Es ist fast unerheblich, wie die Causa Lorcana letztlich zwischen Ravensburger und Upper Deck endet – der Fall hat schon jetzt eine enorme Bedeutung für die gesamte Branche. Denn: Die Hintergründe legen einen Finger in eine Wunde, die vor allem Spieleautorinnen und Spieleautoren schmerzt. Es geht um Urheberrechte und den Schutz der kreativen Ideen.
Keine Frage: Fans von Sammelkartenspielen fiebern dem Start von Disney Lorcana entgegen. Der Wunsch, endlich die Hände an das neue Spiel zu bekommen, ist gewachsen, seit Ravensburger das Trading Card Game nicht nur beworben hat, sondern auch Gameplay vorstellte: In „Disney Lorcana“ erkunden die Spieler mit ihren Teams aus „Glimmern“ die Welt von Lorcana, um Legenden zu sammeln. Sie spielen Charaktere, Aktionen und Gegenstände aus ihrer Hand und entscheiden, ob sie mit ihren „Glimmern“ ihre Mitspielenden herausfordern oder Legenden sammeln. Wer zuerst 20 Legenden gesammelt hat, gewinnt.
„Bei der Entwicklung des Spiels waren für meinen Co-Designer Steve Warner und mich vier Faktoren essenziell: leichte Zugänglichkeit, Spaß, Strategie und Spannung“, so Ryan Miller, Co-Designer und Brand Manager von „Disney Lorcana“ in einer Verlagsmitteilung zur Gameplay-Präsentation im April. „Wir haben leicht verständliche Regeln entwickelt, von denen wir glauben, dass sie neue Spieler ansprechen, während wir gleichzeitig genügend strategische Tiefe in das Spiel einbringen, um auch erfahrene Spieler zu begeistern. Wir wollten außerdem sicherstellen, dass sich Lorcana wie ein Disney Spiel anfühlt, was sich in den Artworks, den Kartentexten und dem Spieldesign widerspiegelt. Zum Beispiel gibt es in „Disney Lorcana“ Liederkarten, die auf den Songs aus den dazugehörigen Disney Filmen basieren. Man muss sie zwar nicht singen, während man spielt, aber wir würden die Spieler gerne dazu ermuntern.“
Zu diesem Zeitpunkt war die Welt um Disney Lorcana noch in Ordnung. Der Hammer sollte Anfang Juni folgen, als Sammelkartenhersteller Upper Deck mit Vorwürfen gegen Ravensburger vorging. Im Kern stand ein angeblicher Vertragsbruch des Autors Ryan Miller, der für Upper Deck das Spiel „Rush of Ikorr“ entworfen haben soll, das die Mechaniken von Lorcana teils nutzt. Und genau an dieser Stelle setzt ein Problem an, mit dem Spieleautorinnen und Spieleautoren nicht selten hadern: Es geht um den Schutz ihrer Ideen.
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Genau darum dreht sich die Klage allerdings nicht, weshalb der Ausgang der Angelegenheit zwischen Ravensburger und Upper Deck fast unerheblich schon. Upper Deck wirft Ryan Miller vieles vor, unter anderem Vertragsbrüche. Was nicht im Mittelpunkt des Klagevorwurfs steht, weil es rechtstechnisch nicht dort stehen kann: Ein Verstoß gegen das „Copyright“. Hierzulande könnte man das zumindest analog – wenn auch nicht passgenau – mit dem Urheberrecht vergleichen.
Kreatives Problem: Spielmechaniken
Das große Problem vor allem für Kreative: Spielmechaniken sind urheberrechtlich nicht schützenswert. Und genau das sorgt immer wieder für Diskussionen. Die „Causa Lorcana“ legt also einen Finger in eine schon lange Zeit schmerzende Wunde. Argumentationsansätze für den Schutz vor Spielmechaniken aus urheberrechtlicher Sicht gäbe es auf den ersten Blick augenscheinlich viele: Oft stehen hinter Gesellschaftsspielen mathematische Erwägungen, die letztlich das Spielgeschehen abbilden. Ein Problem: Schon die mathematischen Beweise sind als Wissenserkenntnisse keine durch das Urheberrecht schützenswerten Werke, es fehlt ihnen an der sogenannten Mindest-Schöpfungshöhe. Auch für Beweise – mathematische Herleitungen – gilt das. Ein häufiger Diskussionsansatz ergibt sich nicht zuletzt – nicht völlig unberechtigt – aus der These, dass eine bestimmte Kombination aus mathematischen Formeln, Verknüpfungen und Zusammenhängen ein Spiel zu einem durchaus einzigartigen Werk machen könnte. Doch selbst das reicht nicht aus, um ein Brett- oder Kartenspiel unter die streng geregelte Schutzsphäre des Urheberrechts zu drängen.
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Geschützt ist stattdessen das sprachliche Werk in seiner konkreten Erscheinungsform und die Abwandlungen davon: Formulierte Spielregeln also. Das Urheberrecht kennt keine Neuheiten, schützt keine Schwierigkeiten, keine Schönheit, nicht einmal Korrektheit. Paradox ist allerdings die Tatsache, dass die in eine fantasievolle Geschichte eingebettete mathematische Beweiskette sehr wohl mit großer Wahrscheinlichkeit einen urheberrechtlichen Schutz genießen würde. Nicht wegen der Innovation, nicht wegen der Mathematik, nicht wegen des Sinns oder der Erkenntnis – sondern schlicht wegen der Gestalt der Worte.
An dieser Stelle könnte die „Causa Lorcana“ zu einem Novum in der Rechtswirklichkeit führen, zumindest sofern es zu einem Gerichtsverfahren samt Urteil und seiner Begründung kommt.
Hierzulande ist es meist die Spiele-Autoren-Zunft (SAZ), die in Fällen urheberrechtlicher Problematiken besonders laut und vehement Einwände erhebt. Die Vertretung der Kreativen der Branche kritisiert Plagiate öffentlich, so zuletzt bei dem Spiel „Unfinished Business“, das die als „Plagiat und das mit voller Absicht“ bezeichnete. Um die Bewertung des Spiels soll es an dieser Stelle nicht gehen, wohl aber um den relevanten Hinweis, dass selbst bei diesem Titel – laut SAZ zu betrachten als „Plagiat des Spiels BIG DEAL von Brent & Jeffrey Beck“ – nur dann ein urheberrechtliches Problem bestanden hätte, weil Gleichlaute in der Anleitung zu finden waren. Merzt man diesen Fehler aus und versieht das Werk mit einem neuen Look, hat man ein ’neues‘ Spiel, das sich seinerseits auf den Schutz durch das Urheberrecht berufen kann.
Schon lange prangert die Spiele-Autoren-Zunft den Umgang mit Plagiaten an, auch im Falle von Uwe Rosenbergs „Bohnanza“, das vor rund fünf Jahren mehrfach als Spieleprojekt auf Kickstarter angeboten wurde, jeweils in einem anderen Design. Selbst die Verlage scheuen juristische Auseinandersetzungen, weil es meist nichts zu holen gibt – zumindest nicht direkt aus urheberrechtlicher Sicht. Abschreckend würden Verfahren hingegen schon wirken – und Aufmerksamkeit generiesen sich ohnehin. So wie im Fall Upper Deck gegen Ravensburger bzw. Ryan Miller. Dem Spiel „Rush of Ikorr“ könnte die Klage auf zweiten Weg zumindest zu der für einen Erfolg notwendigen öffentlichen Wahrnehmung verhelfen.
Wie drängend das Problem für die Kreativen der Branche ist, zeigte sich in einem Appell der Spiele-Autoren-Zunft vor einigen Jahren: Dort rief man dazu auf, im Spiele-Onlinehandel die Namen der Spieleautorinnen und Spieleautoren und auch die der Illustratoren zu nennen. Umgekehrt bedeutet das: Die Schöpfer der Ideen fristen ein Schattendasein, von einigen wenigen besonders erfolgreichen Autorinnen und Autoren abgesehen. Die Branche besteht nicht allein aus Knizias, Teubers, Hargraves, Leacocks oder Langs.
Wenn das Urheberrecht die Autorinnen und Autoren schon nicht zu schützen vermag, sollte die Verbindung zwischen einem originären Werk und seiner Schöpferin oder seinem Schöpfer zumindest präsenter werden.
Rein rechtlich fehlt es bislang an der guten Argumentationskette, um die Mindest-Schöpfungshöhe irgendwie zu erreichen. Auch im Fall Lorcana hätten es die Anwälte von Upper Deck schwer, die Wiederverwertung der reinen Mechaniken von „Rush of Ikorr“ unter einen Copyright-Verstoß zu stellen.
Die grundsätzliche Faustformel lautet derzeit: Je näher ein Brettspiel hin zu einem ausgestalteten Prototypen rückt, desto wahrscheinlicher ist ein Schutzschild durch das Urheberrecht.
Für Autorinnen und Autoren mag all das angesichts ihrer teils hervorragenden – und sogar neuen – Ideen schwer nachvollziehbar zu sein: eine Idee, Erkenntnis oder gar Kombination ist letzten Endes für einen hohen Schutz zu vage. Und so bleibt zukünftig im Kern auch weiterhin das Vertragsrecht als juristischer Angriffspunkt übrig, oder eben das vollständige Werk samt seiner Ausgestaltung.
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