Die SPIEL in Essen beginnt: Die Messe ist ein Abschied und Neuanfang zugleich. Das Team des veranstaltenden Friedhelm Merz Verlags geht andere Wege, bricht mit Traditionen – manches ist gelungen, anderes weniger, an vieles muss man sich gewöhnen. Die SPIEL befand sich stets im Wandel, auch die diesjährige Auflage bricht damit nicht.
Gesellschaftsspiele boomen wieder: Nach einer kleinen Verschnaufpause im vergangenen setzen Spiele und Puzzles mit einem aufgelaufenen Plus von zehn Prozent bis Ende August 2023 das seit zehn Jahren anhaltende, überproportional starke Wachstum fort. Treiber sind hier vor allem die Spiele, die um sechs Prozent zulegen konnten, sowie das Segment der Strategic Trading Cards, die vom anhaltenden Pokémon-Trend beflügelt, eine Steigerung von über 45 Prozent gegenüber dem Vorjahr verbuchen. Wichtig: In diesen Zahlen ist der Verkaufserfolg von Ravensburger Disney Lorcana nicht einmal enthalten, denn der Release fiel nicht in das Analysezeitfenster.
Gesellschafts-, Brett- und Kartenspiele sowie Puzzles entpuppen sich damit erneut als Impulsgeber der Spielwarenbranche und als attraktives generationsübergreifendes Freizeitangebot, das nicht nur in den zurückliegenden Krisenjahren für Menschen ein wichtiger Anker war.
Brettspiele erweisen sich nun wieder als beliebter Lückenfüller in der Freizeit, dieses Jahr stehen dabei vor allem Zwei-Spieler-Spiele und Solo-Formate hoch im Kurs; außerdem ist Nachhaltigkeit ein Trend, der verstärkt spürbar wird. Wohl nicht zuletzt, weil umwelt- und klimabewusste Fans in der nachrückenden Generation deutlich mehr auf das Thema drängen.
Die SPIEL im Wandel der Zeit
Bevor der offizielle Startschuss für die SPIEL’23 in Essen am Mittwoch fällt, hatten die Organisatoren zur Pressekonferenz samt anschließender Neuheitenschau eingeladen – an dieser Tradition ändert sich nichts, der Rahmen ist jedoch neu. Vor den Spiele standen Tränen – oder zumindest ein emotionaler Moment. Die langjährige SPIEL-Chefin Dominique Metzler kam zu Wort. Auf der Videowand, denn vor Ort in Essen war sie nicht: „Reisezeit“. Statt sich die Füße in den Messehallen plattzustehen, reist Metzler nach Eintritt in den wohlverdienten Ruhestand im Camper durch die Welt, vor allem durch Europa. Ihren „Mädchentraum“ hatte sie sich als vielbeschäftigte Geschäftsführerin des Friedhelm Merz Verlags nicht erfüllen können. Wer eine weltweit beachtete Messe wie die SPIEL in Essen verantworten muss, hat wenig Zeit. Umso mehr gönnt man ihr den Abschied. Der ist gleichzeitig ein Neustart – und das neue Team um Carol Rapp lässt daran keine Zweifel aufkommen.
Die Pressekonferenz fand an einem neuen Ort statt – inmitten des gläsernen Foyers am Haupteingang zur Messe. Heller, mehr Technik, aber weniger rustikaler Charme. Ähnlich hatte man es mit der Neuheitenschau gehalten, die nun im Saal Essen stattfand: Verwinkelter, deutlich wärmer, enger, lauter, gleichzeitig aber auch umfassender. Knapp über 1.000 der insgesamt 1.745 Neuheiten hatten die Verlage dort präsentiert. Mehr als ein grober Überblick war nicht drin, was unter anderem an den Temperaturen im Ausstellungssaal lag.
Nicht jede Veränderung scheint auf den ersten Blick auch gut zu sein, zumindest eingewöhnen muss man sich. Die andere Möglichkeit: Die Organisatoren haben mögliche Probleme identifiziert und justieren nach für die Messe im kommenden Jahr. Die hat bereits ihren Termin – und auch hier gibt es Neues: vom 3. bis zum 6. Oktober findet die SPIEL’24 in Essen statt. Man nimmt den Feiertag mit, die Herbstferien diesmal jedoch nicht. Aus terminlichen Gründen, wie Carol Rapp, Geschäftsführerin des Friedhelm Merz Verlags, erklärt. Ab 2025 soll die Messe dann allerdings wieder in den Ferien stattfinden.
Das neue Team trimmt die SPIEL auf Effizienz, man geizt nicht mit Superlativen: Die diesjährige Messe ist die größte in der Geschichte der SPIEL. Auf 62.500 Quadratmetern – und damit auf einer rund 25 Prozent größeren Fläche – zeigen die Verlage ihre Neuheiten. 935 Aussteller haben die Organisatoren gezählt, im vergangenen Jahr waren es 880. „Die Hallen sind absolut voll“, freut sich Carol Rapp. Die Zahl der angepeilten 180.000 Besucher hat man längst aufgestockt: Nach dem Vorverkauf habe man eine neue „vorsichtige Schätzung“ abgegeben, meint PR-Mann Robin de Cleur. Beim Friedhelm Merz Verlag rechnet man nun mit etwa 200.000 Besuchern. Die Zahl liegt nah am Rekordjahr 2019.
Wenn sich von Mittwoch bis Sonntag die Türen zu den Messehallen öffnen, dürfte es voll werden in den Gängen. Fans erkunden dann auch erstmals ganz offiziell die angepassten Hallenkonzepte. Beim Friedhelm Merz Verlag wird man gespannt sein auf das Feedback, denn bisher sind die Reaktionen auf die „Themensortierung“ gespalten. Was sich nicht ändern wird: Überall an den Spieltischen und in den Hallen wird man glückliche Gesichter sehen. Eines wird fehlen: das von Dominique Metzler.
Bildergalerie: Neuheitenschau auf der SPIEL’23 in Essen
„Value of Play“: Spielen macht Sinn
Gemeinschaftsgefühls von zentraler Bedeutung ist. 62 % glauben, es trägt zur Persönlichkeitsentwicklung bei und 60 % sind sogar überzeugt, Spielen hilft der Gesundheit und dem Wohlbefinden. Der Faktor Spaß folgt mit 56 % erst auf Platz 4 – eine kleine Überraschung. „Die Branchenbefragung zeigt“, so DVSI-Geschäftsführer Ulrich Brobeil im Vorfeld der weltweit größten Publikumsmesse für Brettspiele SPIEL in Essen (5.-8.10.2023), „dass es eine Kluft gibt zwischen dem, was Spielen an praktischer Relevanz im gesellschaftlichen Alltag besitzt und dem, welchen Stellenwert wir Spielen und Spielwaren im öffentlichen Diskurs einräumen. Der Value of Play wird auch in der Politik oft unterschätzt oder als selbstverständlich angesehen.“
Seit 2014 entwickelte sich der Spielemarkt in Deutschland, aber auch in vielen anderen Ländern, deutlich weiter. Der Umsatz mit Spielen und Puzzles verdoppelte sich fast. Das Angebot an Spielen wurde in diversen Segmenten deutlich erweitert und internationalisiert. Viele Startup-Verlage entstanden, während mit Crowdfunding Plattformen neue Absatzkanäle dazukamen. Aber auch der Onlinemarkt trug zu einer großen Verbreiterung des Marktes bei. Zudem sind Spiele und Puzzles über den Spielwarenhandel hinaus beliebte Artikel im Angebot von Buchhandlungen, Schreibwarengeschäften, aber auch Conceptstores und Museumshops. Selbst in Modehäusern sind sie als Impulsartikel zu finden.
Der klassische Spielwarenhandel setzt ebenfalls verstärkt auf Spiele und Puzzles, die inzwischen dort die stärkste Warengruppe sind. Mit der Initiative „Hoher Spielwert“ haben sich rund 36 Spieleläden mit 48 Spielwarengeschäften zu einem Netzwerk zusammengefunden, um gute Spiele unters Volk zu bringen. Auch klassische Fachhändler erfahren wieder eine höhere Frequenz in den Geschäften und bieten Veranstaltungen vor Ort, um den Kunden Gelegenheiten zum Kennenlernen von Spielen zu bieten. Die Corona-Pandemie nutzten viele stationäre Fachgeschäfte, um ihr Onlineangebot auszubauen, neue Zielgruppen zu erreichen und die Kundenbasis zu verbreitern. Die Lieferketten- und Transportprobleme der letzten Jahre sind weitestgehend gelöst, auch die hohen Rohstoffpreisschwankungen haben sich normalisiert. Die großen Produzenten haben ihre Kapazitäten ausgebaut und in moderne Maschinen investiert. Der Durchschnittspreis für Spiele und Puzzles hat sich in der gleichen Zeit nur leicht erhöht.
Während der Geschäftsschließungen in der Coronazeit erzielte der Onlinehandel große Zuwächse. Aktuell ist der Umsatz bei großen Onlineshops eher rückläufig. Diese Entwicklung spürten zuletzt manche Anbieter. Der zweitgrößte Onlineshop im Kinder- und Spielwarenbereich, myToys, wird zum Jahresende seinen Betrieb einstellen und versuchen, Teile des Geschäftes auf den Mutterkonzern www.otto.de zu lenken. Für eine große Überraschung sorgte die Insolvenz in Eigenverwaltung der HABA FAMILY GROUP, die mit internen Problemen und daraus folgenden Umsatzrückgängen zu kämpfen hatte. Summa summarum ist der Markt für Spiele und Puzzles auf einem stabilen, gesunden Wachstumspfad und in den nächsten Jahren weiterhin von steigendem Interesse. Er profitiert von dem verstärkten Fokus auf Qualität und den veränderten Freizeitinteressen.
Neben dem klassischen Familien- und Kinderspielsegment hat die Anzahl der Gelegenheitsspieler, auch durch positive Erfahrungen in der Corona Zeit, deutlich zugenommen. Während Familien gemeinsam die Zeit verbringen, sind Gelegenheitsspieler verstärkt in Gruppen mit Freunden am Spielen. Dies trifft besonders auf die „Kidults“ zu, die Altersklasse der 14 bis 35-Jährigen. Hier liegen weiterhin Party-Spiele und/oder Krimi- und Rätselspiele im Trend. Hohe Qualitätsansprüche stellt die Gruppe der Brettspiel-Fans, die herausfordernde, taktische oder strategische Spiele mit großer Ausstattung lieben.
Für das jetzt kommende Weihnachtsgeschäft, das im Spielwarenhandel für rund 40 Prozent des Jahresumsatzes sorgt, erwarten die Spielverlage eine positive Entwicklung. „Spiele sind ein ideales Geschenk für alle Generationen und bieten einen hohen Wert für das gemeinsame Miteinander. Gerade wenn die Menschen wieder mehr zu Hause sind, sorgen Spiele und Puzzles für viel Freude “ sagt Hermann Hutter, 1. Vorsitzender des Spieleverlage e.V. und Inhaber des Verlages Huch! & friends. Auch der Handel erwartet eine wieder steigende Kauflust. „Die Löhne sind deutlich gestiegen“, so Hutter weiter, „das dürfte die Verbraucherstimmung aufhellen.“
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