Das Kartenspiel „Carnival of Monsters“ ist der neueste Streich von Kult-Autor Richard Garfield, der in den 90er-Jahren mit dem Sammelkartenspiel Magic the Gathering ein völlig neues Genre aus der Taufe hob. In seinem neuen Werk, das hierzulande bei Amigo Spiele erschienen ist, geht es wieder um Karten, wieder um Monster, wieder um Länder – Kämpfe gibt es allerdings nicht. Ob die Idee dennoch funktioniert und unterhält, verrät die nachfolgende Rezension.
Der Weg von „Carnival of Monsters“ vom Prototypen bis zum fertigen Produkt war steinig. Die erste Kickstarter-Kampagne, das Kartenspiel sollte ursprünglich nur auf dem US-amerikanischen Markt erscheinen und über Crowdfunding finanziert werden, war nicht erfolgreich. Bis zur Marktreife geschafft hat es das Kartenspiel letztendlich – und es ist hierzulande sogar in deutscher Sprache im Verlag Amigo Spiele erschienen.
Viele Monster, viele Länder – keine Kämpfe
Das Kartenspiel für zwei bis fünf Spieler ist vollständig kompetitiv, gekämpft wird dennoch nicht. Dass dieses Spiel aus der Feder von Richard Garfield – jener Autor, der mit seiner Idee in den Neunzigerjahren das Genre der Sammelkartenspiele erschuf – bemerken Szenekundige bereits auf den ersten Blick. Mit einem hohen Stapel aus Karten ausgestattet, begeben sich die Spieler auf Monstersuche: sie spielen verschiedenfarbige Länder, um Ressourcen-Voraussetzungen zu erfüllen und legen Monster auf den Spieltisch, sobald die benötigte Anzahl erreicht ist. Das grundlegende Spielsystem weist „Carnival of Monsters“ eindeutig als Garfield’sche Kreation aus.
Was zudem auffällt, ist die hervorragende Ausstattung des Spiels. Vieles von dem, was in der Spielebox steckt, hätte man nicht unbedingt benötigt, um „Carnival of Monsters“ so zu spielen, wie es die Regeln vorsehen. Dennoch möchte man keines des Materialbestandteil missen, weil der Titel dadurch enorm an Atmosphäre gewinnt. Obwohl „Carnival of Monsters“ ein reines Kartenspiel ist, schaffen die Macher es, der Monstersammelei echten Brettspiel-Charakter zu verleihen. Das fängt beim Aufbau der Menagerie an und endet beim Austeilen der Spielertafeln.
Eine knappe Hintergrundgeschichte zu dem „Carnival of Monsters“ gibt es auch. Die Spieler begeben sich als angehende Wissenschaftler der Königlichen Monstrologischen Gesellschaft auf Monsterhatz und versuchen, möglichst eindrucksvolle Kreaturen aus verschiedenen Ländern zu fangen. In der Menagerie werden ihre Fänge dann vom Publikum begutachtet. Wie immer bei derartigen Publikumsveranstaltungen gilt: Je doller die Präsentation, desto lauter der Applaus.
Wenn die Monster-Fans auf ihren Sitzen ausrasten, erhalten Spieler dafür entsprechende Anerkennung – bei „Carnival of Monsters“ in Form von Punkten. Darum geht es grundsätzlich bei dem Kartenspiel von Richard Garfield. Es zeigt sich als optisch einladende Punktehatz.
Optik ist gut, Spielspaß ist besser
Die Optik ist tatsächlich ein Highlight und eine der Stärken von „Carnival of Monsters“. Die Kartenzeichnungen stammen dabei nicht von einem, sondern gleich mehreren namhaften Illustratoren: Dennis Lohausen, Claus Stephan, Franz Vohwinkel, Loic Billiau, Martin Hoffmann, Oliver Schlemmer und Michael Menzel. Die kreativen Köpfe hinter dem Kartenspiel haben zumindest einen Teil ihrer Hausaufgaben mit Bravour erledigt.
Weil gutes Aussehen allein bekanntlich nicht reicht, sollte auch das Spielerische stimmen, damit aus Richard Garfields Idee ein unterhaltsames Spiel werden kann. Mechanisch setzt Garfield dabei auf einen simplen Draft-Mechanismus. Die Spieler bekommen zu Beginn jeder Runde (sogenannte Saisons) acht Karten an die Hand. Alle Karten müssen dann jeweils im Verlauf der insgesamt vier Spielrunden gedraftet und auch ausgespielt werden.
Der Clou ist, dass man nach jedem Draft umgehend eine Entscheidung über die Verwendung der Karte treffen muss: entweder wird eine Karte sofort gespielt oder man hebt sie für später auf, was allerdings eine Gebühr kostet. Weil finanzielle Mittel endlich sind, fällt die Entscheidung manchmal nicht so leicht wie es auf den ersten Blick scheint. Im Verlauf sammeln Spieler sich so die benötigten Länder zusammen oder richten andersherum die Wahl ihrer Monster entsprechend aus. Alternative Strategien bringen Mitarbeiter und Sofortaktionen ins Spiel Zudem gibt es Zielkarten – diese entfalten ihren Wert allerdings erst bei der abschließenden Punktevergabe.
Ein Spiel, viele Entscheidungen
Die grundlegende Entscheidung ist immer wieder: Sammle ich weiter Länder, um gefährliche und punktebringende Kreaturen auszuspielen oder sammle ich teure Monster, in der Hoffnung an die benötigten Ressourcen zu gelangen?
Eine sinnvolle Strategie ergibt sich im Verlauf der Runden zwar oft, aber nicht immer. Manchmal spielt das Glück nicht mit und die gedrafteten Karten erweisen sich als nutzlos: dann gehen selbst einfache Taktiken nicht auf und das Publikum schweigt still während der Monster-Schau – Punkte gibt es dann nur wenige. Ob eine Strategie sich als effektiv erweisen könnte, ist bei „Carnival of Monsters“ nicht zuletzt eine Sache der Erfahrung, sprich der Kartenkenntnis.
Bei rund 200 Karten bleibt viel Auswahl, man entdeckt immer wieder neue Kreaturen. Auch nach mehreren Partien. Dass aufgrund der Kartenvielfalt beständig neue optische Reize gesetzt werden, ist unverkennbar eine der Stärken von „Carnival of Monsters“. Dass sich daraus auch neue taktische Ansätze ergeben können, sorgt mittelfristig für Motivation.
Aufgelockert wird das Geschehen am Ende jeder Runde durch einen kleinen Twist: Manche Monster, besonders jene, die massig Punkte einbringen, verfügen über Gefahr-Symbole. Diese Gefahren müssen von den Spielern abgefangen werden, damit das Monster nicht aus seinem Käfig ausbricht. Dazu kann man Tokens nutzen, zusätzlich bestimmt ein Würfelwurf, wie viele Symbole jeder Spieler zusätzlich abwehren kann. Dann wandern die ausgespielten Kreaturen in die Menagerie und verbleiben dort bis zur endgültigen Punktevergabe. Das geht über vier Runden so, dann endet eine Partie von „Carnival of Monsters“ und die Punkte werden gezählt. Es gewinnt der Spieler mit den meisten Zählern.
Carnival of Monsters: Nicht innovativ, aber unterhaltsam
Das Kartenspiel macht viel richtig, eine kreative Explosion ist die neueste Schöpfung von Richard Garfield am Ende allerdings nicht. Dennoch: Eine Partie „Carnival of Monsters“ sorgt für gute Laune. Die Mechanismen greifen gut ineinander, das Spielprinzip funktioniert auf eine unaufgeregte Weise. Das Drafting an sich ist wenig innovativ und aus anderen Titel bekannt (7 Wonders).
Trotz der immensen Kartenvielfalt sind die Einstiegshürden niedrig. Auch das macht „Carnival of Monsters“ aus. Es braucht nicht viel Vorbereitung und nicht viel Geduld, um in die erste Partie einzusteigen. Der Reiz für mehrere Spielpartien ist aber spürbar, vor allem, weil jede Runde tatsächlich anders aussehen kann. Spielerisch anspruchsvoll ist die Monsterjagd nicht, dafür aber durch die vielen Entscheidungsmöglichkeiten stets unterhaltsam und spannend.
Am Ende geht es immer darum, aus dem für die jeweilige Partie vorhandenen Kartenpool das bestmögliche Ergebnis zu erspielen. Das gilt auch deshalb, weil nicht nur die Kartenauswahl begrenzt, sondern auch das verfügbare Geld limitiert ist. Wer mehr finanzielle Ressourcen benötigt, muss Kredite aufnehmen, die am Ende des Spiels zwar zu Strafen führen, sich jedoch auch als Teil einer Strategie nutzen lassen.
„Carnival of Monsters“ spielt sich trotz Karten-Draft nur in wenigen Situationen interaktiv. Spieler müssen zwar regelmäßig Karten austauschen, ansonsten managen sie ihre Ressourcen jedoch nebeneinander und entwickeln gemütlich ihre Strategien.
Direkt aus dem Drafting ergibt sich auch eine Schwäche des Spiels: So richtig unterhaltsam ist „Carnival of Monsters“ erst mit mindestens drei Spielern. Zwar gibt es eine Variante für das klassische Duell, um fehlende Mitspieler auszugleichen und die Sonderregeln erfüllen ihre angedachten Zweck auch gut, dennoch treiben die menschlichen Entscheidung anderer Spieler den Spielspaß um Längen besser an, als ein zusätzlicher unpersönlicher Nachziehstapel. Ja, „Carnival of Monsters“ funktioniert zu zweit, besser ist aber, man holt sich noch einen oder gar zwei Mitspieler an den Tisch.
Weitere Bilder zu Carnival of Monsters
[foogallery id=“8413″]
Infobox
Spielerzahl: 2 bis 5 Spieler
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: 30 bis 45 Minuten
Schwierigkeit: mittel
Langzeitmotivation: mittel
Verlag: Amigo Spiele (deutsche Version)
Autor: Richard Garfield
Grafik: Dennis Lohausen, Claus Stephan, Franz Vohwinkel, Loic Billiau, Martin Hoffmann, Oliver Schlemmer, Michael Menzel
Erscheinungsjahr: 2019
Sprache: deutsch
Kosten: 35 Euro
Fazit
Als langjährige Magic-Liebhaber war die Freude groß, endlich wieder einen „echten Garfield“ auf den Spieltisch zu bekommen. Schon der erste Eindruck war überzeugend: Die optisch Brillanz von „Carnival of Monsters“ hat uns direkt abgeholt und für die erste Partie motiviert. Es macht Spaß, die Karten zu betrachten und damit von diesem Motivator auch langfristig etwas übrig bleibt, verzichten wir darauf, alle Karten einfach durchzublättern – so gibt es immer Neues zu entdecken. Auf dem Tisch ist ohnehin viel los, bedingt durch den Aufbau. Die Menagerie liegt voll mit Münzen, Karten, Würfeln und Tokens – klasse!
Der Einstieg ist das monströse Draft-Kartenspiel gelingt schnell. Das Regelwerk ist überschaubar, die redaktionelle Aufarbeitung gelungen. Zügig sind die ersten Drafts absolviert und stetig schwingt Verlustangst mit. Sich bei „Carnival of Monsters“ für etwas zu entscheiden, bedeutet immer auch, eine Entscheidung gegen etwas anderes zu treffen. Man kann als Spieler nicht alles retten und so versucht man Runde für Runde, eine Auswahl zu treffen mit der man zufrieden ist.
Je mehr Erfahrung man allerdings sammelt, desto offensichtlicher sind mögliche strategische Entscheidungen, unter anderem darüber, aus welcher Quelle sich zum Spielende vermutlich die meisten Punkte erzielen lassen. Die Vorhersagen treffen nicht immer, zu ungewiss sind die gedrafteten Karten, aber genau das macht einen Teil des Reizes aus. „Carnival of Monsters“ ist keine spielerische Sensation, aber ein Kartenspiel mit einem soliden, funktionierenden Mechanismus, der sich keine groben Fehler leistet. Das Spiel unterhält, sorgt für Frust und Freude und fordert immer wieder zu Entscheidungsfindungen auf. Beeinflusst werden di Entscheidungen zudem von den ausliegenden Saisonzielen: mal gewähren Monster aus den Wasserlanden Boni, mal stehen andere Länder im Mittelpunkt lukrativer Strategien.
Alle Handlungen werden eingebettet ist das Wissen, dass jede Spielpartie eng begrenzt und endlich ist. Vier Runden wird gespielt, Vier Runden lang können Spieler optimieren, dann ist definitiv Schluss. Das ist gut so, denn es macht aus „Carnival of Monsters“ ein überschaubares Kartenspiel, das die Entscheidungsfreudigkeit nicht nur fördert, sondern erforderlich macht.