Julien Bam, Gronkh, Le Floid und Dagi Bee haben trotz unterschiedlichen Inhalten zwei Dinge gemeinsam: Sie gehören zu den erfolgreichsten Youtubern Deutschlands mit Millionen von Abonnenten und sie werden durch reale Personen verkörpert, die sich vor die Kamera stellen. Kizuna AI, Gawr Gura und Mori Calliope haben ebenfalls Abonnenten in Millionenhöhe, werden allerdings durch einen virtuellen Avatar verkörpert. Denn bei den drei genannten handelt es sich um virtuelle Youtuber, kurz VTuber. Der aus Japan stammende Trend hat seit seinen Anfängen 2016 ein enormes Wachstum erfahren und macht sich seit dem Spätsommer 2020 daran den westlichen Markt zu erobern.
Kizuna A.I. – Die erste VTuberin weltweit
Streng genommen handelt es sich bei Ami Yamamoto um die erste VTuberin. Die aus London stammende Youtuberin lud erstmals 2011 ein Video hoch, bei dem sie durch einen virtuellen Avatar verkörpert wird. Die an Pixar Animationen erinnernde Ami tritt in kurzen Vlogs und Sketchen auf, welche in unregelmäßigen Abständen veröffentlicht werden. Damit unterscheidet Sie sich enorm von anderen VTubern, welche fast täglich über mehrere Stunden live streamen.
Somit handelt es sich bei Kizuna AI um die erste „echte“ Vtuberin welche den Trend mit dem Upload ihres ersten Videos am 29. November 2016 in die Wege leitete. Mit über vier Millionen Abonnenten in ihren beiden Channels „A.I. Channel“ und „AI-Games“. Ist die überwiegend auf japanisch streamende Kizuna A.I. aktuell nicht nur die älteste, sondern auch reichweitenstärkste VTuberin. Auf ihren Channels werden Lets Plays, Q&As, Live Karaoke und Musikvideos veröffentlicht. Verkörpert wird sie dabei in der Regel durch einen 2,5D-Avatar im Anime Stil. Der Avatar reagiert auf Gestik und Mimik der Person hinter Kizuna A.I., kann die Lippen bewegen, blinzeln und zwinkern.
Kizuna A.I. wird durch Kizuna AI inc. vermarktet und gemanagt eine Tochter von Activ8 welche die VTuberin ursprünglich ins Leben gerufen haben. Seit ihrem erstmaligen Auftritt im November 2016 hat Kizuna A.I. viele Metamorphosen vollzogen und sich verändert. Um eine größere Zielgruppe zu erschließen und mehr Inhalte zu präsentieren hat Kizuna verschiedene Persönlichkeiten entwickelt. In diesem Zusammenhang beendete die japanische Synchronsprecherin Nozomi Kasuga, welche der ursprünglichen Version von Kizuna ihre Stimme verliehen hat, ihre Zusammenarbeit mit Activ8. Somit ist Kizuna A.I. eine der wenigen VTuber bei dem die reale Person hinter dem Avatar bekannt wurde.
Authentizität trotz Anonymität
Die japanische Idol-Kultur hat mit Sicherheit entscheidenden Einfluss auf die Entstehung von VTubern gehabt. Denn beiden ist ein gewisser Fokus auf Äußerlichkeiten nicht abzusprechen. Und auch der Erfolg des virtuellen Idols Hazune Miko hat mit Sicherheit einen entscheidenden Einfluss auf die Entstehung von Kizuna A.I.. Dennoch geht es bei VTubern weniger um Perfektion, sondern um Authentizität und künstlerische Vielfalt. Die Talente hinter den virtuellen Avataren bestechen durch eine überraschend hohe künstlerische Varianz. In den Streams der VTuber wird gezeichnet, gesungen, gerappt und gezockt. Dabei wirken sie überaus natürlich, obwohl sie durch einen virtuellen Avatar verkörpert werden.
Die Authentizität von Gawr Guru, Mori Calliope, Ninomae Ina’Nis und Co. entsteht durch verschiedene Faktoren. Zunächst bekommt der Zuschauer das Gefühl vermittelt, dass die Künstler hinter den Avataren wirklich ihrer Leidenschaft nachgehen. So ist die Streamerin Ninomae Ina’Nis zu Tränen gerührt, nachdem ihr Fans mitteilen, dass sie aufgrund ihrer „Zeichenkurse“ dazu inspiriert wurden, selber wieder mit dem Zeichnen anzufangen.
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Ein weiterer Faktor ist die Chemie, welche viele der VTuber miteinander teilen. Diese kommt insbesondere während gemeinsamer Kollaborationen zum tragen und führt zu lustigen und emotionalen Momenten, in welche der Zuschauer sich leicht hineinversetzen kann. Zuletzt sorgt die Anonymität durch den virtuellen Avatar dafür, dass die realen Personen hinter den Figuren leichter ihre Deckung fallen lassen können. Somit ist es einfacher für sie, emotionale Teile ihrer Persönlichkeit in die Rolle, welche sie verkörpern, einfließen zu lassen. Als normalen Streamern, welche keinen Schutzschild in Form eines Avatars zwischen sich und ihren Zuschauern haben.
Millionen Einnahmen in Superchats
Neben der Authentizität setzen die VTuber ganz klar auf einen Mix aus Niedlichkeit und Anzüglichkeit. Grund hierfür ist in den Parallelen der VTuber zur Idol- und Animekultur zu finden. Insbesondere Animes und Mangas spielen oft mit der Niedlichkeit und den äußeren Reizen ihrer Figuren. Da sie seit Jahrzehnten fester Bestandteil der japanischen Kultur und Gesellschaft sind. Ist es nicht verwunderlich, dass die VTuber in Japan so gut ankommen, da Anime-Fans die Möglichkeit gegeben wird, mit den von ihnen geliebten Figuren zu interagieren. Doch auch in der westlichen Gesellschaft haben sich Animes und Mangas in den letzten Jahren immer mehr etabliert. Und das Erfolgsrezept hinter den VTubern scheint aufzugehen, wie sowohl Abo-Zahlen als auch Superchat Einnahmen beweisen.
Allen voran trifft die Talentagentur Hololive mit ihren Talenten den Nerv der Fans. So finden sich 7 Streamer von Hololive unter den Top 10 der reichweitenstärksten VTuber wieder. Hololive ist auch die erste Agentur mit einem Vorstoß auf den internationalen Markt. Im April 2020 wurden die ersten indonesischen VTuber von Hololive etabliert. Im September 2020 folgten fünf ausschließlich auf Englisch streamende Talente.
Insbesondere während der sogenannten Superchats zeigt sich der Erfolg der VTuber. In den Top 10 der seit Januar 2020 akkumulierten Einnahmen durch Superchats befinden sich nach Schätzungen des Youtube-Analytics-Dienstes Playboard überwiegend VTuber. Bei den Superchats können die Fans den Streamern Fragen stellen. Indem sie die Fragen mit einer Spende verbinden, werden diese hervorgehoben, womit die Wahrscheinlichkeit einer Antwort erhöht wird. Die im internationalen Superchat-Ranking erfolgreichste VTuberin Kiryu Coco hat auf diese Weise seit Januar 2020 über 1,7 Millionen € erwirtschaftet.
Erste westliche VTuber
Auch wenn mit Hololive EN englischsprachige VTuber etabliert wurden und somit der Zugang zum westlichen Markt eröffnet wurde. Steckt hinter den einzelnen Talenten verschiedener Nationalitäten ein japanisches Unternehmen. Dies macht sich vor allem aufgrund der Atmosphäre der Streams bemerkbar. Insbesondere wenn die englischen VTuber mit ihren japanischen Kollegen kollaborieren. Denn Respekt und Freundlichkeit sind in der japanischen Kultur sehr stark verwurzelt und der Umgang zwischen den einzelnen VTubern ist hierdurch stark geprägt. So stark das es für westliche Zuschauer die keine Erfahrung mit der japanischen Kultur haben, befremdlich wirken kann. Ein Konsument aus Übersee muss also eine gewisse Affinität zu Animes oder der japanischen Kultur mitbringen, um sich voll und ganz auf die aktuelle Generation an VTubern einlassen zu können.
Einzelne westliche VTuber haben das Potenzial bereits erkannt und sich selbstständig gemacht. Am erfolgreichsten ist die seit 2020 streamende CodeMiko. Die amerikanisch-koreanische Programmiererin hat nach einem Jobverlust während Corona alles auf eine Karte gesetzt und sich einen 30.000 Dollar VR-Anzug zugelegt. Damit hebt Sie sich zum einen durch ihr Erscheinungsbild von ihren japanischen Kollegen ab. Denn ihr Avatar wirkt wesentlich realistischer und erinnert mehr an Figuren aus aktuellen Videospielen. Zum anderen hat sie eine wesentlich aggressivere Art zu streamen. Damit wandelt sie oftmals auch an der Grenze der Twitch-Richtlinien und wurde bereits zweimal gebannt. Nicht desto trotz gibt ihr der Erfolg recht und CodeMiko kann mit einem respektablen kommerziellen Erfolg aufwarten. Mit Twitch und Youtube kombiniert besitzt sie rund 900.000 Abonenten.
https://www.youtube.com/watch?v=WPaA4cXn8oQ&ab_channel=TwitchClub
Überschaubare VTuber-Szene in Deutschland
Neben Soloprojekten wurde in den USA auch die Talentagentur VShojo gegründet. Das im November 2020 gegründete Unternehmen hat 8 Talente im Portfolio, am erfolgreichsten ist Project Melody, eine ehemalige Solo-Künstlerin, welche zu Beginn ihre Abonnenten Zahl mit Hilfe von Chaturbate gepusht hat. Project Melody besitzt auf Youtube und Twitch zusammen rund 900.000 Abonnenten und ist neben CodeMiko die reichweitenstärkste VTuberin außerhalb einer japanischen Agentur.
Im Gegensatz hierzu steckt die VTuber-Szene in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Fast alle in Deutschland ansässigen VTuber streamen auf Englisch. Der erfolgreichste Charakter Mocca Liebeskind hat 14.000 Abonnenten und fokussiert sich auf englisch- und japanischsprachige Inhalte. Auch gibt es bisher noch keine auf VTuber spezialisierte Talentagentur in Deutschland. Doch da der Trend gerade erst zu uns geschwappt ist, bleibt es sicher nur eine Frage der Zeit, bis der erste große deutsche VTuber von sich reden macht.
Bin mal gespannt wie weit das noch geht.
Netflix hat den Trend schon erkannt und setzt auf eine eigene VTuberin https://www.youtube.com/watch?v=pTF_b_9q5o8 .
Wahrscheinlich dauert es nicht mehr lange und auch andere Konzerne sehen die Möglichkeiten um ein jüngeres Publikum zu erreichen.
Amazon wird garantiert noch jemanden auf den Markt werfen.
https://twitter.com/pitapatlive