Um den Black Friday herum beginnt für die Einzelhändler die heiße Phase. Dem Start des Weihnachtsgeschäftes fiebert auch die Spielwarenbranche entgehen. Trotz gedämpfter Kauflaune aufgrund der Krisenlage zeigt man sich zuversichtlich beim Handelsverband Spielwaren (BVS). Dennoch: die Rekordphase aufgrund der Corona-Pandemie ist zunächst vorüber.
Krisengebeutelt ist man inzwischen – erst ein Virus, nun ein Krieg samt seiner Folgen. Das aktuelle Jahr hat neben den coronabedingten Herausforderungen auch mit einer hohen Inflation zu kämpfen. Das hat auch Auswirkungen auf die Spielwarenbranche in Deutschland.
„Der Markt hat sich im Zeitraum von Januar bis Oktober mit minus 5 Prozent rückläufig im Vergleich zum Vorjahr entwickelt“, resümiert der Spielwarenverband.
Sseit Mitte des Jahres registriert man diesen Negativtrend über alle Vertriebskanäle hinweg. „Nur der Bereich der Generalists & Specialists weist, bedingt durch den starken Jahresauftakt, noch ein positives aufgelaufenes Ergebnis von +10 Prozent auf“, so der BVS. Die Zahlen müssen allerdings im Zusammenhang mit der starken Entwicklung der Spielware während der Hochphase der Corona-Pandemie gesehen werden. Die Branche hatte enorm hohe Umsatzzuwächse generiert.
Dadurch liegt der aufgelaufene Umsatz trotz der aktuellen Abkühlung noch zwölf Prozent über dem Ergebnis des Jahres 2019.
Spielwaren: Preise steigen deutlich
Spielwaren bleiben von Preisanhebungen nicht verschont, immerhin schlagen die Kosten nicht so drastisch zu wie in anderen Lebensbereichen. Dennoch steigen zum Teil auch die Preise in der Spielwarenbranche. Seit Januar um durchschnittlich 13,07 Euro, wie der Handelsverband bemerkt. „Das entspricht einer Steigerung von 3,8 Prozent und liegt deutlich unter der Entwicklung vieler anderer Bereiche“.
Lizenzen bleiben auf hohem Niveau gefragt. Ein Blick auf die reinen Lizenzumsätze der Hersteller zeigt, dass die Firmen Lego, Tonies, Simba Dickie, Hasbro und Mattel das Top-5-Ranking belegen und gemeinsam für fast 60 Prozent der Lizenzumsätze stehen.
„Wir rechnen auch im laufenden Weihnachtsgeschäft mit einer verstärkten Nachfrage nach den Produkten rund um die beliebten Charaktere aus Serien, Film und Buch“, so der BVS.
Mit einem Wachstum von plus sechs Prozent (Jan-Okt 22) entwickelt sich der Lizenzmarkt stark. Dadurch hat sich der Lizenzanteil in Deutschland auf 26 Prozent vergrößert.
Die Top-5 der am stärksten wachsenden Lizenzen sind die Themen Star Wars, Jurassic World, Minecraft, Batman und Harry Potter. Gemeinsam stehen sie für über 29 Millionen Euro zusätzlichen Lizenzumsatz. Mit Spidey und seine Super Freunde und Asterix konnten auch neue Themen aus dem Stand heraus jeweils mehr als 2 Millionen Euro Umsatz generieren.
Funko-Figuren immer gefragter
Mit einem Marktanteil von 19 Prozent ist laut BVS die Kategorie Building Sets die mit Abstand größte Warengruppe im bisherigen Jahresverlauf und kann sogar nochmals um fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr zulegen. Lego ist hier der unangefochtene Marktführer und kann seine Umsätze um weitere sechs Prozent steigern. Dabei sind es vor allem Themen wie Star Wars, Lego Technic, Minecraft oder Creator Expert mit dem größten Umsatzwachstum. Aber auch kleinere Anbieter wie Cobi mit Ihren ikonischen Modellen des Trabant 601 oder dem Opel Rekord C gewinnen hier Marktanteile.
Das zweitgrößte Umsatzwachstum kommt aus der kleineren Kategorie Plüsch. Mit über zehn Prozent Zugewinn deckt der Bereich viele tolle Themen ab. Die knuddeligen Squishmallows und Cocomelon von Jazwares, der magische Zauberkessel der Magic Mixies von Moose oder die Star Wars und Fantastic Beasts Plüschies sind nur einige Beispiele für die zahlreichenden Trends der Kategorie. Aber auch klassische Plüschartikel von Hermann Spielwaren verzeichnen eine starke Nachfrage und bescheren dem Hersteller eine Steigerung von 28 Prozent.
Ein Trend von plus 15 Prozent zum Vorjahr verhilft der Kategorie „Action Figures“ zum dritten Platz im Ranking der am stärksten wachsenden Segmente. Vor allem die kultigen Figuren von Funko zu den Lizenzen Star Wars, Marvel Universe, Pokemon oder Harry Potter finden immer mehr Fans in Deutschland und damit Einzug in die Kinderzimmer. Auch die Figuren zu der Serie Heroes of Goo Jit Zu von Moose sind bei den Kids sehr nachgefragt. Beide Firmen zusammen stehen im Bereich der Action Figures für über 50 Prozent des Kategoriewachstums.
Einen weiteren Umsatzschub verzeichnet der Bereich Youth Electronics. Mit Robo Alive von Zuru und Little Live von Moose konnten beide Themen zusätzliche Käufer gewinnen und unserer kleinsten Kategorie ein Plus von neun Prozent bescheren.
Rückgänge muss unter anderem die Kategorie Outdoor und Sports verzeichnen. Der Bereich hat durch die Kontaktbeschränkungen der letzten Jahre einen starken Zuwachs gehabt und ist jetzt wieder auf das Niveau vor Corona zurückgegangen.
Spielwaren: Handel hofft auf Weihnachten
Die Spielwaren-Branche geht trotz gedämpfter Kauflaune zuversichtlich in das Weihnachtsgeschäft. „Auch in diesem Jahr möchte niemand auf strahlende Kinderaugen verzichten. Die vergangenen Krisen haben es gezeigt: Eltern und Großeltern geben ihren letzten Euro für die Kleinsten aus“, so Steffen Kahnt, Geschäftsführer des Handelsverband Spielwaren (BVS). Noch im Vorjahr konnten die Menschen nicht verreisen und haben sich für die Beschäftigung zuhause überdurchschnittlich mit Brettspielen, Puzzles & Co. ausgestattet. Nach den entsprechend überdurchschnittlichen Wachstumsraten der beiden Corona-Jahre kommt der Spielwarenmarkt jetzt wieder in der Normalität an. So rechnet der BVS über alle Vertriebswege mit einem Umsatzrückgang von ca. 5 Prozent. Damit würde der Inlandsmarkt auf 4,7 Mrd. Euro in 2022 (2021: 4,9 Mrd. Euro, zu Endverbraucherpreisen, Basis: consumer panel npdgroup deutschland) schrumpfen.
Ob Einkaufserlebnis oder perfekte Beratung – die Konsumenten konnten es kaum erwarten, Spielwaren wieder vor Ort einzukaufen. Kahnt: „In diesem Jahr feierten die Spielwarengeschäfte ihr Comeback. Nach den bitteren Zwangsschließungen im Vorjahr freuen sich viele Händler über gut zweistellige Wachstumsraten.“ Auch die Liefersituation hat sich im Vergleich zum Vorjahr deutlich entspannt. „Dennoch sollte keiner bis zum Schluss mit dem Spielzeugkauf warten, denn immer wieder sind einzelne Spielzeuge kurz vor Weihnachten ausverkauft“, so Kahnt.
Trotz aller Zuversicht der Händler hat sich ihre wirtschaftliche Situation zuletzt weiter zugespitzt. BVS-Vorsitzender Rainer Wiedmann: „Wir Unternehmer werden aktuell aus drei Richtungen in die Zange genommen. Die Handelsspannen schmelzen, die Energiekosten explodieren und gute Mitarbeiter sind knapp und kaum noch zu bezahlen.“ Wiedmann appelliert vor allem an die Politik, den Mittelstand endlich spürbar zu entlasten.
Zukunftssorgen plagen Spielwarenbranche
„Zeitenwende“ und die Umbruchphase der deutschen Wirtschaft sind in der Spielwarenbranche angekommen. Nach den Boomjahren 2020 und 2021 trübt sich die Stimmung auch der im DVSI organisierten Spielwarenhersteller angesichts der großen Unsicherheit ein, ob die alte Trias aus Wirtschaft, Wohlstand und Wachstum noch zukünftig das Geschäftsmodell Deutschland trägt. Hohe Energiepreise sowie die Kaufkrafterosion bei den privaten Haushalten und drohende Knappheiten bei Vorprodukten, Rohstoffen und beim „Human Capital“ tun ein Übriges, die Branche nachdenklich zu stimmen. Dennoch und trotz aller Krisen: Unvermindert hoch bleibt das Interesse der Verbraucher an Spielwaren, die sehr klare Vorstellungen davon haben, was auf den Gabentisch kommen darf oder eher muss. Und China ist nicht mehr das „Klondike“ der vergangenen Jahrzehnte. Das sind zentrale Ergebnisse des diesjährigen DVSI INDEX mit dem Themenspecial „Beginnt eine Ära der Knappheiten?“ sowie der exklusiven DVSI-Endverbraucherstudie durch YouGov.
Auch Bazooka, Wumms, Doppel-Wumms und ein 200 Milliarden Euro schweres Entlastungspaket konnten es am Ende nicht mehr richten. Die „Multikrisen“ haben auch bei der erfolgsverwöhnten Spielwarenbranche, die 2020 ein Plus von 11,1 Prozent und 2021 von 4,4 Prozent erzielen konnte, mentale Kratzer hinterlassen, sodass von der guten Stimmung der vergangenen Jahre relativ wenig geblieben ist.
Nur noch 33 Prozent der Befragten gaben die Lage ihres Unternehmens als gut oder sehr gut an (2021: 62 Prozent), während 30 Prozent die Situation nur als ausreichend oder gar ungenügend sehen. Sorgen bereitet den DVSI- Mitgliedern vor allem die höheren Kosten für Energie (96 Prozent) sowie Rohstoffe und Vorleistungen (93 Prozent), aber auch Lieferketten- und Logistikprobleme (64 Prozent) sowie das eingetrübte Konsumklima (57 Prozent). Ebenfalls mit Skepsis blicken die Hersteller in das kommende Jahr. Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Russlands Krieg gegen die Ukraine hat nach wie vor massive Auswirkungen auf die Weltwirtschaft.
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Die Eintrübung der Stimmung überrascht nicht. 50 Prozent der Wirtschaft ist bekanntlich Psychologie. Die Prognosen der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute, die seit Monaten ihre Daten nach unten korrigieren und Deutschland bereits in eine Rezession schlittern sehen, sowie die Eintrübung des Konsumklimas gehen eben auch nicht spurlos an einer insgesamt krisenfesten Branche vorbei. Aber keine Regel ohne Ausnahme. Ein leichtes Umsatzplus erwarten in diesem Jahr einige große Hersteller, ohne allerdings an die vorherigen starken Jahre anknüpfen zu können. Dabei dürfte die Marke“ vermutlich eine wichtige Rolle spielen. 30 Prozent der repräsentativ befragten Käufer gaben in der DVSI-Endverbraucherstudie durch YouGov an, häufig bis sehr häufig bei ihren Einkäufen auf Marken zu achten und 42 Prozent tun dies zumindest teilweise. Hersteller mit starker Marke am Point-of-Sale dürften also einen gewissen Vorteil in der Gunst der Verbraucher genießen.
Lust am Spielen weiterhin vorhanden
Überhaupt scheint den Deutschen die Lust am Spielen nicht abhandengekommen zu sein. 43 Prozent aller Befragten haben in den letzten 12 Monaten Spielwaren gekauft, entweder für sich selbst oder als Geschenk. Und sie haben klare Vorstellungen davon, was Spielwaren mitbringen müssen, um bei ihnen punkten zu können. Erlebten in den Pandemie-Jahren 2020 und 2021 Spielwaren mit eingebauten „Lernfaktor“ eine rege Nachfrage, so steht wieder das „reine Spielen“ und der Spaßfaktor (50 Prozent) im Fokus. Immerhin, Spielwaren, die einen „Lernen & Wissen“- Aspekt bieten, liegen weiterhin im Trend (31 Prozent).
50 Prozent seiner Werbung sei hinausgeworfenes Geld, er wisse nur nicht, welche 50 Prozent, soll der legendäre Automobilpionier Henry Ford gesagt haben. Wasser auf seine Mühlen liefert die DVSI- Endverbraucherstudie. Die Käufer von Spielwaren lassen sich weniger von Best- seller- und Trendlisten, Werbung oder Auszeichnungen inspirieren, sondern von persönlichem „Empfehlungsmarketing“.
Sie orientieren sich in erster Linie an Hin- weisen und Wünschen von Beschenkten (58 Prozent), Eltern bzw. Erziehungsberechtigten (45 Prozent) oder an den Empfehlungen von Freunden und Bekannten (40 Prozent). Überhaupt überlassen sie wenig dem Zufall. 64 Prozent der Befragten setzen sich im Vorfeld ein gewisses Budget oder definieren für sich Höchstpreise. Konsequent sind sie auch bei der Erarbeitung von „To-Do-Listen“ für Verwandte, seien es Angehörige wie Großeltern, Tanten oder Onkel, die sich immer häufiger an Vorgaben von Eltern halten müssen, damit sie das „richtige“ Spielzeug (47 Prozent) kaufen. Darin dürfte sich ein schleichender gesellschaftlicher Wandel widerspiegeln: Je weniger Kinder eine Gesellschaft aufweist, umso stärker richtet sich die Aufmerksamkeit auf die Wenigen, um stets das „Richtige“ zu tun.
Die aktuelle Situation bei den Spielwarenherstellern schlägt auch auf die Verbraucher durch. Um die aktuellen Herausforderungen zu meistern, setzen die befragten Unternehmen auf ein Bündel von Maßnahmen. Dazu zählen Preiserhöhungen, Ausbau der Lagerkapazitäten, aber auch Maßnahmen zur Optimierung von Lieferketten und Zuliefererbeziehungen. Vor dem Hintergrund der anhaltenden Krisen blickt die Branche skeptisch auf das kommende Weihnachtsgeschäft und das Jahr 2023. „Die Sorgen sind durchaus berechtigt“, sagt DVSI- Geschäftsführer Ulrich Brobeil, „aber ich bin der Überzeugung, dass nach wie vor die Maxime ‚Am Kind wird zuletzt gespart‘ gilt. Vielleicht werden die Spielwaren- Ausgaben in diesem Jahr verständlicher- weise preislich limitiert, aber Spielen als Wert an sich hat auch in dieser Zeit nichts an Relevanz verloren.“
Die „Multikrisen“ haben aber nicht nur zu einer Stimmungseintrübung in der Branche, sondern auch zu einer Neubewertung der Beziehungen zu China geführt. 42 Prozent der Befragten wünschen sich eine Überarbeitung der China-Strategie. 55 Prozent gar eine Reduzierung von Abhängigkeiten bei bestimmten Gütern. Auch die „geopolitische Zeiten- wende“ schlägt in der Spielwarenbranche durch, denn 46 Prozent der befragten Unter- nehmen gaben an, dass eine Rückkehr zur „alten Normalität“ eher nicht möglich ist, weitere 24 Prozent zeigen sich überzeugt, dass es kein Zurück mehr gibt.
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