Historische Settings werden als Themen von Autoren und Verlagen gern genommen – und von Spielern meistens gern gesehen. Auch das Zwei-Spieler-Brettspiel „Revolution of 1828“ von Frosted Games und Pegasus Spiele greift eine geschichtsträchtige, vielleicht sogar eine prägende, Epoche der US-Historie auf: die erste Schmutzkampagne in einem US-Wahlkampf – so zumindest lautet die redaktionelle Verarbeitung des Spielthemas. Es waren die Präsidentschaftskandidaten Quincy Adams und Andrew Jackson, die sich einen politischen Schlagabtausch boten, den man heute von einem spannenden Wahlkampf erwarten würde. In unserer Rezension zum Brettspiel „Revolution of 1828“ von Stefan Feld verraten wir, ob und wen dieser Kenner-Titel spielerisch und thematisch überzeugen kann.
Der Zwei-Spieler-Titel „Revolution of 1828“ ist ein Mehrheiten-Spiel, angesiedelt vor einem historischen Setting in den Vereinigten Staaten – zeitlich eingeordnet werden kann das Brettspiel zwischen dem Amerikanischen Bürgerkrieg und der Kolonialzeit. Konkreter: Thematisch dreht sich das Geschehen um den Wahlkampf zwischen den Präsidentschaftskandidaten Dr. Quincy Adam und Andrew Jackson.
Quincy oder Jackson, das ist hier keine Frage
Man möchte als Spieler so gern an das Thema von „Revolution of 1828“ glauben. Nicht zuletzt, weil die ansprechende Illustration der Schachtel ein historisch eindrucksvolles Spielgeschehen zu versprechen scheint. Folgt man der redaktionellen Aufarbeitung zum Brettspiel, so soll dieser Wahlkampf der erste gewesen sein, bei den Schmutzkampagnen eingesetzt worden sind, um als Sieger – und damit Präsident der Vereinigten Staaten – aus dem politischen Machtkampf hervorzugehen.
Der Logik folgend, schlüpfen die Spieler in die Fußstapfen der beiden Präsidentschaftskandidaten, um den Wahlkampf zu gewinnen. Schon an dieser Stelle krankt „Revolution of 1828“: Die Anleitung schafft es nicht, die Spieler für das historische Setting zu interessieren: Wer ist Quincy Adams, wer Andrew Jackson? Das machen die Spieler unter sich aus, wenn sie daran überhaupt denken? Wie unterscheiden sich die beiden politischen Lager? Gar nicht. Dass die Spielplättchen für beide Seiten gleich aussehen müssen, ist der Mechanik zu verdanken und nachvollziehbar. Dass allerdings auch das Spielbrett für beide Parteien völlig identisch ausfällt, nagt an der Motivation.
Man verkörpert als Spieler einen Präsidentschaftskandidaten und soll Delegierte auf „seine Seite“ ziehen. Weil beide Seiten allerdings völlig identisch ausfallen, geht die Identifikation mit den politischen Fraktionen völlig flöten. Schlimmer: Die Spieler interessiert einfach nicht, weshalb sie tun, was sie tun. In der Folge wirkt das Thema aufgesetzt. Bei Spielen aus der Feder des erfahrenen Autors Stefan Feld ist das keine Seltenheit – und auch kein Problem, wenn die Mechanik zumindest in den Bann zu ziehen weiß.
Grundsolide Mechanik trifft auf Zufall
„Revolution of 1828“ ist ein Mehrheiten-Spiel, spielerisch zudem eher reduziert. Das Spielbrett besteht aus farbigen Territorien in den USA anno 1828, zudem bildet ein weiterer schwarzer Bereich die Presse ab, die den Wahlkampf durch ihre Berichterstattung auf ihre eigene Art beeinflussen kann. Der Aufbau ist simple: Zu Beginn werden in jeden Bereich jeweils drei Spielplättchen gelegt – zufällig, blind gezogen aus dem beiliegenden Beutel. Die farbigen Delegierten-Plättchen gehören ebenso dazu wie Kampagnen-Aktionen (braun) oder die „Schmutzkampagnen“ (schwarz).
Dann wählen die Spieler abwechselnd eines der ausliegenden Plättchen und führen dazu passende Aktionen aus: So werden Delegierte in den eigenen Staatenbereich gelegt oder Sonderaktionen der Kampagnen-Plättchen ausgeführt, darunter Blockaden von Bonuszügen, Tauschaktionen oder zusätzliche Spielzüge. Die Schmutzkampagnen dienen zunächst als Joker und ersetzen Delegierte, werden unter Umständen – nämlich genau dann, wenn man als Spieler den „Redakteur“ auf seine Seite ziehen muss – als Minuspunkte gewertet.
Der simple Ablauf endet in jedem Territorium mit einem Höhepunkt: Der Spieler, der das letzte Plättchen aus einem Bereich entnimmt, erhält auch den entsprechenden Wahlmann (oder den Redakteur aus dem Pressebereich). Die Wahlmänner bringen einerseits Extrapunkte bei den Zwischenwertungen, führen gleichzeitig jedoch auch dazu, dass derjenige Spieler, der den Pöppel zu sich gezogen hat, einen weiteren Spielzug ausführen muss das ist verpflichtend. Daraus entwickelt sich zumindest ansatzweise eine Art „Strategie“, die das Vorhersehen zukünftiger eigener und gegnerischer Spielzüge beinhaltet. Sind alle Plättchen verteilt, folgt eine Zwischenwertung, die den Spielern Punkte gemessen an den „überzeugten“ Delegierten sowie Wahlmänner beschert.
Besonders komplex ist das meistens nicht, vor allem, weil nicht nur Delegierte, sondern auch Kampagnenaktionen zufällig während der Vorbereitungsphase aus dem Brett verteilt werden. So manche Aktion verpufft dann ohne Effekt, andere Aktionen wirken völlig beliebig und auch die Mechanik der Minuspunkte durch die Schmutzkampagnen balanciert sich über die vier zu spielenden Runden eher aus.
Gelegentlich entfalten sich dann doch jene taktischen Kniffe, die zeigen, dass „Revolution of 1828“ grundsätzlich kein schlechtes oder wenig unterhaltsames, sondern solides und durchdachtes Zwei-Spieler-Spiel ist: Ein Spieler zieht den Wahlmann zu sich, zwingt in seinem verpflichtenden Bonuszug mithilfe der „Agenda“ den Gegner dazu, ein Plättchen aus einer bestimmten Region zu nehmen und vergrößert damit seinen Punktevorsprung – geplant und wohlüberlegt. In jenen Momenten offenbart der Titel, was er eigentlich hätte sein können: ein taktisch anspruchsvolles Mehrheiten-Spiel, das den Gegner mit vorausschauenden Zügen an den Rand der Niederlage bringt.
Das eher simple Spiel wertet Frosted Games zumindest durch das hervorragende Material auf: haufenweise Plättchen, dicke Pappe, ganz viel Farbe und gelungene Illustrationen deuten an, wozu Autor, Zeichner und Verlag fähig sind. Schade, dass das durchaus spannende Setting kaum eine Chance findet, sich tatsächlich in dem Spiel wiederzufinden. Die Anleitung krankt ausgerechnet bei der Einleitung: stets steht die Mechanik im Vordergrund – mit dem Thema verwoben wird nichts. Da hilft auch der, zugegebenermaßen ausführliche, historische Anhang auf den letzten Seiten der Regelanleitung wenig: das starke Thema bleibt blass.
Bilder zu Revolution of 1828
Infobox
Spielerzahl: 2
Alter: ab 14 Jahren
Spieldauer: 30 bis 40 Minuten
Schwierigkeit: niedrig
Langzeitmotivation: niedrig
Verlag: Pegasus Spiele
Autor: Stefan Feld
Grafik: Alexander Jung
Erscheinungsjahr: 2019
Sprache: deutsch
Kosten: 25 Euro
Fazit
Einen Vorteil hat die schwache Umsetzung des Themas: Man muss kein Liebhaber historischer Settings sein, um „Revolution of 1828“ zu mögen, denn die Geschichte der USA nach der Amerikanischen Revolution wird bei diesem Brettspiel ohnehin kaum beleuchtet. Das Brettspiel ist abstrakt, in seiner Mechanik auch durch Grundregeln reduziert und alles andere als komplex. Dabei war die Freude auf „Revolution of 1828“ von Stefan Feld groß – immerhin mögen wir einige Brettspiele aus seiner Feder (man denke nur an Carpe Diem oder Aqua Sphere.
Bei dem Brettspiel aus der Kenner-Reihe von Pegasus Spiele hätte der historische Hintergrund ein echter Bonus werden sollen, für uns sogar müssen. Dass ausgerechnet die Geschichte der Geschichte nicht funktioniert, war enttäuschend. Egal, Hauptsache spielerisch kommt Qualität rüber: tatsächlich hat „Revolution of 1828“ einige gute Momente. Man kann seinen Gegner ärgern, sich selbst Vorteile verschaffen, Züge klug vorhersehen. Das Spiel ist interaktiv, niemals auf den eigenen Spielbereich reduziert und daher rein spielerisch solide.
Der Titel richtet sich am Ende an all jene Familienspieler, die in klassischen Duellen bei einem Brettspiel mit gehobenem Anspruch gegeneinander antreten wollen. In dem Bereich funktioniert „Revolution of 1828“ gut. Fans von Spielen von Stefan Feld werden mit dem abstrakten Titel wie immer Spaß haben, alle anderen können mit den rund 30-minütigen Partien zumindest Lücken füllen.
Und nun für alle aufmerksamen Leserinnen und Leser: Das Wort Wahlkampf kam in dem Fazit bisher noch gar nicht vor. Und genau da liegt das größte Problem von „Revolution of 1828“.