In der Popkultur sind Serien und Filme zum englischen Adel längst angekommen. Ob Stolz und Vorurteil, Downtown Abbey, The Crown oder zuletzt Bridgerton und sein Queen Charlotte Spin-Off – sie alle wissen zu begeistern und räumten eine Vielzahl an Auszeichnungen ab. An diese Begeisterung knüpfte Ende 2017 Kayenta Games an. Mit Hilfe einer Crowdfunding Kampagne sammelte der noch junge amerikanische Verlag Geld, um sein Werk rund um Stolz, Intrigen und Vorurteile zu verwirklichen. Mit einer 8.2 auf BoardGameGeek schlug das Spiel voll ein – rund 5 Jahre später erschien das Spiel, dank Strohmann Games, nun endlich auch in Deutschland. Wie gut Obsession wirklich ist, erfahrt ihr in dieser Rezension.
In der englischen Grafschaft Derbyshire herrscht ein Umbruch. In einer Zeit des Optimismus verstricken sich mehrere Familien in Romanzen und Intrigen. Die angeschlagenen Familien Asquith, Cavendish, Ponsonby und York verfügen über neue Einnahmequellen und sind bestrebt ihr in die Jahre gekommenes Anwesen zu modernisieren und ihren Ruf wiederherzustellen. Es herrscht schiere Aufbruchstimmung. Besonders neidisch blickt man dabei auf Alderley Hall, indem Margaret – die Witwe des Earl Fairchild – und ihre Schwägerin Ethel mit einem Einkommen von weit über 20.000 Pfund residieren. Seit dem Tod von Margarets Schwager leben ihr schneidiger Neffe Charles und ihre reizende Nichte Elizabeth bei den beiden verwitweten, kinderlosen Damen. Die Fairchild-Damen wissen genau, was die beste Medizin für das trauernde Herz der beiden Zwillinge ist: Eine Romanze!
Ein einfaches Grundprinzip
In Obsession übernehmen wir die Führung über eine von vier aufstrebenden Adelsfamilien. Wir möchten unsere vernachlässigten Ländereien auf den Vordermann bringen, stattliche Feiern veranstalten, unseren Ruf damit steigern und bestenfalls unseren Sohn oder unsere Tochter den beiden Fairchilds vorstellen. Dafür müssen wir jedoch die Interessen der beiden befriedigen, denn nur dann kommen sie in unserem bescheidenen Anwesen zu Besuch.
Eine Partie geht über 16 Runden (in der erweiterten Partie über 20), in der wir stätig neue Aktivitäten planen, Gäste einladen, Bedienstete einsetzen und Belohnungen erhalten. Der Ablauf ist dabei schön simpel gestaltet. Zuallererst machen wir alle Bediensteten, die wir in vorherigen Runden eingesetzt haben, bereit – sie ruhen sich quasi von der Arbeit aus. Das tun wir, indem wir sie ein Feld auf unserem Familientableau weiterschieben. Anschließend werden aktuelle Rundenereignisse sowie Effekte von Monumenten oder dem Bediensteten-Saal in unserem Anwesen abgehandelt. Letztere, sofern diese vorhanden sind.
Anschließend geht es zum Kernteil des Spiels. Wir suchen eine Aktivität aus, die wir in dieser Runde ausführen möchten. Dazu wählen wir eines der Ausbauplättchen unseres Anwesens aus und platzieren dieses auf unserem Familientableau. Zu jeder Aktivität gehören natürlich auch Gäste, die dieser beiwohnen. Die Anzahl und Art an Gästen variieren je nach Aktivität, die man ausführt. Zusätzlich wird entsprechend der Aktivität und der Gäste verschiedene Bedienstete zugewiesen. Im Anschluss zu unserer schönen Aktivität bedanken sich die Gäste mit verschiedenen Boni wie Geld, Ruhm oder weiteren, mehr oder weniger beliebten, Bekanntschaften.
Abschließend können wir uns auf dem Handwerksmarkt bedienen und neue Ausbauplättchen unserem Anwesen hinzufügen. Diese bieten uns die Möglichkeit, mehr und bessere Aktivitäten ausführen zu können, geben uns wichtige Siegpunkte am Ende der Partie, sowie ziehen das Interesse der Fairchild-Zwillinge an sich.
Ein edles Zusammenspiel
Das Zusammenspiel von Ausbauplättchen, Bediensteten sowie den verschiedenen Gästen ist das zentrale Element von Obsession. Ausbauplättchen sind die Quelle von Aktivitäten, die wir besitzen. Nutzen wir die Aktivität eines Ausbauplättchens zum ersten Mal, so wird dieses von der ungenutzten auf die genutzte Seite umgedreht. Diese gibt uns in der Regel mehr Siegpunkte am Ende der Partie, besitzt jedoch schwächere Boni beim Absolvieren der Aktivität. Daher ist es umso wichtiger am Ende einer Runde einen Blick auf den Handwerksmarkt zu werfen und gegebenenfalls sein Anwesen mit neuen Ausbauplättchen aufzuwerten.
Bedienstete sind hingegen wichtig, um Aktivitäten überhaupt ausführen zu können. Jeder Gast (ausgenommen die Familienmitglieder) und jedes Ausbauplättchen benötigt Aufmerksamkeit einer bestimmten Art von Bediensteten. Ist diese Art nicht verfügbar, kann das Ausbauplättchen nicht ausgeführt bzw. dieser Gast nicht eingeladen werden. Daher sollten stets genügend Bedienstete zur Verfügung stehen.
Gäste geben uns nach Absolvieren einer Aktivität ebenfalls wichtige Boni. Sie werden in Gelegenheits- und Prestigegäste unterschieden. Prestigegäste sind angesehener und geben uns bessere Boni, wenn wir sie zu einer Aktivität einladen. Allerdings benötigen wir meistens auch mehr Ansehen, damit wir sie einladen können.
Ansehen ist ebenfalls ein wichtiger Punkt in Obsession. Je mehr Ansehen wir besitzen, desto größere Aktivitäten können wir ausführen und desto edlere Gäste können wir zu ihnen einladen. Größere Aktivitäten und edlere Gäste kommen mit höheren Boni einher. Ansehen erhalten wir ebenfalls durch Aktivitäten, die wir mit Gästen ausführen. So starten wir in Obsession mit wenig und arbeiten uns langsam an die Spitze der Gesellschaft.
Das Werben um die Fairchilds
Am Anfang einer Periode (4 Runden in der Standardpartie) wird das aktuelle Interesse der Fairchild-Zwillinge enthüllt. Bis zur vierten Runde, der Werbe-Runde, haben wir nun Zeit dieses Interesse zu Aufmerksamkeit für unsere Familie umzuwandeln. Um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen, benötigen wir möglichst viele Siegpunkte in einer Kategorie von Ausbauplättchen. Haben wir die meisten Siegpunkte in der Kategorie, so besucht uns eines der beiden Zwillingskinder und wir können es als Gast für die nächste Periode nutzen. Sie sind wie Prestigegäste, benötigen jedoch kein Ansehen, um genutzt zu werden und geben starke Boni. Zusätzlich dazu erhalten wir eine Siegpunktbonus-Karte. Diese können wir entweder dazu einsetzen, ihren Effekt zu nutzen oder um am Ende zusätzliche Punkte zu erhalten.
In der letzten Werbe-Runde geht es darum, die meisten Siegpunkte in allen während der Partie aufgedeckten Kategorien gesammelt zu haben. Die Person, die die meisten Punkte in den Kategorien sammeln konnte, hat es erfolgreich geschafft, dass sich eines der Fairchild-Zwillinge in ihre Familie einheiratet, was uns nochmals 8 Extrapunkte beschert.
Am Ende der Partie werden alle Faktoren zusammengezählt, um unseren letztendlichen Punktestand zu berechnen. So tragen unsere Ausbauplättchen, Gäste (inkl. dem/der eingeheirateten Fairchild), das Ansehen, Bedienstete unser Geld, Siegpunktplättchen sowie erreichte Zielkarten dazu bei, ob wir das Spiel letztendlich gewinnen oder nicht.
Infos zu Obsession
Spielerzahl: 1 – 4 Alter: ab 12 Jahren Spielzeit: 30 – 90 Minuten Schwierigkeit: Kennerspiel Langzeitmotivation: hoch Klassifikation: Hand Management, Action Selection, Worker Placement Autor: Dan Hallagan Illustrationen: Dan Hallagan Verlag: Strohmann Games, Kayenta Games Offizielle Website: Link Erscheinungsjahr: 2023 Sprache: Deutsch Kosten: 69,90 Euro |
Fazit
Obsession ist auf den ersten Blick nicht wirklich schön. Das gesamte Artwork sieht nicht gerade ansprechend und sehr altbacken aus. Außerdem ist das Regelheft samt Glossar einfach schrecklich zu lesen und hat gefühlt kaum Struktur. Daraufhin kommt erst einmal große Ernüchterung auf. Doch wenn man dann beginnt zu spielen, steigt die Begeisterung wieder. Obsession ist thematisch, wie auch spielerisch ein großartiges Spiel!
Auch wenn man durch die unnötig komplizierte Anleitung und die ganzen kleinteiligen Regeln anfangs ein wenig was überfordert ist, spielt sich Obsession letztendlich recht einfach und fluffig. Man plant eine Aktivität, lädt Gäste ein, setzt Bedienstete ein, sammelt die Belohnungen und kauft gegebenenfalls neue Räumlichkeiten für sein Anwesen. Mehr ist es eigentlich nicht. Schnell verfällt man in einen befriedigenden Gameplay-Loop, indem man immer bessere Aktivitäten veranstalten und beliebtere Gäste einladen kann. Jede Gästekarte ist zudem mit individuellen Fotos und kleinen Geschichten bestückt, die dem Spiel thematisch sehr viel Leben einhaucht. Man fühlt sich letztendlich wie ein Lord, der sein Anwesen und seine Kontakte pflegt – und eventuell auch kleinere Sticheleien gegen seine Gegenspielenden anfängt.
Rein qualitativ besitzt Obsession hochwertiges Spielmaterial. Die Karten haben ein griffiges Linenfinish und die Spieltableaus, sowie Plättchen haben eine angenehme Dicke. Zusätzlich liegen dem Spiel kleine stabile Boxen als eine Art Insert dabei, indem man das Material verstauen kann. Das ist super und erspart beim Aufbau viel Zeit. Es müssen eben nicht immer Plastikinserts sein.
Letztendlich ist Obsession ein großartiges Action-Selection/Worker Placement Spiel geworden, welches Vielspielende – auch diese, die mit dem Thema nichts anfangen können – sich mindestens einmal anschauen sollten, denn am Ende steckte selbst im größten Kritiker ein kleiner Lord. Und auch wenn das Spiel optisch nicht wirklich überzeugen kann, spielerisch und thematisch kann es dies.
Vorschau | Produkt | Bewertung | Preis | |
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