Die ersten zwei Tage der Gamescom 2017 sind vorbei. Zeit, für ein erstes Fazit zur weltweit größten Messe für interaktive Unterhaltungselektronik. Während einige Premieren der Kölner Messe schon jetzt einige Einträge in die Geschichtsbücher bescheren, sind viele Gamer sich nach dem Messemittwoch einig: es gibt viele tolle Games, aber nur wenige Überraschungen. Die großen Publisher setzen auf ihre bewährte Marken und gehen im Jahr 2017 kaum Risiken ein. Überraschungen kommen eher von den Zwergen der Branche – und von der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, die sich in ihrer Rolle als sympathische oberste Bundes-Gamerin in die Herzen der Spieler gesprochen hat.
Bundeskanzlerin eröffnet die Gamescom 2017
Bereits die Eröffnung der Gamescom 2017 startete mit einem historisch denkwürdigen Ereignis: erstmalig in der Geschichte der Gamescom hat ein deutsches Regierungsoberhaupt die Veranstaltung eröffnet. Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel sprach am 22. August 2017 vor eingeladenen Gästen und Medienvertretern über die Bedeutung von Spielen für die deutsche Kultur- und Innovationslandschaft – und scheute auch einen kurzen, aber eindeutigen Ausflug in das Streitthema Gewaltspiele nicht. Wenn die Kanzlerin von einer „sich entwickelnden Branche spricht“, der sie gern ihre Referenz erweist, dann zeigt das, welchen besonderen Stellenwert Spiele in einer Gesellschaft einnehmen können – vielleicht sogar müssen.
Entgegen einiger Voraussagen, zeigte sich die Bundeskanzlerin offen gegenüber der Games-Branche und unterstrich die Bedeutsamkeit, dieses Geschäftszweigs nicht nur als Wirtschaftsfaktor für die Bundesrepublik Deutschland. Angela Merkel hat sich mit ihren Statements wahrlich in das Heart of Gaming aller Spielebegeisterten gesprochen. Die Aussagen der Kanzlerin dabei nur auf digitale Spiele zu beschränken, wäre der deutschen Spielelandschaft nicht angemessen: immerhin werden auch Brett- und Gesellschaftsspiele als Kulturgüter verstanden. Und kreativ sind sie ohnehin.
Zwar dienten Spiele im alltäglichen Leben der Unterhaltung, dennoch können sie „Begeisterung für Wissenschaft und Technik entfachen“. Insbesondere im spielebasierten Lernen sieht die Kanzlerin ein nicht zu unterschätzendes Potenzial. Computerspiele in Teilen des Schulunterrichts einzusetzen erleichtert Kindern und Jugendlichen den Umgang mit den neuen Medien und Technologien. Letztendlich sollen das sogenannte vernetzte Denken und digitales Lernen nicht nur aus freiwilligen Initiativen heraus gefördert werden, sondern im Rahmen einer gezielten Zurverfügungstellung von passenden Inhalten seitens des Bundes. Die einzelnen Kultusministerien der Länder könnten sich dann aus dieser eCloud bedienen – auch um die vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten in allen Bundesländern auf ein einheitliches Niveau zu bringen. Neben didaktisch sinnvollen Spielen, sei vor allem pädagogisches Geschick notwendig, um Kinder und Jugendliche im Grenzbereich von realer und virtueller Welt zu begleiten. Bedenkt man die derzeitige Entwicklung und Nachfrage virtueller Inhalte, so gewinnt diese Aussage große Bedeutung. Dass man den Gaming-Sektor auch im Schulbereich nicht ignorieren darf, zeigt die Tatsache, das rund zwei Drittel aller Kinder sich regelmäßig mit digitalen Spielen – unter besonderer Berücksichtigung des Smartphones als Spielgerät – beschäftigen.
Vor diesem Hintergrund stellt die Bundeskanzlerin nicht nur den Umgang mit den digitalen Medien, sondern auch die Anforderungen des Datenschutzes als einen sich stetig entwickelnde Prozesse dar, denen sich Entwickler und Kontrollinstanzen nicht verschließen dürfen. Das Wissen und das Können ist die wichtigste Ressource der Leistungsträger der Bundesrepublik Deutschland. Digitales Lernen sei „lebenslanges Lernen, im wahrsten Sinne des Wortes, das den Jungen leichter fällt als den Alten.“
Die Wirtschaftsbereiche Industrie und Games seien angesichts der aktuellen technologischen Entwicklungen nicht mehr trennbar. „3-D, Augmented Reality, Virtual Reality und Künstliche Intelligenz sind die Hightech-Beispiele, die auch in der Industrie zunehmend an Bedeutung gewinnen“, so die Bundeskanzlerin zum Thema Industrie 4.0. Für die Zukunft gilt es daher, die Synergien zwischen den einzelnen Branchen zu nutzen. Für die Nutzung neuer Technologien sei eine leistungsstarke Infrastruktur notwendig, die derzeit insbesondere in ländlichen Regionen kaum oder gar nicht vorhanden sei. Der Ausbau von Breitbandinternet und Glasfaserzugängen müsse daher weiterhin parallel zu den Verkehrsinfrastrukturprojekten forciert werden.
Man sollte nicht voraussetzen, dass die Bundeskanzlerin auf einer Entertainmentveranstaltung das Thema der Gewaltspiele aus freien Stücken anspricht. Getan hat sie es trotzdem – und dabei unmissverständlich klar gemacht, dass pauschale Aussagen nicht hinnehmbar sind. Brutalen Spielinhalten zu unterstellen, sie würden die Entwicklung junger Menschen per se negativ beeinträchtigen, ist keine Diskussionsgrundlage. Allgemeingültige Aussagen, die in der Vergangenheit im Rahmen der sogenannten Killerspiele-Debatte geäußert wurden, sind schlicht nicht tragbar: eine differenzierte Auseinandersetzung mit den Inhalten von Gewaltspielen sollte vor allem für Medienvertreter selbstverständlich sein. Letzteres auch deshalb, damit man überhaupt die „Sorgen und Bedenken ernst nehmen“ kann, wie die Bundeskanzlerin in ihrer Eröffnungsrede fordert.
Abschließend zitiert Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel den deutschen Pädagogen Friedrich Wilhelm August Fröbel: „Die Quelle alles Guten liegt im Spiel.“ Womit dann auch alles Wichtige gesagt ist.
Darüber hinaus ist die Gamescom 2017 in mehrfacher Hinsicht historisch. Zum ersten Mal in der Geschichte der Messe ist Rumänien mit einem eigenen Pavillon in Köln vertreten. Und auch Brasilien hat erstmals eine offizielle Delegation auf die weltgrößte Messe für interaktive Unterhaltungselektronik geschickt. Vertreter des südamerikanisches Landes stellen unter anderem aktuelle Projekte am Stand der Indie Arena Booth in Halle 10.1 aus. Dass die Halle 1 zum ersten mal in der Geschichte der Messe belegt ist, klingt fast wie eine Randnotiz, vergrößert den Ausstellungsbereich der Gamescom insgesamt jedoch um satte 8.000 Quadratmeter. Damit wuchs die Ausstellungsfläche auf 201.000 Quadratmeter.
Publisher mit tollen Games aber wenig Überraschungen
Die namhaften Publisher haben keine Kosten und Mühen gescheut, um die passierten Gamescom-Besucher zu ihren Ständen zu locken. Was Fans dort geboten bekommen ist atemberaubend – vor allem aber auch bunt, laut und actionreich. Electronic Arts und DICE hauen Star-Wars-Fans epische Weltraumschlachten im Rahmen des neuen Shooters Battlefront 2* um die Ohren, der am 17. November 2017 für PC und Konsole erscheinen wird. Ubisoft lässt für den neuen Ableger aus der Spielereihe Far Cry ein Werbebanner von einem Flugzeug über dem Wahrzeichen der Stadt Köln schweben.
Blizzard Entertainment überzeugt mit ebenso protzigen wie liebevollen Standaufbauten, die Fans in Massen in die Halle strömen lassen. Sehnsüchtig erwartet wurde am Gamescom-Mittwoch die „Blizzard Reveal Ceremony“, die Fans am Ende jedoch eher enttäuschte. Statt Informationen zu einem neuen AddOn zu World of Warcraft, stellte Games Director Ion Hazzikostas detaillierte Informationen zum kommenden „Patch 7.3: Die Schatten von Argus“ vor – samt Veröffentlichungsdatum am 30. August 2017. Das freut die Spieler des MMORPG World of Warcraft zwar, ist jedoch weit von dem entfernt, das eingefleischte Blizzard-Anhänger sich von der Enthüllungszeremonie versprochen haben.
Immerhin: die präsentierten Cutscenes und Animationsfilme ließen Fanherzen höherschlagen. Wenn Blizzard eben eines kann, dann Geschichten erzählen.
Auch Microsoft setzte eher auf Effekthascherei als auf Überraschungen. Das Konsolenmonster Xbox One X* ist in einem abgedunkelten Raum ausgestellt. Standesgemäß hinter den schützenden Scheiben einer Vitrine. Im Einsatz war das Gerät nicht. Spieler können die Qualität der Konsole nur anhand der Spielinhalte von Games wie Forza 7 oder Sea of Thieves erahnen, die auch auf der Xbox One S einen hervorragenden Eindruck machen.
Nintendo hat den neuen Nintendo 2DS XL im Gepäck, der seit dem 28. Juni im Handel erhältlich ist. Der neue Handheld ist eine verbesserte Version des Nintendo 2DS und spielt sogar Games des 3DS – dann allerdings in herkömmlicher 2D-Optik. Anspielen können Fans das neue Game aus der erfolgreichen Metroid-Reihe um die Hauptfigur Samus Aran, das eigentlich ein Remake ist: Metroid – Samus Returns. Das Game ist ein klassischer Sidescroller und erscheint bereits am 15. September 2017.
Indie Games auch im Jahr 2017 Trend-Thema
Der Umfang der Indie Arena Booth wächst parallel zur Gesamtveranstaltung. Zwar nicht unbedingt gemessen an der Ausstellungsfläche aber immerhin an der Anzahl der Aussteller. Im Bereich der sogenannten Indie-Games gibt es schier unendlich viele Ideen. Finanzielle Mittel für die Umsetzung sind dagegen Mangelware. Die Indie Arena hat sich im Laufe der Jahre zu einer wichtigen Anlaufstelle für unabhängige Entwickler etabliert, die nicht nur Herzblut, sondern oft auch ihre gesamten Ersparnisse in ein Projekt investiert haben. Die Gamescom 2017 bietet ambitionierten Spieleentwicklern die perfekte Plattform, um auf ihre innovativen, teils absurd-kreativen Spielkonzepte aufmerksam zu machen. Was diesen Zusammenschluss aus unabhängigen Entwicklern ausmacht ist vor allem die familiäre Atmosphäre. Abseits der hochglanzpolierten Stände der namhaften Publisher, kommt man in der Indie Arena in Kontakt mit den Personen, die hinter den Spielen stecken. Dass Indie-Games ernstzunehmende Konkurrenten für Spielehighlights werden können, zeigen nicht zuletzt die Downloadzahlen.
Indie-Spiele versprühen oftmals eine völlig andere Art des Spielgefühls, das an die unkomplizierten Anfänge des Videospielens erinnert – vorstellbar etwa als klassische Couch-Gaming-Situation, die auch das Quizspiel That’s You! (Wish Studios) in den Mittelpunkt rückt.
Die simple Strategie hinter der Indie Arena sind die berühmten fünf Minuten Ruhm. Statt sich auf einen Ministand beschränken zu müssen, der zwar bezahlbar, aber nahezu unsichtbar ist, beschert der Zusammenschluss aus Indie-Entwicklern den Projekten die Aufmerksamkeit, die sie verdienen.
Virtual Reality: Kabelgebunden war gestern
Die Welt der virtuellen Realitäten wächst gemächlich, aber beständig. Das liegt nicht nur an den vergleichsweise hohen Anschaffungskosten für die Hardware, sondern auch an der Praktikabilität der aktuellen VR-Endgeräte. Vor allem die VR-Headsets sind es, die den Nutzern Kopfschmerzen und Kabelsalat bescheren. Im heimischen Wohnzimmer auf die Jagd zu gehen, ohne sich das Headsetkabel um den Hals zu wickeln, ist eine Herausforderung.
Einige Hardware-Hersteller haben diesen Umstand erkannt und innovative Geräte entwickelt, um die kabelgebundenen Headsets in Zukunft kabellos zu machen. Bislang betrifft das zwar nur die aktuell teuerste Hardwarelösung, namentlich die HTC Vive, allerdings ist der Anfang damit gemacht. TP-Cast will die Bewegungsfreiheit von VR-Nutzern vergrößern, ist sich gleichzeitig aber auch der Nachteile kabelloser Verbindungen bewusst. TP-Cast 2.0 soll daher die Latenz auf unter 2 Millisekunden verringern, was einer nahezu verzögerungsfreien Übertragung entspricht. Gänzlich frei von Einschränkungen ist aber auch diese Hardwarelösung nicht, immerhin muss für die Nutzung eine vergleichsweise schwere Batterie wie ein Bauchgurt getragen werden. In einigen Ländern der Region D-A-CH soll der Verkauf im September starten.