Die Gamescom 2022 ist vorbei – nach langer Corona-Pause fand die Messe wieder vor Ort in Köln statt. Das Fazit fällt überwiegend positiv aus. Allein die Geschehnisse um die Influencer sind nicht nur ärgerlich, sondern bedenklich. Eine Meinung.
Zuletzt hatte man im Jahr 2019 Games und Gaming in den Hallen der Kölner Messe gefeiert. Mit dem diesjährigen Comeback hat die Gamescom ein Statement gesetzt: es war voll – eigentlich war alles wie man es kennt von der Kölner Games-Messe.
Kein Platz für Gewalt
Und dennoch scheint eines inzwischen ganz anders zu sein: bei der Gamescom geht es längst nicht mehr nur um Spiele und das Spielen, es geht immer deutlicher auch um die Szene. Das ist nicht immer gut, wie die diesjährige Messeveranstaltung nun gezeigt hat. Klar ist, die Influencer bringen vieles mit, das der Gamescom dienlich ist: sie bringen ihre Fans in die Hallen, sie bringen ihre Reichweite für die Popularität der Messe mit, sorgen mit ihren Themen für unterhaltsame Momente bei völlig unterschiedlichen Zielgruppen – aber sie bringen eben auch all das ein, was man im Alltag der Szene immer wieder spüren kann: Stress, Streit, Gezänk, Mobbing, mitunter Gewalt.
Will man das auf der Gamescom haben? Nein. Kann man das mit Sicherheit ausschließen? Nein. Außer man bietet den Influencern eine kleinere Plattform. Fakt ist: Auf der Gamescom in Köln soll es um Spiele gehen – für jedermann. Wo erwachsene Messebesucher mit derartigen Situationen umgehen können, sieht das bei Kindern gänzlich anders aus. Sie benötigen Schutz, auch auf einer Unterhaltungsveranstaltung. Ihre Eltern und Angehörigen sind das erste Bollwerk gegen schädlich Einflüsse von außen. Am Ende steht die Allgemeinheit, die Gruppe der Gamer, die dafür sorgen sollte, dass Kinder eine friedliche und freundliche Messe präsentiert bekommen. Bringen Influencer nun ihren „Beef“ mit auf die Messe, kann es dafür nur eine Konsequenz geben: Husch, zurück ins Körbchen. Mit anderen Worten: Messeverbot.
Wenn Influencern ihre Bekanntheit zu Kopf steigt, sie vollgepumpt mit Adrenalin wie Vorstadt-Sherriffs über das Messegelände patrouillieren, und nicht nur Gamescom-Mitarbeiter oder das Stand-Personal angehen, sondern auch Besucher in ihre Exzesse involvieren, dann geht das einen großen Schritt zu weit. Kaum nachvollziehbar sind die Geschehnisse im Nachhinein, trotz unzähliger Videobeweise oder Aussagen von Beteiligten oder Zeugen.
Nicht reagieren, sondern vorbeugen
Was man daraus lernen muss? Weil man derartige Situationen nicht vor Ort auf der Gamescom beherrschen kann, muss man sie im Vorfeld erschweren: Strengere Regeln bei der Auswahl der Influencer als „Content Creator“ scheinen unumgänglich zu sein. Denn so populär die Influencer meist auch sind: ihrem Auftrag als Informationsvermittler kommen nur die wenigsten nach. Stattdessen werden „Sonderrechte“ missbraucht, um sich daneben benehmen zu können. Die Schar an Kanal-Fans nutzt man dann besonders perfide als Schutzschild und Werkzeug, um Streitsituationen in den Sozialen Medien noch zu verschärfen.
Fakt ist: So etwas gehört nicht auf die Gamescom. Es gehört nirgendwohin.
Die Veranstalter müssen nun ihre Lehren ziehen für das kommende Jahr. Influencer-Aktionen gehören in den geschützten und organisierten Bereich von Ständen und mit Partner: Autogrammstunden oder Meet-and-Greet-Aktionen mit den Fan-Lieblingen an den Booths der Social-Media-Plattformen oder Hardware-Partnern zeigen, dass man das Treffen mit den Fans auch ruhig, zivilisiert, vor allem aber familienfreundlichen ablaufen lassen kann.
Nicht immer ist es volle Absicht wenn Influencer für Chaos sorgen. Der Auftritt um Streaming-Star „Montanablack“ sorgte weltweit für Aufsehen. Es war die schiere Masse an Fans, die ihren Liebling durch die Gamescom-Areale verfolgte. Nicht ohne andere Besucher abzudrängen oder gar zu beleidigen. Denken könne hätte man es sich dennoch – und sich die Aktuon besser gespart. Man kann derzeit eine Vielzahl an Meinungen lesen, die so gar nicht einverstanden waren mit dem, was so mancher „Creator“ von sich gezeigt hatte.
Nun kann man die wenigen Einzelfälle als solche abtun und auf Besserung hoffen. Als Veranstalter schwingt allerdings etwas mehr Verantwortung mit. Bei tausenden Besuchern, die sich ohnehin teils ins Gedränge stürzen wollen oder müssen, können Streitigkeiten – vor allem angeheizt durch Umstehende – zu einem echten Sicherheitsrisiko werden.
Zudem ärgerlich für die Organisatoren: rund 265.000 Besucher zählte man auf der Gamescom 2022 – nur wenige benahmen sich daneben. Die allerdings dominierten die Sozialen Medien, trugen die Streits quasi an zwei öffentlichen Orten aus. Wie das auf Familien mit Kindern wirkt? Maximal abschreckend.
Ja, Influencer gehören inzwischen fest zur Gaming-Szene, einen Freifahrtschein für gesellschaftliche fragwürdige Themen oder gar rabiates Verhalten lässt sich aus der Popularität der Internetprominenz aber nicht ableiten. Man muss sie nicht verbannen, aber einen Rahmen schaffen. Und: Am Ende sind alle gefragt, damit es nicht nur nicht wieder zu derartigen Szenen kommt, sondern damit man aus dem „Influencing“ aus etwas positives ziehen kann. Verantwortung ist das Stichwort. Und es gilt für alle: Die Content Creators, Publisher, Standbetreiber, Veranstalter und Konsumenten.
Bei der Gamescom gilt es womöglich auch, sich zurück zu besinnen auf die Wurzeln: es geht um Spiele und den Spaß an ihnen. Feiert Games, feiert die Community, aber feiert nicht einzelne Persönlichkeiten aus der Szene, von denen der Großteil zur nächsten Gamescom wahrscheinlich längst wieder vergessen ist. Und feiert erst recht nicht ihre Gewaltexzesse oder Streitigkeiten. Das hat auf der Gamescom keinen Platz und sollte auch in der Games-Szene keinen Platz haben.