MicroMacro: Crime City 2 – Full House sorgt erneut für kooperativen Suchbild-Spaß. Sein Detektivspiel hat Autor Johannes Sich schlicht um neue Fälle erweitert – bereits das sorgt für Unterhaltung, denn schon die Grundidee ist grandios. Trotzdem gibt es Abzüge in der B-Note, denn wirklich innovativ ist der zweite Teil nicht mehr. Immerhin war das eine große Stärke des Wimmelbild-Debüts im Brettspielsegment.
Crime City, eine Stadt voller Verbrechen und Verbrecher, ist der Schauplatz für ein ungewöhnliches detektivisches Abenteuer für bis zu vier Spieler. Schon im fast gleichnamigen Vorgänger MicroMacro: Crime City ging es um die Aufklärung von Straftaten in der schwarz-weißen Metropole. Der Namenszusatz „Full House“ zeigt nun an: Es gibt wieder Arbeit für die Ermittler.
Kontrast-Wimmelbild für Detektive
Der Spieleautor Johannes Sich bleibt dem Verbrachen treu: nach La Cosa Nostra ist ihm bereits der Sprung in die Riege der mit dem Spiel des Jahres ausgezeichneten Designer gelungen. Mit „minimalem Regelwerk“ verpackt das Spiel die Grundthemen Eifersucht, Hinterlist und Missgunst zuckersüß in augenzwinkernde und detailverliebte Zeichnungen. So urteilt die Jury des Spiel des Jahres e.V. in seiner Beschreibung des Debüts, das 2021 den roten Pöppel abräumen konnte.
Der neue Teil MicroMacro: Crime City 2 – Full House soll nun mit 16 Fällen und gesteigerter Komplexität an den Erfolg seines Vorgängers anknüpfen. Symbole dienen inzwischen als Eltern-Markierung für die Möglichkeit der Vorsortierung. So kommen auch jüngere Ermittler in den Genuss, altersgerechte Fälle lösen zu dürfen.
Dass ausgerechnet dieser Titel einen Nachfolger spendiert bekam, ist kein Zufall und auch keine Überraschung: mit weit über einer halben Million Verkäufen, Übersetzungen in 31 Sprache und Auszeichnungen in mehreren Ländern ist die Marke MicroMacro längst ein weltweites Phänomen. Grund für große Veränderungen am Spielkonzept gab es nicht: Erneut müssen Spieler gemeinsam als Team Fälle anhand von Fragekarten lösen und den Spielplan nach Hinweisen absuchen. Stark gefordert wird die Kombinationsgabe der Ermittler.
Dass es Nachfolger geben würde, hatte man frühzeitig angekündigt. Zum Ende des Sommers erschien der zweite Teil, der in der Weihnachtszeit vielfach den Weg unter die Tannen gefunden haben dürfte. Zu Recht, so viel sei an dieser Stelle bereits verraten: MicroMacro: Crime City 2 – Full House ist ein leicht verständliches, aber enorm unterhaltsames Spiel für Fans kooperativer oder kniffliger Titel. Wer möchte, kann „Full House“ auch wieder als Solo-Detektiv angehen, deutlich spaßiger ist es allerdings mit Unterstützung.
Innovation bleibt aus
Wie bei anderen Fortsetzungen bestehen auch bei MicroMacro: Crime City 2 – Full House Vorbehalte: Braucht es den zweiten Teil? Braucht es mehr vom Gleichen? Hat man sich die Mühe gemacht, dem Konzept einen Twist zu verpassen, um das Spielerlebnis zu entwickeln?
So wirklich innovativ ist der zweite Teil nicht. Vielmehr gibt es ihn, weil man die Kuh melken kann. Verlag und Autor sei es gegönnt, denn so gleichförmig sich „Full House“ im Schatten des Vorgängers auch spielen mag, es ist ein erneut spaßbringendes Erlebnis für die ganze Familie. Den Aspekt des Familienspiels stellen die Macher nun immerhin durch die vergebene Symbole auch in den Mittelpunkt: Themen, mit denen Kinder nicht anfangen können oder sollen, können Eltern so im Vorfeld aussortieren. Clever.
Auch MicroMacro: Crime City 2 – Full House ist nämlich nur in Teilen ein Erwachsenenspiel. Überwiegend lassen sich die Aufgaben auch mit jungen Ermittlern lösen. Der Grund dafür ist einfach: Man muss lediglich die einzelnen (Such-)Handlungen nachvollziehen und nicht das Gesamtbild eines Falls erfassen und verstehen können.
In der Ähnlichkeit zwischen Teil eins und zwei liegt Kritik begründet, denn aufgrund der gesammelten Erfahrungen kommt man deutlich zügiger voran und besser auf dem Spielplan von Crime City zurecht. Der ist genauso konzipiert, zeigt allerdings einen anderen Ausschnitt aus der Stadt Verbrechens. Und weil man inzwischen sein detektivisches Auge schärfen konnte, macht man nicht selten Entdeckungen, die bereits für spätere Fälle relevant sind. Das lässt sich nicht vermeiden, gehörte bereits beim Debüttitel zum Spielerlebnis, ist aber schade, weil es den Schwierigkeitsgrad weiter senkt.
Unverständlich ist die Idee, ausgerechnet dem Nachfolger erneut Einstiegsfälle beizulegen. Die haben erfahrene Spieler schnell abgearbeitet. Bei MicroMacro: Crime City 2 – Full House zeigt das Spielprinzip bereits Abnutzungserscheinungen, zumindest für jene Spieler, die sich durch den noch als innovativ empfundenen ersten Teil geackert haben. Wer mit MicroMacro: Crime City 2 – Full House erst in die Reihe einsteigt hat weder das eine noch das andere Problem. Dennoch, der zweite Teil scheint tatsächlich als Fortsetzung gedacht zu sein, das deutet schon der neuen Kartenausschnitt an. Wer knackige Herausforderungen nach Absolvieren des „Grundspiels“ erwartet, der könnten teilweise enttäuscht werden, nicht allerdings gelangweilt, denn die Idee greift erneut, wenn einen der immergleiche Spielablauf nicht stört.
Beide Spiele sollte man daher vermutlich eher als eigenständig betrachten. Um eine waschechte Fortsetzung handelt es sich nicht, allenfalls in Ansätzen sind Verbesserungen überhaupt erkennbar. Tun wir also so, als hätte es den Vorgänger nie gegeben. Wie gut ist MicroMacro: Crime City 2 – Full House dann?
Das Fünkchen Nostalgie
Wer mit dem Konzept von MicroMacro zum ersten Mal in Berührung kommt, dem fällt die grandiose Grundidee auf: Deduktive Brettspielelemente mit dem Wimmelbildspaß aus den Achtzigern zu mischen, das ist erfrischend neu in der Szene. Auf 75 x 110 Zentimetern gibt es schwarz-weißes Stadtleben in all seinen Facetten – und darum auch mit zahlreichen Verbrechen.
Statt Spielbrett steht ein Poster im Mittelpunkt des Geschehens. Darauf wuseln die Bewohner von Crime City umher, gehen ihrem Alltag nach, mit all den legalen und illegalen Handlungen, die man so kennt aus dem Leben. Der „Stadtplan“ ist voll davon – und 16 Fälle drehen sich um die aufklärungswürdigsten Taten. Auf den Karten sind Fragen abgedruckt, die den Tatablauf widerspiegeln. Wer MicroMacro zum ersten Mal auf dem Tisch hat, ist angetan, nein begeistert, von der simplen Idee, den Charme abgehalfterter Wimmelbilder mit einem Brettspiel zu verknüpfen. Und dann ist da noch ein bisschen Nostalgie: Der Gedanke an einen Tag bei den Großeltern kommt auf, man sitzt auf dem Sofa, blättert in der Fernsehzeitung und sucht auf deren letzter Seite in einem bunten Wuselbild einen Vogel. Man erinnert sich gern.
Wer von MicroMacro ein kunterbuntes Suchspiel für Kinder erwartet, liegt falsch. Die Geschichten und Motive hinter den Verbrechen sind erwachsen. Lösen können Spieler die Fälle durch kluges Kombinieren. Das Absuchen des Spielplans motiviert, man hat viel zu entdecken – vor allem als kompletter Neuling. MicroMacro präsentiert sich als Besonderheit: kaum Regeln, wenig „echtes Spiel“, viel Innovation mit einem coolen Look. Irgendwie ein Werk für Nerds, aber auch nicht, denn Kinder zieht die Idee magisch an.
Ältere Ermittler scheitern nicht wegen fehlender Kombinationsgabe an den Fällen, sondern aufgrund ihrer schlechten Augen: Auf dem schwarz-weißen Poster jedes Details zu erkennen, ist schwieriger als gedacht. Bei Funzellicht zu suchen, eine Herausforderung. Grundsätzlich kann MicroMacro jeder spielen, aber irgendwie auch nicht – aus rein körperlichen Erwägungen. Dass bei einem Brettspiel auf diese Weise selektiert wird, ist ungewöhnlich, deutet gleichzeitig aber auch den Seltenheitswert der Idee an. Es ist kein Spiel für jedermann, aber ein Werk für viele. MicroMacro unterhält, motiviert, regt zum Austausch an. Kurzum: Es sorgt für viele gemeinsame Momente an einem Tisch. Typisch Gesellschaftsspiel und damit eine wertvolle Erfahrung, die man nicht missen möchte – ausbleibender Qualitätssprung hin oder her.
Infobox
Spielerzahl: 1 bis 4
Alter: ab 10 Jahren
Spielzeit: 15 bis 30 Minuten
Schwierigkeit: mittel
Langzeitmotivation: niedrig
Genre: Kooperatives Brettspiel
Untergenre: Such-Brettspiel
Kernmechanismen: Deduktion, Suche, Missionen
Autoren: Johannes Sich
Illustrationen: Daniel Goll, Tobias Jochinke, Johannes Sich
Verlag: Pegasus Spiele / Hard Boiled Games / Edition Spielwiese
Offizielle Website: Link
Erscheinungsjahr: 2021
Sprache: deutsch
Kosten: 18 Euro
Fazit
MicroMacro: Crime City 2 – Full House ist eine Fortsetzung, die keine echte ist. Dafür ist das Konzept zu nah am Vorgänger angelegt. Ja, es gibt einige „Quality of Life“-Verbesserungen, die machen aber keinen Qualitätssprung aus. Ganz so grandios wie das Debüt fällt der zweite Teil daher nicht aus – zumindest wenn man den Vorgänger als Messlatte nutzen kann. Wer unbedarft auf MicroMacro: Crime City 2 – Full House trifft, den zweiten Teil quasi als Einstiegtitel spielt, der fühlt die Magie dieses erfrischenden Brettspiels.
So platt wie die Idee klingt, ist das Konzept letztendlich nicht: Es geht um ernste Themen und Motive, die man mindestens aus Kriminalfilmen kennt und vom Hörensagen aus dem echten Leben. Trotz des Comic-Looks ist MicroMacro: Crime City 2 – Full House kein reines Kinderspiel. Bunt ist es schon gar nicht. Nicht alles präsentierte ist sogar kindgerecht. Immerhin haben die Verlage hier Symbole eingearbeitet, um das direkt zu kennzeichnen. Das ist mindestens so clever wie die Spielidee selbst.
Unlösbar sind die Fälle nie. Immer fair, logisch, manchmal mit Suchaufwand verbunden. Das macht Spaß und motiviert. Nicht selten findet man sich abseits der „Tatorte“, um zu schauen, was überhaupt so los ist ist der Stadt der Verbrechen.
Die große Stärke von MicroMacro bleibt immerhin auch im zweiten Teil erhalten: Man kann gemeinsam Zeit verbringen, diskutieren, Erfolge erleben – in reiner Erwachsenenrunde, mit Kindern, moderierend in einer Kinderrunde, generationsübergreifend. MicroMacro: Crime City 2 – Full House bleibt ein kleines Phänomen, aber die Idee stumpft bereits ab. Weil Johannes Sich bereits auf Hochtouren am dritten Teil arbeitet, bleibt zu hoffen, dass die Macher noch genügend kreative Kniffe und Innovationen in der Hinterhand haben, um den Spielablauf aufzupeppen. Zu wünschen wäre es der Serie, die seit der Auszeichnung mit dem Spiel des Jahres-Pöppel ja erst so richtig Fahrt aufnehmen könnte. Nötig hätte das Spiel es nicht, es ist bereits enorm erfolgreich. Dennoch: Man möchte nicht, dass das Wimmelbild-Brettspiel-Genre ausstirbt, bevor es angefangen hat richtig zu leben.
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