Mit Gimmicks in Brettspielen ist es so eine Sache. Oft genug wird versucht, ein mittelmäßiges Spiel durch auffälliges Material ins Gespräch zu bringen. Bei Time Capsules finden sich in der Box sechzehn große Kapseln. Diese Zeitkapseln werden genutzt, um Artefakte, Computer und weitere Materialien in kleinen Gruppen zusammen zu fassen. Runde für Runde verbessert man den Inhalt der Kapseln, die man zufällig aus einem Beutel zieht.
Wie viel es spielerisch rund um die namensgebenden Zeitkapseln zu entdecken gibt, erfahrt ihr in dieser Rezension.
Alle verkörpern in Time Capsules Megakonzerne, die sich die Zeitkapseln für ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen unter den Nagel gerissen haben. Auf einem abgelegenen Planeten waren diese Kapseln Teil der Überreste einer außerirdischen Zivilisation, die gefunden worden sind. Die Spielenden schicken diese Kapseln zwischen Gegenwart und Vergangenheit hin und her, um wertvolle und mächtige Technologien an sich zu reißen.
Wer zu gierig wird, verursacht zu großen Schaden am Raum-Zeit-Kontinuum und sammelt Zeitbrüche in den eigenen Kapseln. Besitzt man am Spielende sechs oder mehr Zeitbrüche, verliert man das Spiel sofort. Alle anderen vergleichen, wie viele Weltraum-Dollar (W$) sie gesammelt haben.
Das Brettspiel Ü-Ei
Die Regeln des Spiel sind schnell erklärt und benötigen im Regelheft gerade einmal vier Seiten. Die anschließenden sechs Seiten enthalten einen Beispielzug und die Soloregeln.
In jedem Zug zieht man zwei Zeitkapseln aus seinem Beutel. Da dieser erst wieder befüllt wird, wenn er leer ist, sieht man alle zwei Runden den gesamten Inhalt der eigenen Kapseln.
Den Inhalt platziert man nun auf dem eigenen Tableau in der aktiven Zone. Sind Computer dabei, würfelt man Würfel mit der passenden Seitenzahl und platziert sie auf den einzelnen Computerplättchen. Ihre Augenzahl gibt die „Stärke“ der Computer in Qubits an.
Alles, was nun vor einem liegt, nutzt man, um mehr und bessere Materialien zu kaufen. So kann man neue Computer oder Batterien (die beiden „Währungen“) erwerben, Siegpunkte kaufen, Zeitbrüche entfernen, Computer neu würfeln, Qubits den Computern hinzufügen oder Verbesserungen (Aufwerten der Computer) und Bio-Materie ertauschen.
Bio-Materie bietet Effekte in zwei Stufen. Wirft man sie aus der inaktiven Zone ab, ist der Effekt etwas schwächer, aber dafür sofort nach Erhalt nutzbar. Zieht man sie in späteren Runden aus den Zeitkapseln und platziert sie in der aktiven Zone, darf man den stärkeren Effekt nutzen.
Besitzt man Artefakte, darf man deren Effekte nutzen, wenn man die Voraussetzungen erfüllt oder die Kosten bezahlt. Artefakte kauft man mit Qubits oder Energie. Neben ihren wiederholt nutzbaren Effekten gibt es beim Kauf der Artefakte häufig noch einen Sofortbonus und Siegpunkte in Form von W$.
Auf der W$-Leiste trägt man die gesammelten Punkte ab. Dabei passiert man blaue und orangene Felder. Auf den blauen erhält man Zeitbrüche, die man im Laufe des Spiels wieder entfernen sollte, um nicht von der Schlusswertung ausgeschlossen zu werden. Das Entfernen von Zeitbrüchen ist nur mit Effekten möglich, die dies explizit erlauben. Bei den orangenen Feldern der W$-Leiste hat man die Wahl zwischen einem Chronokristall oder einer Fluktuationskarte.
Diese beiden Spielelemente hängen direkt zusammen. Mit den Chronokristallen bezahlt man die Kosten der Fluktuationskarten, die man jederzeit im eigenen Zug ausspielen kann. Sie bieten mächtige Einmaleffekte.
Alle Dinge, die man in einer Runde neu erhält oder bereits genutzt hat, kommen in die inaktive Zone. Am Ende des eigenen Zuges kommt alles zurück in die zu Beginn des Zuges geleerten Kapseln. Sie fassen bis zu sieben Komponenten. Alles überschüssige müsste man abwerfen und würde eventuell W$ verlieren.
Zeitbrüche gefährden die W$
Mit den oben beschriebenen Optionen baut man sich immer effektivere Combos in seinen Zeitkapseln auf, bevor es nach zehn Runden an die Schlusswertung geht.
Viel muss hier nicht mehr gemacht werden. Alle öffnen ihre Zeitkapseln und zählen, wie viele Zeitbrüche sie gesammelt haben. Wer sechs oder mehr Zeitbrüche besitzt, hat automatisch verloren. Die Person, die weniger als sechs Zeitbrüche hat und auf der W$-Leiste am weitesten vorne liegt, gewinnt das Spiel.
Fehlen einem einmal Mitspielende, kann man Time Capsules auch alleine spielen. Viel ändert sich für den Solospielenden im Vergleich zum Mehrpersonenspiel nicht.
Der Bot wird entsprechend der Schwierigkeit auf einem Feld der W$-Leiste platziert. Bevor der Mensch die eigenen Züge ausführt, würfelt der Bot in jeder der zehn Runden zwei W6 und entfernt Artefakte aus der offenen Auslage. Zeigen diese Siegpunkte, wird die Figur des Bots entsprechend viele Felder auf der W$-Leiste vorgezogen. Weitere Aktionen führt er nicht aus.
Anders als im Mehrpersonenspiel wird die Auslage nicht sofort, sondern erst am Ende des eigenen Zuges wieder aufgefüllt. So stehen nicht je drei Artefakte, die mit Energie beziehungsweise Qubits bezahlt werden können, zur Verfügung, sondern insgesamt nur vier. Kauft der Mensch Artefakte, werden diese allerdings sofort nachgelegt.
Hat man nach zehn Runden weniger als sechs Zeitbrüche und mehr Punkte als der Bot, gewinnt man das Solospiel.
Infos zu Time Capsules
Personenzahl: 1-4 Personen Alter: ab 12 Jahren Spielzeit: 60 bis 90 Minuten Schwierigkeit: Kennerspiel Langzeitmotivation: durchschnittlich Klassifikation: Bag Building, Engine Building Spielidee: Yaroslav Kustov Illustrationen: Roman Kelip, Maxim Suleimanov, Stijn Windig Verlag: Red Cat Games; dt. Ausgabe: Giant Roc Offizielle Website: Link Erscheinungsjahr: 2023 Sprache: deutsch Kosten: 70 Euro |
Fazit
Time Capsules ist ein Spiel, das ich sehr gerne noch höher werten würde. Zu den Dingen, die mir sehr gut gefallen kommen aber auch einige negative Punkte, die die Wertung wieder nach unten ziehen.
Mechanisch ist das Spiel wirklich originell. Das quasi doppelte Bag Building mit den Zeitkapseln ist ein wirklicher spannender Mechanismus, der weniger glücksabhängig ist als „normales“ Bag Building und mehr taktische Möglichkeiten bietet.
In Verbindung mit dem Thema ergibt sich allerdings kein stimmiges Gesamtbild. Zu beliebig sind die thematischen Zusammenhänge in die Spielmechanik übertragen. Den einzelnen Spielelementen fehlt es einfach an einer passenden Beschreibung. Besonders die Bio-Materie ist einfach nur „da“, ohne dass ihre Herkunft, Bedeutung oder Wirkungsweise nachvollziehbar erklärt wird.
Auch bei den Computern hätte eine tiefergehende Beschäftigung mit dem Thema nicht geschadet. Gerade da Qubit die Informationseinheit ist, mit der Quantencomputer arbeiten, hätte man es sich hier leicht machen können, um die fortgeschrittene Alientechnologie mit etwas Konkretem zu füllen.
Optisch wirkt das Spiel eher uninspiriert. Die knalligen Farben generieren zwar Aufmerksamkeit, aber füllen keines der Spielelemente wirklich mit Leben. Es wirkt alles sehr generisch und wird der tollen Hauptmechanik des Spiels nicht gerecht.
Haptisch ist das Spiel aber wirklich toll. Allen voran die Kapseln machen einfach Spaß. Da sie auch noch spielmechanisch sinnvoll eingesetzt werden, wird der Umgang mit ihnen zu einer wahren Freude. Auch die meisten anderen Komponenten sind von guter Qualität. Die Papptoken für Computer, Batterien, Artefakte etc. sind stabil und auch die Beutel und Kristalle sind solide verarbeitet. Einzig die Spieltableaus hätten dicker sein können, da sie sehr anfällig sind und zu abknickenden Ecken neigen. Auch das Inlay ist fast perfekt. Wäre die Aussparung für die Batterien etwas größer, könnte man den oberen Teil einfach herausheben, auf den Spieltisch stellen und sich so einen aufwendigeren Spielaufbau sparen.
So viel Spaß die eigenen Züge machen, so zäh fühlen sich die Züge der Mitspielenden an. Auch wenn die Regeln vorschlagen, dass man das Füllen und Öffnen der Kapseln während der Züge der anderen machen kann, deckt man so nur einen Bruchteil der Zeit ab, die man auf seinen nächsten Zug wartet. Da die Auslage auf drei Artefakte, die mit Energie bezahlt werden können, und drei, die mit Qubits bezahlt werden können, beschränkt ist, ändert sich hier zu viel als das es sinnvoll wäre groß vorauszuplanen, bevor man wieder an der Reihe ist.
Mit mehr als zwei Personen wurde die Wartezeit zwischen den eigenen Zügen spürbar anstrengend, da die einzelnen Züge mit fortschreitender Spieldauer immer umfangreicher werden, wenn man diverse Artefakte aktiviert und/oder kauft, Fluktuationskarten spielt und versucht die gefährlichen Zeitbrüche loszuwerden.
Wirkliche Interaktionspunkte zwischen den Spielenden gibt es kaum. Die Auslage der Artefakte ist hier der einzige Ort, an dem man ein bisschen Einfluss auf das nehmen kann, was die Mitspielenden machen können. Erzwungene Interaktion mit Artefakten wie der EMP-Bombe, die allen einen Zeitbruch gibt, fühlt sich fehl am Platz an.
Der Solomodus leidet ebenfalls unter der fehlenden Interaktion. Man hat kaum Einfluss darauf, was der Bot erhalten wird. Man kann zwar punktreiche Artefakte im eigenen Zug kaufen, aber ein Drittel der Auslage ist erst sichtbar, wenn der Bot wieder am Zug ist.
Positiv am Solomodus ist der Fokus auf sich selbst, da man eben keine langen Züge anderer Personen abwarten muss und sich so voll auf die eigenen Kapseln konzentrieren kann.
Im Endeffekt ist Time Capsules ein solides Kennerspiel, das in kleinen Besetzungen am besten funktioniert. Wer über das schwach umgesetzte Thema hinwegsehen kann, bekommt hier eine spannende und frisch umgesetzte Spielmechanik, die auch den „Spiel“Faktor nicht außer acht lässt.
Vorschau | Produkt | Bewertung | Preis | |
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