Im Test erweist sich F1 22 als optisch eindrucksvolles Racing-Game, das die Formel-Atmosphäre grandios einfängt. Abseits der Strecken schwächelt der Titel allerdings. Supercars und die „F1 Life“ wirken aufgesetzt und teils unnötig. Taugt das Formel1-Rennspiel dennoch etwas?
Codemasters haben sich einiges vorgenommen für eine Art sanften Relaunch der F1-Rennspielserie. Der Story-Modus flog raus, dafür gab es Supercars und mit dem neuen „F1 Life“ einen Social-Modus. Längst nicht alles ist gelungen bei F1 22 – das lässt sich inzwischen treffsicher feststellen. Sobald die Flitzer auf den Strecken stehen und das Gummi qualmen darf, blüht der Titel regelrecht auf. Wie Rennen funktionieren, haben die Entwickler verstanden – vieles andere bleibt allerdings fragwürdig. Dennoch: Fans werden nur gern zu F1 22 greifen, denn es nicht trotz Schwächen kein Spiel mit besserem Racing-Feeling.
F1 Life: Was soll das?
Die Idee klingt grundsätzlich gut: Das Rennfahrerleben sollen Spieler fort an auch abseits der Strecke genießen können. In dem Social-Modus „F1 Life“ lassen Codemasters Fans in einem Lifestyle-Hub austoben: dem Fahrer kann man fesche Klamotten kaufen, darunter auch allerlei Protz-Ausstattung von der Luxus-Armbanduhr bis hin zu vergoldeten Pilotenbrille. Damit nicht genug: Auch teure Freizeitrennwagen lassen sich in der privaten Garage stapeln und zur Schau stellen. Und weil man als Formel-1-Profi offenbar nicht weiß, was man sinnvoll mit seinem Geld anstellen kann, lassen sich die Groschen auch für die Möblierung des Wohnzimmers ausgeben. Einen spielerischen Mehrwert bietet F1 Life jedenfalls nicht – der Part hätten ebenso gut einfach weggelassen werden können ohne der Spaßwertung zu schaden.
Sogar das Gegenteil ist der Fall: Weil Electronic Arts und Codemasters die Lifestyle-Zentrale des Spielers monetarisieren wollen, schrumpft der kostenlos verfügbare Inhalt auf fast nichts zusammen. Wer die richtig coolen Klamotten, Sonnenbrille und Turnschühchen haben möchte, muss zahlen. Grundsätzlich ist das ohne Zwang auch völlig in Ordnung. Allerdings sollten Mikrotransaktionen dann wenigstens in ein sinnstiftendes Umfeld eingebettet werden, das für spendable Spieler dann zumindest einen Mehrwert hat. Den sucht man bei F1 Life ohne vergebens und vor dem Hintergrund des Geldscheffelns noch mehr. Geld ausgeben? Das wird vermutlich niemand machen, denn es bringt rein spielerisch nichts. F1 Life ist ein Teufelskreis auf Unsinn und noch mehr Unsinn – einem Spiel mit einer teuren F1-Lizenz ist das am Ende nicht würdig.
Immerhin lässt sich in Ansätzen auch Positives finden: die Supercars sind nämlich nicht bloß Sammelobjekte, sondern können sogar aufgefahren werden, um Herausforderungen zu meistern. Sich in seinen Mercedes AMG und Co zu setzen, und mit den Fahrzeugen die F1-Strecken beispielsweise bei Zeit-Challenges zu befahren, macht sogar Spaß. Hier gelingt zumindest in Teilen eine Verknüpfung zwischen dem Lifestyle-Ansatz und einer Gameplay-Idee. Zumal sich die Boliden aufgrund der Erfahrungen der Entwickler auch grandios fahren. Was allerdings unverständlich ist, ist die Tatsache, warum man mit den Supercars nicht auch Rennen fahren darf? Hat man die Challenges durch, ist man auch mit der Idee der Supercars durch – es ist ziemlich einfach.
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Man versteht eines bei F1 22 ziemlich schnell: Sobald es auf die Rennstrecken geht, zeigt das Racing-Game seine Qualitäten. Abseits der Tracks gibt es dafür ordentlich Nachholbedarf. Das fängt bei der Optik an: Strecken und Autos sind top, Fahrergesichter ein Flop. Die neue Strecke in Miami – rund um das Hard Rock Stadium der Miami Dolphins – ist hervorragend gelungen. Ebenso gilt das für die Überarbeitungen der Tracks in Abu Dhabi, Barcelona und Melbourne. Insgesamt fährt man auf 22 F1-Strecken – und hier fängt es endlich an so richtig Spaß zu machen.
Das Fahrverhalten der Rennboliden fangen die Entwickler perfekt ein, statt um den Bleifuß geht es um Gefühl. In den Kurven wird gedrängelt und blockiert, enge Wendungen sind immer wieder Herausforderungen, vor allem für Spieler, die den Realismus hochschrauben und die Traktionskontrolle dafür herunter. Bricht das Autos aus, was es das meistens. Auch die teils über-aggressiven Gegner machen einem das Leben schwer. Wie in anderen Rennspiel einfach schubsen und drücken, das geht bei F1 22 aufgrund der Regelwerks natürlich nicht. Also fährt man nicht bloß, man taktiert mit seinem Rennwagen. Es geht um die richtige Positionieren vor, während und in den Kurven, um Überholversuche, Vollspeed auf den Geraden. F1 22 fühlt sich ziemlich an dran an dem, was man von TV-Übertragungen kennt.
Strecke und Auto sollte man dabei stets im Blick behalten. Bei F1 22 gilt: Streckenkenntnis ist immens wichtig. Man muss ein Gespür für die Details haben. Wann kann ich hemmungslos das Pedal durchtreten? Wann lieber Vorsicht walten lassen? Wo lassen sich Randsteine touchieren, wo besser nicht? Es geht um die Kleinigkeiten, dafür sorgen übrigens auch die Entwickler. Sie haben das angepasste Regelwerk der Saison treffsicher umgesetzt, sogar was das Verhalten frischer Reifen betrifft. Auf 70 statt 100 Grad dürfen die Reifen der Wagen vorgeheizt werden, der Grip auf der Strecke ist also ungleich geringer wenn man auch der Boxengasse kommt.
An-pass-bar
Der Grad des Realismus lässt sich anpassen, was vor allem Fans unkomplizierterer Rennspiele und Einsteigern zugute kommt. Letztere profitieren zudem von der neuen adaptiven KI bei F1 22. Im Grund bedeutet das nicht anderes als ein an die eigenen Fähigkeiten angepasstes Gegnerverhalten.
Fahrfehler strafen die Opponenten also nicht konsequent ab, sondern gewähren zweite Chance. Wer einen Dreher hinlegt oder auf der Strecke hängenbleibt kann darauf vertrauen, dass die Gegner ihr Tempo drosseln bis man selbst wieder in das Renngeschehen eingreifen kann. Auch hier lassen sich die Hilfe anpassen, man muss also nicht im „Easy mode“ spielen, sondern kann sich insbesondere als Anfänger seine Spielerfahrung ziemlich auf den Punkt selbst gestalten. Chapeau, Codemasters! Was nach einem simplen Rubberbanding-Konzept klingt, ist deutlich mehr als das – und es macht den neuen Eintrag der F1-Reihe so einsteigerfreundlich wie nie zuvor.
Worauf man verzichten muss bei F1 22 ist der Story-Modus. Unverständnis, denn bei Sportspielen ist der jüngste Grundtenor eigentlich der Ausbau dieser durch Erzählstränge angetriebenen Spielbestandteil. Sei es drum: im Karrieremodus sowie in „My Team“ kann man sich ebenso austoben, ausgerechnet dort gibt es allerdings dieses Jahr kaum Neuerungen. Woher die Idee aus dem Wegfall des Story und der Stagnation bei den übrigen ähnlich Modi kommt? Das ist unklar und auch unverständlich. Es schadet dem Spiel jedenfalls erneut – wenn auch mal wieder abseits der Strecken. Spaß macht das, was vorhanden ist, dennoch. Sich ins Cockpit der echten F1-Teams zu schwingen und um die Meisterschaft zu fahren, ist unterhaltsam – und bei „My Team“ kann man das Ganze sogar noch in seinem eigens kreierten Rennstall tun.
Codemasters passt insgesamt lediglich Details an. Zu Beginn kann man durch die Auswahl als Einsteigerteam oder etablierter Rennstatt über das Budget entscheiden, und bei der Ausgestaltung der Lackierungen lässt sich etwas mehr machen – letztere Mini-Neuheit will man dabei allerdings unbedingt in F1 23 wiedersehen! Anpassungen gibt es zudem bei den Trainingsmöglichkeiten, die haben die Entwickler etwas mehr pointiert. So richtig innovativ wird es aber nicht. Die Entwickler sollten für die nächste Auflage des Spiels tunlichst darauf achten, nicht in Tiefschlaf zu verfallen, es wird dann nämlich Punkte kosten.
Infobox
Spielerzahl: 1 (bis zu 8 im Koop)
Alter: ab 18 Jahren
Spielzeit: 40+ Stunden
Schwierigkeit: mittel
Langzeitmotivation: hoch
Genre: Rennspiel
Subgenre: Rennspiel-Simulation (F1)
Entwickler: Codemasters
Publisher: Electronic Arts
Offizielle Website: Link
Erscheinungsjahr: 2022
Plattform (Testsystem): PC-Steam, Playstation 4, Playstation 5, Xbox One, Xbox Series X|S
Sprache: deutsch
Kosten: 70 Euro
Fazit
Nun mag es so klingen, als sei F1 22 ein ausgemachter Flop. Mitnichten ist das der Fall: Es handelt sich vor allem für Experten um DIE Rennsimulation schlechthin, wenn es darum geht, das F1-Feeling einzufangen, ist und bleibt Codemasters an der Spitze. Bei Spielen der F1-Serie schaut man aufgrund des stets hohen Grundqualität besonders genau hin – und kleine Fehlerchen fallen dann einfach auf. Auch F1 22 bleibt somit ohne Abstriche empfehlenswert.
Dennoch hinterlässt so mache Design-Entscheidung ziemliche Ratlosigkeit. Keine Story? Der unglaublich nutzlos F1 Life-Modus? Die ausbleibenden optischen Verbesserungen abseits der Rennstrecken? Die tollen Supercars, die sich dann kaum ausfahren lassen? Auf die Entwickler kommt offenbar jede Menge Arbeit im Hinblick auf die nächste Rennspielauflage zu. Und sie sollten die Zeit tatsächlich nutzen, um den Platz an der Spitze der Rennsimulationen nicht nur zu festigen, sondern auszubauen. Ansonsten kommt es, wie es bei Spieleserien häufig kommt: die Luft ist irgendwann raus wie aus den Reifen eines von der Bahn geflogenen Mercedes. Selbst eingefleischte Fans werden irgendwann darüber nachdenken, auf eine Rennspiel-Teil zu verzichten, wenn die Entwickler zu sehr mit Neuerungen geizen – man kennt es ja von anderen Sportspielen. Nicht wahr, FIFA-Reihe?
Dennoch machen Codemasters und Electronic Arts einiges richtig: F1 22 ist einsteigerfreundlich, überzeugend auf den Rennstrecken und dort ein atmosphärischer Knüller. Wagen und Strecken sehen soll aus, die satten Motorengeräusche lassen es in den Soundboxen angenehm wummern. Vom Spielgefühl her ist auch der aktuelle F1-Teil ein Pflichtkauf. Beim Gameplay muss man allerdings mindestens die enorm aggressiven akzeptieren können: die sind teils echte harte Brocken in den Kurvenkämpfen, manchmal ist das etwas zu gut gemeint. Dass Computer-Gegner allerdings mitunter so unberechenbar reagieren wie menschliche Kontrahenten, ist schlicht grandios.
F1 22 bleibt trotz einiger Kritikpunkte ein hervorragenden Rennspiel-Komplettpaket. Dieses Jahr ist das jedoch verbunden mit der klaren Ansage, die Serie für das kommende Jahr wieder konsequent weiterzuentwickeln und sich nicht auf Experimente zu verlassen – die können nämlich wie im Fall von F1 Life auch gehörig schiefgehen.
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