Ist E-Sport Sport? Die Diskussion über diese Frage wird vehement geführt. E-Sport-Teams, Event-Organisatoren und neuerdings auch der E-Sport Bund sprechen sich dafür aus, digitalen und klassischen Sport gleich zu behandeln und damit den Schritt in die Neuzeit zu wagen. Die Bundesregierung, vor allem aber der Deutsche Olympische Sportbund bleiben bei der antiquierten Definition des Sportbegriffs. Dabei scheint es doch nur eine Frage der zeit zu sein, bis endlich entschieden wird, was entschieden werden muss: E-Sport ist Sport. – Ein Kommentar von André Volkmann
E-Sportler: Physisch und psychisch enorm gefordert
Wie so oft – und das vereint E-Sport und Sport – geht es in den Debatten nicht um Erfolge, nicht um die Zuschauer, erst recht nicht um die Sportler: Finanzielle Regelungen, insbesondere die der Steuererleichterungen stehen im Mittelpunkt. Fair ist das nicht, weil auch E-Sportler und ihre Vereine – wenn es sie denn tatsächlich gäbe – jene besondere Förderung verdient hätten, die selbst dem kleinsten Dorf-Fußballverein zugute kommt.
Wenn E-Sportler heutzutage erfolgreich sind, dann liegt das an der Unterstützung aus ihrem professionellen Umfeld, das mehr Unternehmen als Verein ist. E-Sport ist gewinnorientiert, knallhart – wie die Fußballbundesliga. Dass sich ausgerechnet deren Vereine, darunter zumeist Traditionsklubs, talentierte Digital-Sportler schnappen ist wenig überraschend. Längst hat man dort erkannt, dass man aus dem E-Sport-Segment weitaus mehr herauszuholen kann, als man derzeit tut. Es geht um Umsätze. Solange das so ist, wird E-Sport es schwer haben als Sport anerkannt zu werden.
An der Leistung der Sportler liegt es jedenfalls nicht. Würde die Diskussion auf dieser Ebene geführt, wäre sie schnell erledigt: Innerhalb von Millisekunden müssen E-Sportler Entscheidungen treffen, diese auf dem Bildschirm umsetzen und dazu mehrere Hundert Bewegungen an Maus, Tastatur und Controller vollführen. E-Sport ist im Profi-Segment fordernd, anstrengend – in großen Matches sogar erschöpfend. Gemessen am Stresslevel der Protagonisten ist E-Sport Profi-Sport.
Genau das liegt jedoch das Problem: der Nachwuchsbereich ist kaum vorhanden und wo er es doch ist, wird er kaum wahrgenommen. Ein bisschen in der Freizeit klicken, vielleicht gemeinsam und organisiert mit anderen zusammen? Das gibt es nur durch Eigeninitiative und Eigenfinanzierung. Ein bisschen in der Freizeit kicken, vielleicht gemeinsam und organisiert mit anderen zusammen? Das gibt es fast überall zu guten Konditionen – nennt sich dann Fußballverein – und ist meistens weitaus weniger gut organisiert als die durchschnittliche Fortnite-Crew, die in Opas Partykeller trainiert.
Ohnehin ist der Zeitaufwand sogar für Hobby-E-Sportler hoch – höher als für jeden Nachwuchs-Sportler, der zweimal pro Woche trainiert und am Wochenende auf dem Platz steht. Viele Stunden verbringen Fans vor ihren Bildschirmen. Profis noch mehr, aber das ist schließlich auch ihr Job, für den sie, gemessen an ihrem Alter, in der Regel gut bezahlt werden. Acht bis zehn Stunden Training pro Tag sind bei E-Sport-Profis keine Seltenheit. Dabei geht es nicht nur ums „Zocken“, sondern um Fitnesstraining, Entspannungsübungen, Taktikschulungen oder Teambesprechungen. Der Unterschied zu einem Profi des klassischen Sports? Nicht vorhanden.
Illusionen sollten Gamer sich nicht machen: Den Sprung vom Hobby in den Profi-Bereich schaffen auch im E-Sport nur die wenigsten. Nicht zuletzt, weil tatsächliche Talentförderungen auf einer gemeinnützig organisierten Ebene fehlen.
Die E-Sport-Diskussion wird auf der falschen Ebene geführt
Wenn es nicht die Leistungen der E-Sportler sind und auch der Wunsch der Fans kaum zählt: Woran liegt es dann, dass sich der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) nicht dazu durchringen kann, E-Sport als Sport anzuerkennen?
Vermutlich spielt das Stigma der Videospieler dabei eine große Rolle: Der durchschnittliche Gamer ist dick, faul und ziemlich dämlich. Und so einer wird sich kaum offiziell Weltmeister in Irgendwas nennen dürfen – und an olympischen Wettbewerben teilnehmen schon gar nicht. Nun könnte man sich statt auf gesellschaftliche oder tugendhafte Diskussionen auch den Rechtsbegriff „Sport“ beschränken. Und steht vor einem Problem: Weil man sich beim E-Sport nicht bewegt, kann es sich nicht um Sport handeln: das ist – simpel formuliert – das Ergebnis des Gutachtens, das der DOSB in Auftrag gegeben hat und das Mitte des Jahres 2019 veröffentlicht worden ist.
Den Schachspieler, der sich 300 Mal pro Minuten komplexe Fingerübungen abnötigt, den möchte man vor diesem Hintergrund nur allzu gerne sehen. Was Sport ist, nämlich Bewegung, hat man dann schnell definiert. Was Bewegung ist – und wie sich diese unter modernen Gesichtspunkten definieren lässt – wird der Einfachheit halber ignoriert.
In einigen Punkten führt man die Diskussion dann in entgegengesetzter Richtung: Selbstverständlich kann E-Sport dem Sportbegriff dann nicht standhalten, wenn es um die Einhaltung der gemeinnützigen Strukturen geht. Bezahlte Sportler, die an Veranstaltungen teilnehmen, schaden der Gemeinnützigkeit (Fußball als beliebten und Lizenzgebühren bringenden „Volkssport“ muss man aus der Diskussion an dieser Stelle wieder ausklammern – über Fußball diskutiert man schließlich nicht!).
Weil der Sektor der Gemeinnützigkeit im E-Sport mangels guter Rahmenbedingungen aber nicht existent ist, verliert sich das Argument in einer Rückwärtsbegründung. Dass der organisatorische Rahmen (E-Sport) und die Spielerhandlung (Gaming) zwei völlig unterschiedliche Faktoren sein können, darauf geht das Gutachten gar nicht erst ein – stattdessen wird fleißig am Stigma gearbeitet. Nicht, dass jemand auf die Idee kommen könnte, dass eben nicht alle Gamer internet- oder spielsüchtig wären.
E-Sportler sind auf gute Rahmenbedingungen angewiesen
Nun könnte man die Diskussion einfach „ad acta“ legen und losspielen – gern auch auf großen Turnieren. Genau das wird nämlich derzeit gemacht und es funktioniert – zumindest noch. Je populärer der Sektor wird – er wächst seit Jahren – desto höher werden auch die sozialpolitischen Anforderungen. Weil sich Saisons teilweise über Monate hinwegziehen, ausländische E-Sportler für Deutschland aber nur zeitlich eng begrenzte Visa bekommen, ist schon die Teilnahme an den Wettkämpfen bisweilen ein enormer Akt der Verwaltung – ein Verwaltungsakt ist es ohnehin. Dieses Ungleichgewicht zum „klassischen Profi-Sport“ ist ein Unding im modernen Internet- und Informationszeitalter – und schon gegenüber den hart trainierenden Digital-Athleten nicht fair.
Der Politik zugute halten muss man immerhin, dass sie in kleinen Schritten auf die E-Sportler zugeht – die Erteilung eines Visums ist einer jener Schritte. Die Erkenntnis dafür, dass E-Sport ein anerkennungswürdiger Nicht-Sport ist, ist zumindest vorhanden.
Was man damit langfristig anrichtet, ist politischen Vertretern und dem Deutschen Olympischen Sportbund offensichtlich nicht bewusst: man trägt ein Hobby auf eine rein wirtschaftliche, durch Unternehmen gesteuerte Ebene. Was beim Fußballsport viele Fans und sogar Vereinsvertreter anprangern, nämlich das Vorantreiben der Kommerzialisierung, scheint beim E-Sport niemanden zu kümmern. Selbstverständlich ist es gut, wenn namhafte Vereine Teams aufbauen, Talente fördern und Weltmeister hervorbringen – doch sie wollen auch Geld drucken.
Genau davon muss der E-Sport aber wegkommen, jetzt erst recht: Vereinsstrukturen auf niedrigster Ebene, verankert in der Mitte der Gesellschaft, mit Förderungsmöglichkeiten gemeinnütziger Vereine – darin liegt die Zukunft des Digital-Sports. Und damit für junge Nachwuchs-Nicht-Sportlerinnen- und Sportler überhaupt ein für sie motivierender, zeitgemäßer Zugang zur stetig sterbenden Vereinslandschaft.
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