühlten sich die mühsam hochgezüchteten Charaktere nahezu übermächtig an, derart ausufernde Kampfstatistiken schienen allerding nicht mehr zu einem Spiel zu passen, in der das Schicksal schon oft an einem seidenen Faden hing. In Battle for Azeroth fühlt sich das Kämpfen nun völlig anders an, vor allem auf dem Weg zur neuen Maximalstufe. Die niedrigen Schadenszahlen lassen fast schon Demut bei den Spielern aufkommen. Einige Klassen, so unter anderem die Schattenspezialisierung des Priesters, spielen sich langsam, vergleichsweise unrund. Überraschend ist das nicht, weil wichtige Charakterwerte erst im Laufe der Zeit verbessert werden und sich die Spielweise dadurch verändern wird. Von den Fans verlangt das Ausdauer, Geduld und die Hoffnung, dass Blizzard mögliche Charakteranpassungen zeitnah vornehmen wird.
Es lohnt sich, die Spielwelt zu erkunden. Schätze und seltene Kreaturen zu suchen, Questtexte aufmerksam zu lesen, über Easter Eggs zu schmunzeln: Blizzard hat Battle for Azeroth vollgepackt mit spannenden Details, die nur darauf warten, von den Spielern entdeckt zu werden. Um den neu entfachten Krieg zwischen der Horde und der Allianz in vollen Zügen zu erleben, sollten Spieler zu dem zurückkehren, was WoW Vanilla seinerzeit ausgemacht hat: Spielgenuss.
Wer die Abkehr von einem Level-Wettrennen wagt, wird bei Battle for Azeroth belohnt: durch die stimmungsvollen Questgebiete zu reisen macht nicht nur Spaß, sondern auch einen großen Teil des Reizes einer jeden Erweiterung aus. Der schnellste Spieler benötigte rund viereinhalb Stunden, um die maximale Stufe zu erreichen. Das ist eine spielerische Leistung, jedoch unserer Meinung nach nicht unbedingt empfehlenswert. Was bei derartiger Eile verloren geht, ist das einmalige Gefühl, eine neue Spielwelt in aller Ruhe zu erkunden. Das Gefühl, jedes neue Detail auf sich wirken zu lassen, sollte man einfangen, festhalten, unvergesslich machen.
Was für Spieler in der virtuellen Welt des Kriegshandwerks besonders interessant ist, ist Geschmackssache. Selbst große Entwickler und Geschichtenerzähler wie die von Blizzard Entertainment stoßen dort an die Grenzen, wo die subjektiven Empfindungen der Spieler in den Vordergrund treten. Kontrovers diskutiert wird nicht nur der Storybogen um Kriegsherrin Sylvanas Windläufern, sondern auch die Spielwelt an sich. Während einige Spieler mit Trollen rein gar nichts anfangen können, sind andere von der saftig-grünen Welt der Zandalari begeistert. Norddeutsche Gemüter fühlen sich bei der humorvollen Vertonung der Einwohner von Kul Tiras sofort heimisch, andere Spieler schalten allein aus diesem Grund auf die englische Originalvertonung um. Die Qualität von World of Warcraft ist, wie bei jedem Spiel, abhängig von den persönlichen Geschmäckern der Spielenden.
Der nächste Grind kommt bestimmt
Unbestritten war World of Warcraft: Legion eine exzellente Erweiterung, die Fans für lange Zeit an die Tastaturen zu fesseln vermochte. Unzählige individuelle Kurzgeschichten (Artefaktwaffen) und spannende Raids sorgten für eine hohe Motivation zum Weiterspielen. Einzig der Grind von Artefaktmacht sorgt für eher getrübte Stimmung – und machte zu Beginn das Twinken zur Qual. Die Artefaktwaffen sind seit der Veröffentlichung von Battle of Azeroth endgültig Geschichte. Der Grind allerdings nicht. Als Konsequenz der Geschehnisse aus Legion liegt die „Weltenseele“ im Sterben. Aus dem Kern des Planeten tritt Azerit hervor, eine mystische Substanz, die sich in Schlachten als entscheidend erweisen könnte.
Dass Allianz wie Horde gleichermaßen versuchen, sich Azeritvorkommen unter den Nagel zu reißen, dürfte kaum überraschen. Gleichzeitig ist das eine glückliche Fügung, denn es heizt den Konflikt zwischen den verfeindeten Fraktionen weiter an. Für Spieler bleibt bei dem Gedanken an das Azerit ein fader Beigeschmack. Das Azerit versorgt das Herz von Azeroth, eine legendäre Halskette, mit Energie – und schaltet auf diese Weise Boni auf Brust-, Kopf- und Schulterausrüstungen frei. Und so sammeln Spieler fleißig Azeritmacht, um ihren Teil zur Weltenrettung beizutragen. Das klingt verdächtig nach Grind. Und es fühlt sich auch so an. Dennoch ist das Auffinden der Azerit-Ausrüstung ein spielerischer Kniff, der für Spannung sorgt. Jeder aufgefundene Ausrüstungsgegenstand verfügt über ein eigenes Set an wählbaren Boni. Es lohnt sich also durchaus, zusätzliche Azerit-Gegenstände aufzuwerten, um diese dann direkt miteinander zu vergleichen. Das entschädigt zumindest ein wenig für den Umstand, dass auf dem Weg von Stufe 110 zu 120 keine neuen Talente verfügbar werden.
Battle for Azeroth legt zu Beginn einen starken Fokus auf die Hintergrundgeschichte. Das Gameplay folgt dabei dem Bewährten. Wer die Erweiterung Legion gespielt hat, wird auch bei Battle for Azeroth vor keinerlei Probleme gestellt. Das Erledigen von Quests fühlt sich nicht nur an wie bei Legion, es liegen der Levelphasen auch dieselben Mechaniken zugrunde wie in der vorherigen Erweiterung. Die Gegner skalieren mit dem Spielerlevel, die Gebiete sind trennscharf voneinander geteilt und auch der Missionstisch der Klassenhalle findet mit leichten Anpassungen eine neue Verwendung. Das ist spielerisch keinesfalls schlecht, denn schon das Gameplay von Legion war mehr als überzeugend, dennoch haben viele Spieler sich mehr Neuerungen gewünscht.
Und so spielt man sich von Questhub zu Questhub, um dort bekannte Grundaufgaben zu absolvieren, die das Charakterlevel in kurzer Zeit in die Höhe schrauben. Unterbrochen wird die Routine allerdings von vielen humorvollen Aufgaben, die dem Spieler ein Lächeln auf die Lippen zaubern. Anspielungen auf Filme, Serien und die moderne Popkultur findet man häufig in Battle for Azeroth: das sorgt beständig für kleinere Motivationsschübe. Jeder Spielregion beschäftigt gemächliche Spieler für acht bis zehn Stunden. Twinks haben es in Battle for Azeroth deutlich schwerer, denn der Wiederspielwert leidet aufgrund der fehlenden Storyvielfalt.
Lohnt sich Battle for Azeroth denn nun?
Die Frage ist am Ende so einfach nicht zu beantworten. Erst das Gesamtbild wird über die Qualität der Erweiterung entscheiden. Battle for Azeroth jetzt zu bewerten, wäre kaum angebracht. Weil man bisher nur einen Bruchteil der Inhalte kennen kann, muss man sich als Spieler in Geduld üben. Das Freischalten weiterer Features wie Schlachtzügen oder den Inselexpeditionen folgt einem festgelegten Fahrplan, der sich über die nächsten Wochen erstrecken wird. Ob sich alle Einzelheiten zu einem stimmungsvollen – und unterhaltsamen – Gesamtbild zusammenfügen, wird man abwarten 9 müssen. Auch ob das Kriegsthema letztendlich halten kann, was der kontroverse Start versprochen hat, bleibt vorerst offen. Blizzard ist bekannt für hervorragend erzählte Geschichten, hat in der Vergangenheit aber schon einige gute Ideen in den Sand gesetzt.
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Ob alles wohl in einem großen Finale mündet, das die beiden verfeindeten Fraktionen in den Grundfesten erschüttern wird oder ob am Ende alles nur dem Zweck dient, Horde und Allianz doch wieder zu vereinen, um sich einem übergeordneten Bösen zu stellen, bleibt fraglich. Ebenso unsicher ist, wie unterhaltsam die zusätzlichen Gameplay-Features tatsächlich sind – und ob sie von de Spielerschaft auch angenommen werden.
Ein gutes Beispiel ist der Warmode. Aktiviert man das offene PvP, erhält man neben zehn Prozent Bonuserfahrung einige mächtige Fähigkeiten, ist aber in der Spielwelt von der verfeindeten Fraktion angreifbar. Das klingt in der Theorie wie die perfekte Motivation zu Open-World-PvP, läuft in der Praxis allerdings auf Hardcore-Ganking heraus, das Spieler frustriert. Sicher, man kann den Kriegsmodus jederzeit in der Hauptstadt abschalten, allerdings wird das Feature auf diese Weise langfristig überflüssig. Möglich ist auch, dass viele Spieler sich erst an diese neue Möglichkeit PvP betreiben zu können, gewöhnen müssen: bis dahin werden instanzierte Schlachtfelder und Arenen weiterhin die erste Wahl für Fans von Spieler-gegen-Spieler-Kämpfen sein.
Bilder zu World of Warcraft: Battle for Azeroth
Ersteindruck
Momentan macht Blizzard viel richtig, aber lange nicht alles. Den Geschmack jedes einzelnen Spielers werden die Kalifornier ohnehin nicht treffen können. Wie auch in der Vergangenheit, ist Battle for Azeroth der Versuch, einen Kompromiss zwischen Einsteigerfreundlichkeit und Herausforderung zu finden. Das gelingt größtenteils, vor allem bezüglich Präsentation und Story. Die Spielwelt ist bunt, lebendig und abwechslungsreich. Das freut insbesondere jene Spielertypen, denen das Erledigen von Quests am Herzen liegt. Unterstützt wird die Präsentation durch gut vertonte Dialoge, die den eigenwilligen Humor der Entwickler perfekt einfangen. Die orchestrale Musikuntermalung trägt einen wesentlichen Teil zur Stimmung in den Spielgebieten bei. Auch wenn die grafische Qualität im Jahr 2018 nicht mehr vollends überzeugen kann, ist World of Warcraft ein tolles Gesamtkunstwerk.
Das Gameplay bietet viele bekannte Elemente. Statt großer Überraschungen erwartet Spieler ein bewährtes Grundkonzept, dass Blizzard im Detail angepasst hat. Durch die Levelskalierung bleibt dem Spieler die Reihenfolge bei der Auswahl der Questgebiete überlassen. Der Fokus liegt derzeit auf der Vermittlung der Hintergrundgeschichte. Die Kämpfe sind gewohnt einfach, mit Ausnahme einiger knackiger Duelle gegen Rare-Elite Gegner, die jedoch selten wirklich brauchbares Ausrüstung abwerfen. Meistens besteht die Belohnung aus Azeritsplittern und Kriegsressourcen: beides wird benötigt, wirkt auf Dauer jedoch eintönig und bedient die süchtig machende Itemspirale nicht. Auch wenn das Herz von Azeroth (die legendäre Halskette) Spieler motivierende Anreize bietet, ist derzeit noch nicht absehbar, wie sehr das Element den Verlauf der Erweiterung beeinflussen wird: vor allem der Azeritmacht-Grind schwebt wir ein Damoklesschwert über den Köpfen der Charaktere, insbesondere der Twinks.
Das Endgame wird sicher für Überraschungen gut sein. Das war es bisher immer. Ob sich für erfahrene Spieler genügend Herausforderungen ergeben, bleibt abzuwarten. Das gilt für PvE und PvP gleichermaßen, denn mit Kriegsfronten, Inselexpeditionen, Open-World-PvP, Mythics und Raids bietet Battle for Azeroth eine solide Grundlage, um Spieler monatelang zu beschäftigen.
Im Moment macht Battle for Azeroth enorm viel Spaß, weil vor allem Storyfans voll auf ihre Kosten kommen. Wer sich gewünscht hat, dass Blizzard mit der Erweiterung zu den Wurzeln von Vanilla zurückkehrt, wird wahrscheinlich enttäuscht: spielerisch hat Blizzard alles in das moderne Gewand der vergangenen Erweiterung gekleidet. Die Sehnsucht nach dem Gefühl vergangener Tage bleibt für all jene, die World of Warcraft seit der Veröffentlichung im Jahr 2004 spielen.
Eines ist jedoch sicher: man darf sich freuen auf all die Inhalte, Storywendungen und Anpassungen, die in den nächsten Wochen und Monaten auf die Fans zukommen werden.