Cascadia hat als ausgezeichnetes Spiel des Jahres 2022 jede Menge Lob erhalten. Das Spiel von Randy Flynn hat der Verlag Kosmos hierzulande in einer deutschsprachig lokalisierten Version veröffentlicht – und damit offensichtlich einen Nerv getroffen bei Fans wie Kritikern. Zu Recht? Absolut. Cascadia ist ein Highlight, präsentiert sich dabei allerdings als unaufdringliches Brettspiel für jedermann.
Randy Flynn, die Illustratorin Beth Sobel und das Konglomerat Flatout Games hatten Cascadia ursprünglich per Crowdfunding via Kickstarter finanziert und von über 9.000 Unterstützern rund 275.000 US-Dollar eingenommen – geplant waren dabei lediglich 8.000 US-Dollar. Vorschusslorbeeren gab es für Flatout Games jedenfalls mit Kampagnenstart, was nicht zuletzt an dem Vorgängerprojekt Calico lag – auch dieses Brettspiel war ein Crowdfunding-Hit. Geschnappt und für den deutschen Markt aufbereitet hat sich den Titel Ravensburger – bei Cascadia hatte Kosmos den richtigen Riecher. Eine der Botschaften: Auch vergleichsweise kleine Kickstarter-Projekte können den Massenmarkt bedienen.
Cascadia: Ausflug in die Wildnis
Cascadia ist ein Spiel wie ein Ausflug in die Natur. Es geht nach Kaskadien in den pazifischen Nordwesten Nordamerikas – dort wo Lachs und Bär sich gute Nach sagen. Mit rund 35 Euro ist der Trip in die Wildnis günstig, dafür darf man das Naturschauspiel allerdings auch nur auf kleinen Papp-Tokens erleben. Davon gibt es viele: Landschaften und Tiere, Spielkarten ergänzen das Material. Das alles sieht prima aus, passt zum Thema, ist angesichts der bekannten Arbeiten von Beth Sobel in der gebotenen Qualität auch keine Überraschung. Natur kann die Illustratorin, wie sie bereits mehrfach bewiesen hat: bei Calico, bei Flügelschlag und auch bei Viticulture.
Weitaus weniger offensichtlich war, wie es spielerisch um Cascadia bestellt ist. Doch auch hier konnte man bei dem einstigen 29-Dollar-Kickstarter-Brettspiel im positiven Sinne Entwarnung geben. Randy Flynn hat ein Debüt hingelegt, wie man es nicht besser machen kann. Cascadia ist ein Brettspiel für jedermann – unaufgeregt, leicht zu erlernen, mit genügend taktischen Elementen, um immer wieder mal auf dem Tisch zu landen.
Das Thema um Flora und Faune ist zentral, drängt sich aber nicht auf: Man soll verschiedenen Tierarten einen Lebensraum bieten. Dazu werden Hex-Tokens aneinander gepuzzelt und hölzerne Tier-Tokens darauf platziert. Wertungskarten bestimmen, wofür es jeweils wie viele Punkte gibt. Das wars! Ohne großes Gewitter geht es bei Cascadia ans Spielen – es ist die wohl größte Stärke dieses Brettspiels. Klar, es bräuchte das Thema nicht – man könnte auch Roboter in einer dystopischen Metropole oder Superhelden in Gotham-City als Ankerpunkte für die Punktehatz nehmen. Doch irgendwie berührt das Naturthema, weil es eines ist, das alle Spieler ansprechen kann. Tiere und Pflanzen sind kennt jeder und mag jeder, also sielt man gern damit.
Lobenswert einfache Grundregeln
Der Spielablauf ist einfach, allerdings deutlich weniger austauschbar als das Setting. Wer an der Reihe ist, nimmt sich eine der vier in der Auslage verfügbaren Kombinationen aus Landschaftsplättchen und Tier-Token, Dann wird nach fest umgrenzten Regeln angelegt. Der Spielplan wächst Runde um Runde. Findet der Nachziehstapel sein Ende, endet auch die Partie. Dann wird abgerechnet.
Was ist aber so besonders an Randy Flynns Idee? Als Legespiel erfindet Cascadia das Genre immerhin nicht neu. Allerdings hebt es das klassische Konzept eines Carcassonne durch eine Verdopplung der Lege-Ebenen auf eine neue Stufe – dort findet sich die Innovation. Flynn hat mit Cascadia quasi ein Doppel-Legespiel geschaffen, bei dem bei Ebenen nicht nebenher laufen, sondern perfekt ineinander greifen. Weil jedes Tier ein eigenes Wertungsschema hat, kann und muss man clever puzzeln, um ein Punkteergebnis nah am Optimum zu erreichen. Hier schließt sich auch der Kreis zum Thema: jedes Tier hat nämlich seine eigenen Vorlieben. Es ist vorrangig dieser Kniff, der das Abenteuer in der Natur so stimmungsvoll macht. Ohne Glücksfaktor kommt Cascadia natürlich nicht aus, doch der lässt sich zumindest mit dem Tannenzapfen-Kniff etwas abmildern. Experten werden darin Schwächen sehen, denn nicht alles lässt sich vorhersagen und planen. Ambitionierter Familienspielern wird das gleichgültig sein, sie profitieren vom Maximum an Spielspaß.
Das simple Regelwerk sollte bei Cascadia nicht darüber hinwegtäuschen, dass es nicht zu verschenken gibt: Jeder einzelne Spielzug hat Relevanz, denn deren Zahl ist begrenzt. Das ist manchmal ein Ärgernis. Liegen wenig Attraktive Kombinationen aus und kann man mit den Zapfen nicht nachbessern, muss man sich mit dem bestmöglichen Ergebnis pro Aktion begnügen. So plätschert so mancher Spielzug dahin, ist aber niemals sinnlos. Der Belohnungsfaktor für die Aktion des Spielers ist stets vorhanden. Die Wildnis ist eben kein Sandkasten, in dem man sich die Welt machen kann, wie es einem gefällt.
Cascadia kann eine Herausforderung sein, ist aber niemals böswillig schwierig. Nachdenken muss man, allerdings nicht bis es nervt. en Knoten im Hirn wird man bei einer Partie Cascadia vergeblich suchen, unter Umständen vermissen – das kommt auf den individuellen Spielgeschmack an. Strategische Möglichkeiten bietet das Spiel pro Zug, pro Partie jedenfalls genug. Der Wille ist da, um aus seinen Optionen stets das bestmögliche Ergebnis herauszuholen. Einfach ist das trotz simpler Regeln längst nicht: auf dem Spieltisch gilt es, die Übersicht zu behalten. Die wachsenden Landschaften samt ihrer fünf Tierarten ist nicht nur bunt, sondern bisweilen auch gewollt unübersichtlich.
Hinzu bei Cascadia etwas ganz pragmatisches – etwas, das fast nebensächlich klingt, aber nicht ist: sämtliches Material ist dem Spielspaß zuträglich. Es gibt keinen aufgesetzten Schnickschnack, um der Schachtel Gewicht zu verleihen; es gibt keine Pseudo-Regelvarianten, die keine Mehrwert bieten, es gibt keine Materialmassen, die ungenutzt am Spielfeldrand herumliegen. Alles, was dem Brettspiel beiliegt, wird genug. Und zwar sinnvoll. Mehr noch: Was für das material gilt, gilt auch für die Detailregeln – jeder Kniff hat seinen Zweck.
Infobox
Spielerzahl: 1 bis 4
Alter: ab 10 Jahren
Spielzeit: 30 bis 60 Minuten
Schwierigkeit: einfach
Langzeitmotivation: gut
Genre: Familienspiel
Kernmechanismen: Legen, Muster, Punkte sammeln
Autor: Randy Flynn
Illustrationen: Beth Sobel
Verlag: Kosmos /Flatout Games/AEG
Offizielle Website: Link
Erscheinungsjahr: 2021
Sprache: Deutsch
Kosten: 35 Euro
Fazit
Cascadia macht konzeptionell unglaublich viel richtig: Die Regeln sind simpel, das Brettspiel ist so schnell aufgebaut wie angefangen, die Spielzeit ist zumindest ansatzweise vorbestimmt – nach 20 Runden ist Schluss. Hinzu kommt der „puzzelige“ Ablauf, der aktiven Spielern stets eine Auswahl an Optionen lässt. Die sind aufgrund der Glücksfaktors nicht immer ausbalanciert, damit kann man im Fall von Cascadia aber gut leben. Das Spiel ist unaufgeregt und perfekt geeignet für entspannte Spielrunden – gern auch alleine. Der Solo-Modus von Cascadia ist kein aufgesetztes Pflicht-Feature, sondern zentraler Bestandteil. Auch alleine funktioniert das Legespiel nämlich hervorragend. Wie auch nicht? In den Mehrspielerpartien puzzlen und legen Spieler schließlich auch in aller Seelenruhe Natur und Tiere vor sich aus.
Nicht in jedem Setup ist Cascadia auf gleichem Unterhaltungsniveau empfehlenswert. Mehr Spieler – bis zu vier – bedeutet zunächst einmal lediglich eine längere Spielzeit. Zudem wechselt die Auslage häufiger, was Frust und Freude zugleich sein kann. Alleine ist Cascadia hervorragend, als Zwei-Spieler-Brettspiel ebenfalls. Danach wird es bisweilen zur Geschmackssache. Ja, das Brettspiel funktioniert in allen Settings und es gibt auch kurze Momente Interaktionen, so richtig zur Geltung kommen die aber nicht. Das kleine Manko ist dennoch verzeihlich, denn Spaß macht Randy Flynns Brettspiel trotz zwischendurch auftretender Balancing-Problemchen immer. Das liegt vor allem an den sich verändernden Wertungsvoraussetzungen.
Was bezüglich der Spielerzahl an Ungleichgewicht vorhanden ist, bringt Randy Flynn durch sein Konzept in die Waage: Cascadia geht einen enorm unterhaltsamen Mittelweg zwischen einfachen Legeregeln und der Erfordernis vorausschauender Planung, es ist fordernd, aber nicht erschlagend aufgrund eines zu hoch angesetzten Schwierigkeitsgrades. Und Cascadia ist abstrakt, nutzt aber dennoch sein Thema.
Nun klingt es vielfach vielleicht so, als sei Cascadia ein durchschnittliches Legespiel mit hübschem Material. Mitnichten ist das so – man muss das Spielkonzept erfahren haben, um die Magie er spüren. Das Brettspiel entfaltet teils eine enorme Sogwirkung durch die Kombination aus Einfachheit und Komplexität an den richtigen Stellen. Eine Vielzahl an Regelvarianten sorgt einerseits für Langzeitmotivation und eine aufrechterhaltene Lernkurve – und sorgt gleichzeitig dafür, dass mit Cascadia verschiedene Zielgruppen angesprochen werden. Obendrauf gibt es noch eine optionale Kampagne. Für die Investition von rund 35 Euro gibt es zudem gutes Material. Hut ab, Kosmos.
Auch ohne Auszeichnung als Highlight des laufenden Brettspieljahrgangs ist Cascadia ein Erfolg. Das Spiel war zeitweise vergriffen. Pünktlich zur Preisverleihung hat Kosmos den Bestand allerdings ordentlich aufgefüllt – immerhin dürfte sich der Titel dank Spiel des Jahres 2022-Pöppel nun (weiterhin) verkaufen wie frisch geräucherter Lachs.
Die Jury des Vereins Spiel des Jahres drückte es übrigens mit einem Sätzchen treffend aus: „Cascadia ist ein wahres Wohlfühlspiel“.
Vorschau | Produkt | Bewertung | Preis | |
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