Nachdem ich in der letzten Review zu AEOLOS bereits auf Schiffen unterwegs war, bewege ich mich direkt wieder mit Schiffen fort. Phraya war ein Kickstarter des spanischen Verlags DMZ Games. Der Bonner Verlag Nice Game Publishing übernahm die Lokalisation des Spiels. Es ist das bisher komplexeste Spiels des Autors Alberto Millán. Phraya ist ein taktisch anspruchsvolles Worker Movement/Pick up and Deliver Game, in dem die Spielenden mit ihren Booten über den Chao Phraya River in Bangkok fahren und Waren kaufen und für unterschiedliche Aktionen einsetzen. Wir haben das Spiel getestet.
Auf dem schwimmenden Markt fahren die Spielenden mit ihren Booten von Stand zu Stand. An diesen können sie die verschiedensten Aktionen ausführen. Auch der König ist präsent und freut sich über Gaben. Der Zugablauf ist recht simpel und doch ist der taktische Anspruch in diesem Spiel ziemlich hoch. Es gibt jedes Mal sehr viele Optionen, die man gegeneinander abwägen sollte.
Der Flussmarkt
Der große Markt entsteht, in dem man die vier Spielplanteile in beliebiger Kombination zusammen steckt. Hier finden sich die verschiedenen Markstände, an denen die Spielenden im Spielverlauf Handel betreiben können. Eine erste Auswahl an Körben und Bestellungen wird auf den entsprechenden Ständen platziert. Neben den Markt wird das Hafentableau gelegt. Auf diesen wird der Händler platziert und die aktuellen Preise der vier Waren Gemüse, Frucht, Fisch und Fleisch sind zu sehen.
Zudem finden sich hier die Leisten des Tempels und des Königs sowie die Kartenauslage. Alle erhalten ihr eigenes kleines Schiffstableau, ein Holzschiff, Plättchen, Gebäude und fünf Startkarten der eigenen Farbe. Ein Gebäude darf jeweils bereits zu Spielbeginn platziert werden. Die verschiedenen Ressourcenwürfel, Blumen, Gunstmarker und die Münzen werden als allgemeiner Vorrat bereit gelegt. Mit ein paar Münzen als Startguthaben kann es auch schon losgehen.
Auf zu den Ständen
Die grundlegende Zugstruktur ist schnell erklärt. Man spielt eine Handkarte aus, handelt alle Effekte ab, bewegt das eigene Boot mindestens einen Abschnitt und kann anschließend mit den beiden angrenzenden Ständen handeln. Sollte sich der König angrenzend zum Abschnitt befinden, auf dem man sich befindet, darf man auch diesem Tribut zollen.
Die Handkarten, die man zu Beginn besitzt, erlauben die Beeinflussung der Preise oder die Bewegung der königlichen Barke, die sich zu Spielbeginn in der Mitte des Marktes befindet. Wird die königliche Barke bewegt, erhalten alle, die ein Gebäude angrenzend zur neuen Position der Barke haben, Blumen oder einen anderen Bonus.
Mit den Karten, die man vom Hafentableau kaufen kann, kommen verbesserte Varianten der Aktionen, die man bereits besitzt, sowie weitere Aktionsmöglichkeiten hinzu. Sie können beispielsweise die Preise der Ressourcen im eigenen Zug senken. Einmal ausgespielte Karten sind fürs erste verloren und können erst wieder genutzt werden, wenn die Ausruhen-Karte gespielt wurde. Man erhält für alle bis dahin gespielten Karte eine Münze und nimmt alle Karten wieder auf die Hand. Danach ist der eigene Zug direkt beendet.
Hat man nicht die Ausruhen-Karte gespielt, geht der Zug weiter. Nun muss man das eigene Boot mindestens einen Abschnitt weit bewegen. Die maximale Distanz wird über die Anzahl Ruderer bestimmt. Man darf sich durch andere Boote bewegen, aber nie im gleichen Abschnitt stehen. Die königliche Barke blockiert die Kreuzung, auf der sie steht.
Handel auf dem Fluss
Ist die Bewegung beendet, darf man an beiden angrenzenden Ständen handeln. Dort kann man die vier Ressourcen zum aktuellen Preis kaufen oder verkaufen. Diese Ressourcen kann man an den Restaurantständen abliefern, um Bestellungen zu erfüllen. Zudem kann man die Ressourcen auch zusammen mit Blumen nutzen, um im Tempel Gaben darzubringen.
An den übrigen drei Standtypen kann man Gebäude, neue Karten oder Körbe und Ruderer kaufen. Befindet sich die Barke des Königs an einer Kreuzung angrenzend zum eigenen Boot, darf man diesem auch noch Tribut zollen. Man wählt das am weitesten links liegende freie Feld auf einer der drei Königsleisten, zahlt die entsprechenden Ressourcen und platziert dort eine Wertungsscheibe. Als Belohnung erhält man einen Gunstmarker. Mit diesen kann man eine Ware, Ruderer oder Körbe gratis erhalten oder ohne Blumen zu bezahlen im Tempel eine Opfergabe bringen.
Das Spiel endet sofort, wenn zwei der drei Endbedingungen erfüllt sind. Diese sind: eine Person hat alle Gebäude gebaut, eine der drei Königsleisten ist voll und auf einer der Tempelleisten wurde der letzte Bereich erreicht.
Nun verkaufen alle ihre verbliebenen Waren zum aktuellen Marktpreis. Für je fünf Münzen gibt es einen Punkt. Nun werden die Tempel- und Königsleisten gewertet. Auf beiden gibt es eine Mehrheitenwertung. Bei den Königsleisten gibt es weitere Punkte für „Sets“ von Plättchen auf jeder der drei Leisten. Im Tempel bringt jedes Plättchen in Abhängigkeit der Warenart Punkte.
Alle im Spielverlauf erfüllten Bestellungen bringen Punkte. Hat man Aktionskarten, die Siegpunkte bringen, werden diese nun gewertet. Abschließend wird für jede der vier Warenarten überprüft, wer dort die Mehrheit an Gebäuden hat.
Die Person, die nun die meisten Punkte hat, gewinnt das Spiel.
Infobox
Personenzahl: 2 bis 4
Alter: ab 12 Jahren
Spielzeit: 90 bis 120 Minuten
Schwierigkeit: mittel-schwer
Langzeitmotivation: mäßig
Genre: Kennerspiel
Kernmechanismus: Pick up and Deliver
Autor: Alberto Millán
Gestaltung: Michael Menzel
Offizielle Website: Phraya
Erscheinungsjahr: 2022
Sprache: deutsch
Kosten: 50 Euro
Fazit
Phraya bietet eigentlich eine tolle Kombination aus einfachen und übersichtlichen Regeln und hohem taktischen Anspruch. Im Test kann es uns aber in den wichtigen Punkten nicht überzeugen. Es lässt das gewisse Etwas vermissen, das es aus der grauen Masse hervorheben kann, um gut oder sehr gut zu sein.
Die Spielmechanik ist durchaus gelungen, aber wie man es von Euro-Games gewöhnt ist, ist das Thema sehr beliebig. Beides passt zusammen, aber gerade im Hinblick auf den zum Teil unübersichtlichen Punktesalat am Ende, fühlt man das Thema nicht wirklich im Spielverlauf. Gerade optisch kann das von Michael Menzel illustrierte Spiel aber punkten, auch wenn es leider schnell hinter den abstrakten Mechanismen verloren geht.
Die Komponenten können wie das Artwork auch überzeugen. Die Holzkomponente sind wirklich sehr gut. Gleiches gilt für die Karten und das weitere „mobile“ Spielmaterial. Der zusammensteckbare Spielplan ist zwar eine nette Idee, doch in der Umsetzung nicht wirklich ausgereift. Lange halten die „Klammern“ nicht und selbst die vier „Reserveklammern“ dürften schnell kaputt gehen. Bei uns waren bereits nach der zweiten Partie deutlich Abnutzungserscheinungen zu erkennen, die nicht auf einen unsachgemäßen Umgang zurück zu führen sind. Einen spielerischen Mehrwert bietet die ausgelobte Variabilität durch die vielen Kombinationen ebenfalls nicht.
In unserer Ausgabe fehlte leider die Anleitung. Da es die Regeln auch online gibt, war das kein allzu großes Problem, auch wenn sie natürlich dabei sein sollte.
Stichwort Regeln: Diese sind wirklich gut geschrieben. Selbst nach einer längeren Pause zwischen zwei Partien hatten wir keine Probleme zurück ins Spiel zu finden. Trotz der Sprachneutralität machen auch die diversen Symbole schon bei der zweiten Partie keinerlei Probleme mehr. Die Wertung am Ende ist ein ziemlicher Punktesalat, der nicht so ganz zum Spiel passen will. So sind die Wichtigkeit der einzelnen Bereiche ist erst nach einer Partie wirklich klar.
Neben dem zum Teil aufgesetzt wirkenden Punkteverteilung ist der Spielablauf nicht so wirklich gelungen. Das Spiel überreizt seine Zeit sehr stark. Selbst ein Zwei-Personen-Spiel mit leicht angepassten Hausregeln knackt problemlos die zwei Stunden Marke. Zu dritt haben wir in der Erstpartie schon etwas mehr als drei Stunden gebraucht. Für die Entwicklung die das Spiel nimmt, ist das viel zu lange. Upgrades der Karten, Körbe und Ruderer machen sich zwar bemerkbar, geben aber nie das Gefühl „mehr“ schaffen zu können.
Gerade zu Beginn ist das Bewegen auf dem Spielplan sehr träge. Der Spielfluss ist zwar relativ gut und die Downtime ist selbst bei mehr Spielenden noch erträglich, doch die fehlende „Aufwertung“ der Züge lässt schnell Langeweile aufkommen. Man sehnt sich das Spielende herbei. Dies ist nie ein gutes Zeichen in einem Spiel.
Durch ein solches Spielerlebnis hat man auch wenig Lust, das Spiel häufiger zu spielen. Die beliebige Kombination der einzelnen Spielplanteile, suggeriert Variabilität, doch im Endeffekt spürt man davon nichts. Hat man eine Partie beendet, ist man froh fertig zu sein und legt das Spiel lieber erst einmal weg, da es für den Kopf eben doch sehr fordernd ist.
Leider schafft es das Spiel nicht die spielmechanisch zum Teil guten Ansätzen kompakt und spannend zu vereinen und ein Spielerlebnis zu schaffen, das man gerne wieder aus dem Schrank holt.
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