Wie die Prüfstelle Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) mitteilte, dürfen Spiele ab sofort verfassungsfeindliche Symbole zeigen. Entwickler können ihre Werke mit sofortiger Wirkung für eine Altersprüfung einreichen ohne befürchten zu müssen, dass allein die Verwendung von Hakenkreuzen oder SS-Runen zu einem Vertriebsverbot in Deutschland führen. Die geänderte Rechtsauffassung verdeutlicht, wie wertvoll Videospiele heute für die kulturelle Landschaft sind. Obwohl verfassungsfeindliche Symbole ab sofort grundsätzlich erlaubt sind, öffnet die USK mit ihrer Entscheidung der missbräuchlichen Verwendung nicht Tür und Tor: die Prüfstelle untersucht nach Einreichung eines Werkes in jedem Einzelfall, ob die Darstellungen sozialadäquat sind.
Es gibt Kultur und es gibt Spiele
Bisher war es recht eindeutig: es gab Kultur und es gab Spiele. Eine Gleichberechtigung zwischen den verschiedenen Medien existierte bisher nicht. Auch jetzt fällt es Entscheidungsträgern schwer, Videospiele als vollwertige Kulturmedien anzunehmen. Immerhin: die richtungsweise Änderung der Rechtsauffassung bezüglich der Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole in Spielen ist wichtig, um die Debatte um wichtige Argumente zu bereichern. Statt Kultur und Spiele gibt es nun eine Spielekultur. Bereits Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel hat in ihrer Eröffnungsrede zur gamescom 2017 über „die Bedeutung von Spielen für die deutsche Kultur- und Innovationslandschaft“ gesprochen.
Mit ihrer Entscheidung übernimmt die USK eine neue, aktivere Rolle. Sie gestaltet den Diskurs über erlaubte verfassungsfeindliche Symbole in Spiele mit anstatt das sensible Thema durch eine pauschale Ablehnung zu ersticken.
Seit 1998 galt ein Urteil des OLG Frankfurt als ausschlaggebend für das Prüfverhalten: der damals zuständige Richter entschied, dass Videospiele gemäß § 86 a StGB keine verfassungsfeindlichen Symbole zeigen dürfen. Eine mögliche sozialadäquate Zulässigkeit wurde bei der Entscheidung nicht berücksichtigt. In der Folge galt die Ausnahme für eine Verwendung verfassungsrechtlicher Symbole bei Spielen nicht mehr – obwohl das Gericht dies nicht konkretisierte. Ein verantwortungsvoller Umgang mit rechtlichen Bewertungen sieht anders aus.
Und es sollte 20 Jahre dauern, bis eine kritische Auseinandersetzung mit der Thematik erfolgen sollte. In der Zwischenzeit haben mindestens zwei Videospiele deutlich gemacht, wie wertvoll eine korrekte historische – und damit auch symbolisch realistische – für die Lernerfahrung sein kann. Die Spiele Through the Darkest of Times sowie Attentat 1942 nehmen die ernsten Hintergründe zum Anlass daraus Videospiele zu machen, die zum Nachdenken anregen. Spiele als erzählende, und damit auch wissensvermittelnde, Medien heranzuziehen, ist insbesondere in der heutigen Zeit ein wichtiges Werkzeug, um Jugendlich oder junge Erwachsene für Geschichte zu begeistern.
Sozialadäquanz: Sorgfältige Prüfung notwendig
Damit auch Spieler in Deutschland bald virtuelle Nazischergen abknallen dürfen, müssen alle Videogames, verfassungsfeindliche Symbole in sozialadäquater Weise verwenden. Das bloße Visualisieren von Hakenkreuzen, nur um einen Titel mit diesem sensiblen Thema offensiv bewerben zu können, wird es auch jetzt glücklicherweise nicht geben. Die Klausel zur Sozialadäquanz ist im Strafgesetzbuch verankert: sie erlaubt derartige Symbole in Einzelfällen zu künstlerischen oder wissenschaftlichen Zwecken und um Vorgänge historisch darzustellen. Vor allem letzterer Punkt scheint für die gesamte Diskussion um die Sichtbarkeit verfassungsfeindlicher Symbole wichtig.
Nur historische Fakten und die dahinter verborgene Wahrheit um vergangene Geschehnisse, kann zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Hakenkreuzen und SS-Runen in Videospielen führen. Historische Fakten enttarnen faschistische Propaganda und machen auf schwierige Themen aufmerksam. Durch die absolute Verbotshaltung wurde jegliche spielerische Kritik an Nazi-Thematiken verhindert – verantwortungsvoll ist das angesichts aktueller gesellschaftlicher Debatten nicht. Dass sich die Rechtsauffassung der zuständigen Obersten Landesjugendbehörde nun verändert hat, ist richtungsweisend bezüglich des Verständnisses von Videospielen als Kulturmedien. Jetzt gilt auch für Spiele, was beispielsweise für Filme schon lange gilt: sofern die Darstellung im Rahmen kultureller oder künstlerischer Werke stattfindet und nicht bloßen Propagandazwecken dient, ist die Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole grundsätzlich erlaubt.
Ein populäres Beispiel ist Tarantinos Blockbuster Inglourious Basterds, der sogar eine kräftige Finanzspritze aus deutschen Fördermitteln erhielt. Die Geschichte in einem Film derart offensiv zu ignorieren war einzigartig – sogar preisverdächtig. Den Unterschied zwischen einem Film wie Inglourious Basterds und einem Videospiel wie Wolfenstein: The New Colossus 2 zu entdecken, wenn man sich dabei allein auf den künstlerischen Hintergrund beschränkt, ist schwierig. Im Film waren Hakenkreuzdarstellung unproblematisch, im Spiel dagegen wurde „Herr Heiler“ sogar ohne Schnurrbart dargestellt, um Ähnlichkeiten zu abstrahieren.
Einen Boom an Nazi-Games muss dennoch niemand befürchten. Seriöse Entwickler sind sich ihrer Verantwortung bezüglich sensibler Themen durchaus bewusst. Bisher ist nicht bekannt, ob im Ausland erschienene Originalversionen von Spielen in Deutschland erneut zur Prüfung eingereicht werden.
Die Gesetzeslage hat sich ohnehin nicht verändert: § 86a des Strafgesetzbuches verbietet das Zeigen von verfassungsfeindlichen Symbolen immer noch, lediglich das veraltete Urteil des OLG Frankfurt findet keine Anwendung mehr. Der relevante Unterschied bezieht sich einzig auf die Abschaffung des absoluten Verbots, das nun von Einzelfallprüfungen abgelöst wird.
Auch für Entwickler hat sich wenig verändert. Immer noch ist das Grundthema äußerst sensibel und die Stilmittel wollen weise gewählt werden – und das Gameplay verbessern Hakenkreuze und SS-Runen auch nicht. Man darf also gespannt sein, was sich in der Praxis wirklich ändern wird.