Dass die Gamescom 2016 nicht nur für Fans von Computerspielen einen Besuch wert ist, zeigen die Spielangebote abseits der knallharten Shooter und Action-Games, die oftmals die größte Aufmerksamkeit der Massen bekommen. Neben analogen Spielen wie dem Klassiker Monopoly am Stand von Winning Moves oder dem Final Fantasy TCG bei Square Enix, waren es vor allem die digitalen Kartenspiele, die uns begeistern konnten.
Nicht nur bereits etablierte Titel wie Blizzards Hearthstone konnten Spielefans aus aller Welt ausprobieren, auch Neuerscheinungen wie das strategische Kartenspiel The Elder Scrolls: Legends von Bethesda oder die Neuentwicklung Deckbound: Heroes warteten darauf, ausgiebig getestet zu werden. Wir stellen euch unsere Erfahrungen mit den drei genannten Titeln im folgenden Beitrag vor.
Hearthstone: Partytime in Karazhan
Hearthstone – Heroes of Warcraft ist so etwas wie der „Big Fish“ unter den digitalen Multiplayer-Kartenspielen. Die Präsenz der kalifornischen Entwickler auf der Gamescom 2016 ist bombastisch. Von Blizzard Entertainment ist man eigentlich nichts anderes gewohnt, dennoch sorgt der diesjährige Auftritt für staunende Ausdrücke in den Gesichtern der Gamescom-Besucher. Halle 7 ist fest in der Hand von Spielen wie World of Warcraft: Legion, Overwtach, Starcraft II, Diablo 3, Heroes of The Storm und eben auch Hearthstone. Das Online-Sammelkartenspiel begeistert bereits seit März 2014 Millionen von Spielern weltweit und gilt als Spitzenreiter unter den kompetitiven Online-Kartenspielen. Kein Wunder, denn der Einstieg ist Dank einer seichten Lernkurve nicht nur vergleichsweise einfach, sondern auch völlig kostenlos. Obwohl in den offiziellen Foren oft darüber gestritten wird, ob Hearthstone mit seinem Micro-Payment-System nun ein Pay-2-Win-Titel sei, kann rein objektiv betrachtet, jeder Spielinhalt mit der nötigen Geduld ohne den Einsatz von Echtgeld erspielt werden. In Hearthstone lassen die Entwickler ihre Erfahrungen im Design von Multiplayer-Spielsystemen einfließen. Hearthstone spielt sich einsteigerfreundlich und fordernd zugleich. Letzteres ist insbesondere für das E-Sport-Segment von entscheidender Bedeutung.
Wer es bisher noch nicht getan hat, konnte auf der Gamescom in Köln das brandneue Hearthstone-Abenteuer Eine Nacht in Karazhan testen. Mit dieser Erweiterung bringt Blizzard eine der beliebtesten Instanzen aus der World of Warcraft auf das Kartenspielbrett – in einer, vorsichtig ausgedrückt, alternativen Variante.
Wer eine magische Nacht in Medivhs Partykeller verbringen möchte, muss zunächst alle neun Helden freigeschaltet haben, damit das Tor von Karazhan sich öffnet. Ohne das volle Heldenkontingent scheitert ihr bereits am Türsteher. Inhaltlich zieht Blizzard Eine Nacht in Karazhan ähnlich auf, wie die vorhergehenden Erweiterungen. Neben einem neuen Spielbrett mit einigen unterhaltsamen Spielereien, wenn es mal wieder länger dauert, erhaltet ihr im Laufe des episodisch freigeschalteten Abenteuers völlig neue Karten – darunter auch einige legendäre wie etwa dem Butler Moroes. Das Abenteuer besteht aus vier Episoden sowie einer Einführungsmission, die allen aktiven Hearthstone-Spielern kostenlos zur Verfügung steht. Die weiteren Episoden müssen per Echtgeldeinsatz für jeweils 5,99 Euro oder als Komplettpaket für 17,99 Euro freigeschaltet werden. Alternativ könnt ihr natürlich auch eure gesammelten Münzen einsetzen. Dann kosten die Episoden jeweils 700 Gold. Völlig neue Spielmechaniken wie bei den echten Erweiterungen erwarten euch in den Abenteuern nicht, dafür warten jedoch einige der insgesamt 45 neuen Karten mit angepassten Mechaniken auf. Wiederbeleben steht Priester so beispielsweise als Kampfschrei zur Verfügung und mit Portalkarten beamt ihr zusätzlich Kreaturen aus anderen Welten auf das Spielbrett. Dadurch ergeben sich neue Synergien, aus denen bastelfreudige Kartenspieler erfolgreiche Deckstrategien entwickeln, die Dank der einschlägigen Internetdatenbanken tausendfach von Spielern kopiert und manchmal sogar weiterentwickelt werden. Hearthstone – Heroes of Warcraft erfindet das Rad mit dem Abenteuer Eine Nacht in Karazhan nicht neu, bewegt sich spielerische aber auf einem ähnlich hohen Niveau wie die vorherigen Spielinhalte. Also feiert doch einfach mit der Schickeria von Azeroth!
Fans haben sich eine Umsetzung des Kartenspiels Gwent als Stand-Alone-Version schon lange gewünscht. Jetzt endlich ist es soweit, und die Entwicklung von Gwent – The Witcher Card Game biegt auf die Zielgerade ein. Die geschlossene Betaphase des digitalen Kartenspiels beginnt für PC-
Deckbound: Heroes
Ein Newcomer unter den strategischen Online-Sammelkartenspielen ist Deckbound: Heroes von den gleichnamigen Entwicklern der Deckbound LLC. Insgesamt entwickelt Deckbound derzeit offiziell zwei Spiele: das Kartenspiel Deckbound: Heroes sowie den Dungeon-Crawler Deckbound: Quest. Ein dritter Titel befindet sich ebenfalls in den Anfängen der Entwicklung.
Zu Deckbound: Heroes ist die Open Beta für September angekündigt. Innovativ an Deckbound: Heroes ist das Kartensystem, das auf weiterentwickelbare Karten setzt und die Spieler somit eng an die Spielinhalte binden soll. Dank eines Pools kostenloser Karten, die sogenannten Nomad Cards, können interessierte Spieler im Rahmen eines Free-2-Play-Systems in das Online-Kartenspiel Deckbound: Heroes reinschnuppern und erste Erfolge feiern. Auch diese Nomad Cards können gelevelt werden und dienen zum Freischalten weiterer Spielinhalte.
Zusätzlich können Karten gehandelt oder gekauft werden, um das persönliche Kartendeck zu erweitern. Der Clou am Spielsystem von Deckbound: Sämtliche Karten werden für alle Deckbound-Spiele genutzt und sind damit eher mit eurem Spielerprofil als mit einem bestimmten Spiel verknüpft. Optisch entfaltet das Kartenspiel einen gewissen nostalgischen Charme. Mit überladenen Zaubereffekten und sensationellen 3D-Models arbeiten die Entwickler nicht. Im Fokus stehen die Gameplay-Elemente und die Entwicklung erfolgreicher Deckstrategien, um sich im Spiel weiterzuentwickeln. Sämtliche Kartenentwicklungen werden dabei direkt mit Bitcoin-Transaktionen verknüpft, was den Deckbound-Spielen ein derzeit einzigartiges Spielsystem verleiht. Durch die Zuordnung einzigartiger IDs können Karten nicht nur innerhalb eines Accounts verwendet werden, sondern auch mit anderen Spielern gehandelt oder sogar für völlig andere Spielkonzepte aus dem Deckbound-Universum genutzt werden. Hinter dieser Idee der „Begründung von Karten“ steckt ein theoretisches Konzept, das man im Laufe der Betaphase weiter entschlüsseln kann. Deckbound: Heroes klingt jedenfalls innovativ und spannend genug, um sich auf viele Spielrunden einzulassen.
The Elder Scrolls: Legends
Zu Beginn der Quake Con 2016 verkündete Bethesda den Start der Open Beta des Online-Kartenspiels The Elder Scolls: Legends das von Dire Wolf Digital entwickelt wird. Selbstverständlich konnten Besucher der Gamescom das digitale Kartenspiel auch in Köln ausprobieren. The Elder Scrolls: Legends ähnelt dem Prinzip, das Kartenspieler bereits aus dem Konkurrenztitel Hearthstone kennen. Zwei Spieler duellieren sich in einer virtuellen Kartenspiel-Arena. Jede Seite des Spielfelds ist jedoch, anders als etwa bei Hearthstone, in zwei Kampfbereiche unterteilt – es sei denn die Regeln während einer Partie besagen etwas anderes. Jeder der Kampfbereiche kann dabei völlig unterschiedliche Boni gewähren, etwa Karten mit Buffs versorgen oder Kreaturen im Stealth starten lassen. Ein Detail, das man geschickt für taktische Spielzüge nutzen kann. Ziel ist es mithilfe von Kreaturen, Zaubern und Fähigkeiten, die Lebenspunkte des Gegners auf Null zu bringen. Bei der Auswahl seiner Starthand darf man, wie bereits seit Magic – The Gathering gewohnt, unpassende Karten ersetzen. Das „Magicka-Konzept“ entspricht hast 1-zu-1 dem von Hearthstone: mit jeder Spielrunde steigt die einsetzbare Magicka und ermöglicht das Ausspielen stärkerer Karten oder eben einer größeren Anzahl, je nach Deckstrategie. Bei dem Punkt des Ressourcensystems hat The Elder Scrolls: Legends seiner Konkurrenz jedoch einige strategische Details voraus. Wirken die Klassen bei Hearthstone nur rudimentär auf die Anzahl der Manapunkte ein, stellt das Magicka-Management bei TES: Legends einen bedeutenderen Faktor dar, der mitunter an die Präsenz einzelner ausgespielter Karten geknüpft wird. So gewähren einige Kreaturen zusätzlich Magicka, solange sie auf dem Spielfeld liegen oder Erhöhen den Vorrat gleich permanent. Dadurch ergeben sich auf der Ebene des Ressourcenmanagement einige clevere taktische Kniffe, die Spaß bringen. Auch bei TES: Legends liegt der Fokus auf spannenden kompetitiven Multiplayer-Matches, obgleich Dire Wolf Digital dem Kartenspiel einen launigen Einzelspielerpart gewidmet hat. Während der Kampagne wird eine fortschreitende Geschichte erzählt, in deren Verlauf man neben einzelnen Karten auch Gold für Kartenpacks und ganze Startersets erspielt. In Szene gesetzt wird die Geschichte durch animierte Erzählfetzen, die toll vertont sind und sich optisch perfekt in das Elder Scrolls Universum einfügen.
Rein taktisch kann man auf bewährte, aber spaßige Mechanismen zurückgreifen. Buffen und Debuffen gehören ebenso zum Standardrepertoire des Multiplayer-Kartenspiels The Elder Scrolls: Legends wie Wächter, die Angriffe auf sich ziehen oder vernichtende Zauber, die ganze Spielbretter von niedrigstufigen Kreaturen befreien. TES: Legends ist damit bezüglich der Deckbaumöglichkeiten ähnlich komplex wie Hearthstone. Ein gelungenes Feature sind zudem die Runen, die an die Lebenspunkte der Spieler geknüpft sind. Alle fünf Lebenspunkte verliert man eine Rune und zieht bei deren Verlust eine Karte und bekommt die Möglichkeit Prophezeiungen kostenlos zu spielen. Ein nettes Element, wenn man als risikofreudiger Spieler dieses Mechanik zu seinen Gunsten ausnutzen möchte. Wer digitale Sammel-Kartenspiele mag, der sollte sich TES: Legends auf jeden Fall anschauen und selbst entscheiden, ob der Titel eine Konkurrenz für den amtierenden Genre-König Hearthstone ist oder vielleicht sogar mehr Spaß macht. Fans der Elder Scrolls Spiele werden das Game jedenfalls lieben – sofern sie gern Kartenspiele spielen.
oller Kartenspiel-Trend
Online Sammel-Kartenspielen sind nicht nur trendig, sondern machen Spaß. Dank der Free-2-Play-Konzepte kann man nahezu jedes digitale Kartenspiel kostenlos ausprobieren und bei Bedarf auch kostenfrei weiterspielen – sofern man genügend Geduld aufbringt, um auch teure Inhalte mittels in-Game Währung freizuschalten. Liebhaber eines Titels werden ohnehin Echtgeld einsetzen, was in Anbetracht der Entwicklungskosten eines Gamestudios auch nur fair ist. Wer oben mitspielen will, kommt ohne den Einsatz von echtem Geld nicht weit, zumindest nicht kurzfristig. Mittlerweile kommt es nicht mehr darauf an, ob analog oder digital gespielt wird: Hauptsache man spielt gemeinsam mit- beziehungsweise gegeneinander.
Online Multiplayer-Kartenspiele machen aus dem Trendthema Kartenspiel ein weltumspannendes Phänomen, das sich gleichzeitig positiv auf den Bereich der analogen Gesellschaftsspiele ausweitet (man denke nur an das Final Fantasy TCG). Ohnehin sind die Mechanismen oft für beide Spieluniversen geschaffen. Das hat das Kartenspiel Gwent – The Witcher Card Game eindrucksvoll gezeigt, das sich in beiden Varianten großer Beliebtheit erfreut. Hearthstone machte es andersherum und entwickelte sich eher aus dem World of Warcraft TCG. Die Grenzen zwischen analogen und digitalen Spielsysteme verschwimmen zusehends und das ist vor allem für Gelegenheitsspieler gut, die in viele Spiele reinschnuppern möchten. Und wenn nur ein Bruchteil der Online Card Gamer sich für analoge Kartenspiele begeistern kann, haben am Ende alle gewonnen.