Wir schreiben das Jahr 1819. Zwanzig Jahre sind seit der Erschaffung der Kreatur durch Victor Frankenstein vergangen. Eine verhängnisvolle Reise in die Arktis haben nur die Kreatur und Captain Robert Walton überlebt, dem sich Victor Frankenstein kurz vor seinem Tod anvertraut hat. Letzterer will die Kreatur ein für allemal vernichten. Ein geheimnisvoller Wohltäter, der in Paris Forschungen finanziert, die das Geheimnis des Lebens lösen sollen, ist vielleicht Frankensteins Monster.
Die Spielenden werden in diesem Worker Placement-Spiel von der Kreatur finanziert und sollen eine zweite Kreatur erschaffen, damit sie nicht mehr alleine ist. Captain Walton hat aber die Gerüchte gehört und ist auf dem Weg nach Paris. Nur acht Runden haben die Spielenden Zeit, die benötigten Ressourcen zu sammeln und eine weitere Kreatur zur erschaffen. Wem das am besten gelingt, wird von der Kreatur fürstlich belohnt werden.
Wir haben die deutsche Ausgabe des Spiels einem Test unterzogen. Bei der Lokalisation wurden einige Aspekte der englischen Version verändert, um auf ein paar häufig genannte Kritikpunkte einzugehen. Da wir auch die englische Ausgabe regelmäßig spielen, gehen wir am Ende auch darauf ein, wie gut diese Anpassungen gelungen sind.
Leichen in Paris
Neben den persönlichen Labortableaus ist der Spielplan, der verschiedene Orte in Paris zeigt, das Herzstück des Spiels. Hier setzen die Spielenden ihre Wissenschafts- und Assistenzfiguren ein. Dort finden sich viele aufgedruckte Effekte. Zudem gibt es Orte, an denen man Karten erhalten kann. Diese bringen bestimmte Effekte (Saint Roch und Akademie) oder Leichenteile. Wie die einzelnen Orte genau funktionieren, folgt bei der Darstellung des Spielablaufs.
Im Labor werden die Ressourcen und Körperteile der eigenen Kreatur gesammelt. Die „Ressourcen“ sind Organe, Muskeln, Knochen, Blut und Tiere. Bis auf die Knochen werden alle Ressourcen einer von vier Verwesungsstufen zugeordnet. Am Ende jeder Runde verwesen sie und sind dann eine Stufe höher.
Zudem finden sich im Labor die Anzeigen für Menschlichkeit, Prestige und Wissen.
Auf der Charakterkarte werden die nicht eingesetzten Figuren platziert. Zusätzlich haben alle Charaktere eine Spezialfähigkeit, die auf der Karte abgedruckt ist.
Materialien sammeln in Paris
Jede der maximal acht Runden besteht aus vier Phasen. Am Anfang jeder Runde wird eine Ereignis- oder Begegnungskarte gezogen. Ereignisse beeinflussen die Aktionsmöglichkeiten an einem oder mehreren Orten. Begegnungen treffen sofort oder im Spielverlauf eine Person. Diese werden dann meist mit den im Regelheft abgedruckten Einträgen und damit verbundenen Entscheidungsmöglichkeiten aufgelöst.
Danach folgt die Stadtphase. Hier setzen alle ihre Figuren ein. Die Wissenschaftsfiguren, von denen man anfangs nur eine hat, haben hier Vorteile.
In Saint Roch kann man vor allem seine Menschlichkeit positiv beeinflussen. Die Karten, die dort ausliegen, haben die unterschiedlichsten Effekte. Bis zu drei Karten darf man sammeln und auf der Hand halten, bis man die Effekte nutzen möchte.
Gab es am Anfang der Runde eine Exekution findet man auf dem Richtplatz eine frische Leiche mit Materialien der Verwesungsstufe eins. Auch in der dunklen Gasse kann man Materialien der Stufe eins finden. Dafür muss man dort eine Person umbringen. Dies kostet, anders als auf dem Richtplatz, drei Menschlichkeitspunkte und auch die Polizei wird misstrauisch. Diese lässt sich aber leicht bestechen.
Besser für die Menschlichkeit ist es, wenn man die Drecksarbeit von anderen erledigen lässt. Eine gute Anlaufstelle sind dafür die Docks. Neben Auftragsmördern findet man dort auch Grabräuber, Hundefängerinnen und weiteres Gesindel, das für Geld alles macht.
Wem die Frische der Materialien nicht so wichtig ist, der kann auf dem Friedhof ohne viel Aufsehen gleich drei Leichen ausbuddeln. Etwas frischere Materialien findet man da noch in der Leichenhalle und im Krankenhaus.
Im Krankenhaus kann man außerdem noch arbeiten (Geld) oder Freiwilligendienst leisten (Menschlichkeit und Prestige).
An der Akademie kann man Forschungen betreiben, um sich eine der ausliegende Karten zu sichern und mit der Wissenschaftsfigur auch noch weiteres Wissen erhalten. Für das Spenden von Geld erhält man Prestige. Hält man Vorlesungen gibt es Geld und Prestige.
Aus dem Schlachthof kann man Tierteile mitnehmen, die als Joker funktionieren und fast alle anderen Materialien in der nächsten Phase beim Bau von Körperteilen ersetzen können.
Wer Geld braucht, kann in vorherigen Runden eingelagerte Materialien auf dem Markt verkaufen. Für Geld kann man sich dort Leidener Flaschen oder Eis kaufen. Leidener Flaschen braucht man, um die Körperteile der eigenen Kreatur zu beleben und Eis verhindert das Verwesen der Materialien am Rundenende.
Wie baut man eine Kreatur?
Hat niemand mehr Figuren übrig, um sie zu platzieren, folgt die Laborphase. Aus den gesammelten Materialien können nun Körperteile für die eigene Kreatur gebaut werden. Hierfür betrachtet man die Übersichtskarte. Hat man die geforderten Materialien und das Mindestmaß an Wissen, darf man das entsprechende Körperteil bauen.
Um ein Körperteil von hoher Qualität zu bauen, braucht man etwas mehr Wissen und darf ausschließlich Materialien der Stufe eins oder zwei verwenden. Nutzt man auch stärker verweste Materialien oder hat nicht genug Wissen, baut man das Körperteil mit niedriger Qualität.
Man kann Körperteile auch aufwerten. Hierfür braucht man eine Ressource jeder Art der Stufen eins oder zwei und das geforderte Wissen. Anders als beim Bau von Körerteilen dürfen bei der Aufwertung keine Tierteile eingesetzt werden. Wird eine beliebige Anzahl davon beim Bau eines Körperteils genutzt, wird ein Würfel auf dem entsprechenden Körperteil platziert, um bei der Schlusswertung daran zu erinnern.
Für den Bau jedes Körperteils erhält man einen Wissenspunkt.
Hat man mindestens ein gebautes Körperteil und eine aufgeladene Leidener Flasche, darf man den Schalter umlegen. Pro umgedrehte Flasche darf man zwei Würfel werfen und maximal vier Würfel nutzen. Hat man genügend Wissen gesammelt, darf man die blauen Würfel nutzen, die bessere Erfolgsaussichten haben. Ist das Würfelergebnis nicht zufriedenstellend, darf man weitere Flaschen umdrehen, um beliebig viele Würfel neu zu werfen. Karten aus der Akademie lassen einen ebenfalls die Würfel beeinflussen.
Zeigen die Würfel ein Auge, darf man ein Körperteil beleben. Blitze beschädigen Körerteile. Hat man mindestens ein Herz gewürfelt, verliert man einen Menschlichkeitspunkt.
Haben alle die gleichzeitig abgehandelte Laborphase abgeschlossen, wird in der vierten Phase das Spielbrett für die nächste Runde vorbereitet.
Wer konnte Frankensteins Monster überzeugen?
Das Spiel endet nach der achten Runde oder wenn eine Person ihre Kreatur komplett zum Leben erwecken konnte.
Nun erhalten alle Punkte für die gebauten Körperteile. Körperteile von hoher Qualität bringen mehr Punkte als die von niedriger Qualität. Belebte Körperteile bringen zusätzliche Punkte. Hat man Tiermaterialien beim Bau verwendet, verliert hierfür nun Punkte.
Zusätzlich gibt es Punkte für die Position auf den Anzeigen für Menschlichkeit, Prestige und Wissen. Wer eines der vier Bonuszielplättchen für sich beanspruchen konnte, erhält je zehn weitere Punkte.
Wer nun die meisten Punkte hat, gewinnt das Spiel.
Infobox
Personenzahl: 2 bis 4
Alter: ab 14 Jahren
Spielzeit: 90 bis 120 Minuten
Schwierigkeit: mittel-schwer
Langzeitmotivation: okay
Genre: Kennerspiel
Kernmechanismen: Worker Placement, Ressourcen-Management
Autor: Dan Blanchett
Gestaltung: Mikhail Palamarchuk, Tony Sart
Offizielle Website: Abomination: Frankensteins Vermächtnis
Erscheinungsjahr: 2023
Sprache: deutsch
Kosten: 65 Euro
Fazit
Was dieses Spiel direkt einzigartig macht, ist das Thema. Die Umsetzung davon ist auch in der deutschen Ausgabe wirklich gelungen. Es fühlt sich einfach auf eine makabre Art gut an, sich durch Paris zu bewegen, Leichenteile aus den unterschiedlichsten (zum Teil illegalen) Quellen zu sammeln und daraus dann seine eigene Kreatur zu erschaffen.
Leider hat man es bei der Lokalisierung versäumt, die Anleitung übersichtlicher zu gestalten als im Original und auch das Material hat an den gleichen Punkten Mängel.
In der Anleitung ist einfach zu viel Text auf den einzelnen Seiten. Das mehrspaltige Layout und die recht kleine Schrift machen es nicht sehr übersichtlich. Inhaltlich gibt ansonsten an dieser Stelle aber nichts zu bemängeln. Die Formulierungen sind klar gehalten.
Größtenteils ist das Material auch gut. Leider gibt es aber auch hier vor allem in puncto Übersichtlichkeit einige Probleme. Die Texte auf den Karten bei Saint Roch und in der Akademie sind so klein, dass sie nie für alle gut lesbar sind.
Bis auf die Labortableaus lässt sich an der Qualität nichts aussetzen. Diese Tableaus hätten allerdings durchaus stabiler sein könne. Sie sind sehr dünn und äußerst anfällig für Knicke und Druckspuren beim Lagern. Die Anzeigen für Menschlichkeit, Prestige und Wissen müssen sehr genau eingestellt werden, da die Werte hier zu nah beieinander liegen. Die Zeiger verrutschen im Spiel schnell mal.
Die generelle Optik des Spiels ist hervorragend.
Die einzelnen Phasen des Spiels laufen gut nacheinander ab. Die Events und Begegnungen sind recht beliebig und sicher Geschmackssache. Für das thematische Gefühl des Spiels sind sie allerdings unverzichtbar.
Die Stadtphase ist klassisches Worker Placement. Da man über die Prestigeanzeige die eigenen Figuren aufwerten kann, hat man hier das Gefühl später im Spiel mehr schaffen zu können als am Anfang.
Dadurch, das die Laborphase gleichzeitig ausgeführt wird, entstehen hier auch keine unnötigen Wartezeiten. Leider gibt es hier auch das größte Manko des Spiels. Paradoxerweise ist der Glücksfaktor in der deutschen Ausgabe, trotz der neu geschaffene Möglichkeit, zur Veränderung des Würfelergebnisses höher.
Es ist nicht wirklich eine Herausforderung nur Körperteile von hoher Qualität zu bauen. Da, anders als in der englischen Version auch nur einmal „gebaut“ wird (dort wird erst die „Muskelseite“ und dann die „Hautseite“ gebaut, wobei es bei der Hautseite nur die volle Punktzahl gibt, wenn alle Materialien aus Stufe eins stammen. So kommt es zwangsläufig dazu, dass nicht alle Körperteile die volle Punktzahl bringen, wenn man eine fertige Kreatur haben will,), sind die Punktzahlen bei allen Mitspielenden hier praktisch identisch. Wer beim Würfeln dann einfach mehr Glück hat, bekommt dann leicht einen Vorteil von 20 oder mehr Punkten. Beim einem doch so umfangreichen Spiel eine problematische Eigenschaft.
Dadurch, dass die Herausforderung eine qualitativ hochwertige Kreatur zu bauen nicht sehr hoch ist und das Würfelglück einen hohen Einfluss hat, ist der Wiederspielreiz trotz der um circa ein Drittel kürzeren Spielzeit nicht höher, sondern eher niedriger als in der englischen Ausgabe.
Trotz der negativen Punkte ist Abomination: Frankensteins Vermächtnis aber auch kein schlechtes Spiel. Gerade thematisch überzeugt es auch auf Deutsch auf ganzer Linie. Bei den Änderungen im Vergleich zur englischen Ausgabe ist man allerdings leider etwas am Ziel vorbeigeschossen und hat viel was den Charme der Originalausgabe ausmacht gekürzt, um mit der der kürzeren Spielzeit eine größere Zielgruppe anzusprechen. So ist es, bis auf das Thema, „nur“ ein weiteres Worker Placement-Spiel, in dem man Ressourcen sammelt, die man anschließend in Siegpunkte bzw. Körperteile umtauscht.
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ZMan, Der Herr der Träume, Grundspiel, Familienspiel,... *
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