Solobrettspiele sind spätestens seit der Coronapandemie ein nicht mehr wegzudenkendes Phänomen in der Brettspielwelt. Wenn es um Solovarianten geht, gibt es einen Namen, an dem man nicht vorbei kommt: Automa Factory. Alle Stonemaier Spiele erhalten von dort ihre Solovarianten und auch viele weitere großartige Spiele wie Glen More II: Chronicles haben ihren Solomodus dort her. Wir haben mit Morten Monrad Pedersen, dem Gründer der Automa Factory über den Prozess der Entwicklung eines Solomodus gesprochen.
Am Computer oder an Konsolen solo zu spielen ist weit verbreitet. Warum auch nicht, wenn man den Roboter ja gerade als Mittel zum spielen nutzt. In der analogen Welt scheint es erstmal abwegig eine künstliche Intelligenz zu entwickeln, die einen Mitspielenden simuliert. Steckt doch gerade auch das Wort „Gesellschaft“ in Gesellschaftsspiel.
Die Gründe solo zu spielen sind vielfältig und so sind es auch die unterschiedlichen Ausprägungen der Solovarianten. Von Highscorejagden, bei denen man mit jeder Partie versucht besser zu werden, über moderat komplexe kartengesteuerte Bots bis zu mit kleinteiligen Regeln versehenen Gegnersimulationen ist für jeden Geschmack etwas dabei. Ein Name ist in der Welt der Solovarianten präsent wie kein zweiter:
Automa Factory – Solomodus als Markenprodukt
Selbst Brettspielfans, die eher selten bis nie Solo spielen, dürfte die Automa Factory ein Begriff sein. Ihr Logo prangt auf Spielen wie Flügelschlag, Scythe, Viticulture oder Glen More II. Kopf und Gründer der Automa Factory ist Morten Monrad Pedersen. Die „Marke“ Automa Factory ist heute so verbreitet und angesehen, dass sie als Vollzeitberuf betrieben werden kann. Begonnen hat alles mit dem Solomodus für Viticulture von Stonemaier Games, für die die Automa Factory bis heute zu allen Spielen Solovarianten entwickelt. Viele wiederkehrende Elemente finden sich bereits hier wieder.
Der Elefant im Namen ist der Begriff „Automa“. Vielfach wird dieser Begriff synonym zu Begriffen wie Bot, künstlicher Gegner oder AI verwendet. Ursprünglich entstanden ist der Begriff, da Viticulture in Italien spielt und José M. Lopez-Cepero (Mitdesigner des Solomodus) den Begriff als einfache italienische Übersetzung des Wortes Automat vorgeschlagen hat.
Ein „echter“ Automa der Automa Factory folgt sechs Prinzipien, die Morten in seinem Blog auf BGG übersichtlich erläutert. Die einzelnen Prinzipien tauchen natürlich auch an verschiedenen Punkten in diesem Artikel auf.
Wie kommt der Automa ins Spiel?
Bevor es an die Entwicklung eines Solomodus geht, muss erstmal einmal das Spiel mit fehlendem Solomodus her. In der Regel ist es bei der Automa Factory inzwischen so, dass Verlage/Designer auf sie zukommen und es Auftragsarbeiten sind. Da Solovarianten inzwischen quasi zum Standard gehören, übersteigen die Anfragen hier aber bei weitem die personellen und zeitlichen Möglichkeiten.
Einzelne Solovarianten sind aber auch aus Eigeninitiative aus der Automa Factory entstanden. So haben Glen More II: Chronicles oder Patchwork ebenfalls einen Solomodus erhalten, obwohl die Verlage dies nicht aktiv angefragt haben. Solche Fälle bilden aber die absolute Ausnahme.
Liegt das Spiel auf dem Schreibtisch, geht es als erstes darum, die Hauptinteraktionspunkte im Spiel herauszuarbeiten. Nach „Der Automa übernimmt die Rolle eines menschlichen Mitspielenden“ und „Der Mensch spielt nach den gleichen Regeln wie im Mehrpersonenspiel“ ist dies das dritte Hauptprinzip, nach dem ein Automa funktioniert. Zentral ist hier auch die Existenz einer Sieg-/Niederlagebedingung.
Hierbei geht es vor allem darum, zwischen direkter (Angriffe, Arbeiterorte) und indirekter (Upgrades auf persönlichem Tableau) Interaktion zu unterscheiden. Letztere wird in den meisten Fällen ignoriert, da eine Simulation hiervon oft sehr komplex und der spielerische Mehrwert zu vernachlässigen ist. Generell ist das Abwägen zwischen den Punkten „Komplexität der Simulation“ und „Bedeutung für das Spielgefühl“ sehr wichtig.
In Viticulture ist der zentrale Interaktionspunkt das Einsetzen der Arbeiter. Daher blockt der Automa diese zu Beginn jeder Jahreszeit. Was blockiert wird, wird über das Automadeck bestimmt. Hier fehlt noch ein entscheidender Punkt, der bei späteren Automas nicht mehr wegzudenken ist: Der Mensch soll Einfluss auf die Aktionen des Automas haben.
Ein Sonderfall, der wegen seiner Einzigartigkeit hier nicht unerwähnt bleiben soll ist der zusätzlich downloadbare Solomodus für das Roll&Write Rolling Realms, der es wegen der geteilten Meinungen im Test nicht in die offizielle Veröffentlichung geschafft hat. Dieser bricht in gewisser Weise mit dem fünften Prinzip, dass der Mensch nie Entscheidungen für den Automa treffen soll. Dies ist allerdings absolut vertretbar, da der Mensch hier der Automa ist. Man spielt eine Partie mit leicht angepassten Regeln und muss möglichst schlecht punkten (was mit den Sonderregeln schwer gemacht wird), um in einer zweiten Runde die Punktzahl der ersten Partie, nun mit den normalen Regeln, zu schlagen. Der offizielle Solomodus, der mit dem Spiel kommt, ist eine Kampagne aus 18 Szenarien, die als Minigolfplatz thematisiert ist.
Automa – Dumm, aber glücklich
Ein Automa trifft keine klugen Entscheidungen. Dafür schummelt er und führt Aktionen aus, die für sich genommen, denen des Menschen überlegen sind. So gleicht er das Treffen wenig sinnvoller Entscheidungen aus.
Die Entscheidungen des Automas werden meistens von einem Kartendeck vorgegeben. Dessen Zusammenstellung ist immer wieder eine Herausforderung und erfordert ein feinfühliges Balancieren von Vorhersagbarkeit und Zufall. Eine wichtige Entscheidungshilfe beim Festlegen der Kartenmenge sind die Möglichkeiten, die ein Mensch im eigenen Zug hat. Die Verteilung der Aktionen im Deck wird ebenfalls unter Berücksichtigung der menschlichen Möglichkeiten festgelegt.
Steht ein erster Entwurf, wird getestet, angepasst, wieder getestet und weiter angepasst, um dem sechsten Automa-Prinzip gerecht zu werden. Die Regeln des Automas müssen so weit wie möglich gestreamlined werden, ohne das Spielgefühl negativ zu beeinflussen und alle anderen Prinzipien zu erfüllen. Dies kann soweit gehen, dass sich auch mit einzelnen Abschnitten und Formulierungen mehrere Tage beschäftigt wird, um alles so knapp und exakt wie möglich zu gestalten.
Im Entwicklungsprozess kann es beim Regelumfang in beide Richtungen gehen. Manchmal wird komplex angefangen und man kann viel Kürzen ohne den Kern des Spiels zu stören. In anderen Fällen muss aber auch etwas dazu kommen, um das Spielerlebnis wirklich rund zu machen. Bis ein Solomodus wirklich marktreif ist, folgen nach den internen Tests noch viele externe Playtests (ca. 200-300).
Thematisch wird bei der Automa Factory selten gearbeitet. Bis auf den Namen des Automas gibt es eigentlich keinen thematischen Bezug im Entwicklungsprozess, um möglichst nah am Originalspiel zu bleiben.
Solomodus oder Solospiel?
Vor wenigen Wochen ist bei inPatience Mortens eigenes Spiel Skoventyr erscheinen. Auf der SPIEL im letzten Jahr konnte ich es bereits einmal anspielen und kann dieses schnell gespielte Solo-/Koopspiel nach dem ersten Eindruck wärmstens empfehlen. Die neue Veröffentlichung bot sich als Grundlage für den letzten Teil des Interviews mit Morten an: Die Unterschiede zwischen Solomodus und Solospieldesign.
Hierbei zog er einen wirklichen spannenden Vergleich. Der Unterschied zwischen der Entwicklung eines Solomodus und eines ganzen Spiels sei ähnlich wie der Unterschied zwischen Designer und Handwerker. Ersterer denkt sich etwas, etwa beim Hausbau, aus, und der andere muss es dann (mit etwas Freiheit) in recht festgelegten Bahnen umsetzen.
Die Freiheit beim Spieldesign ist ebenso wie die Einschränkung beim Solomodusdesign Fluch und Segen zugleich. Stößt man auf ein Problem kann man es im eigenen Design einfach grundlegend umgehen, während ein Solomodus das Ausgangsmaterial eben nicht ändern darf. Andererseits erlauben die Vorgaben für einen Solomodus auch das „abarbeiten“ nach bewährten Arbeitsschritten.
Grundsätzlich sieht sich Morten in diesem Vergleich eher wie der Handwerker. Skoventyr als Herzensprojekt war eine schöne Nebenaufgabe und doch deutlich zeitintensiver als das Entwickeln eines Solomodus. Das Entwickeln von Solovarianten sichert das Einkommen und gerade im Fall von Stonemaier sind auch die Auflagen bei Mehrpersonenspielen um ein vielfaches größer als die eines Solospiels. Mit der etablierten Marke „Automa Factory“ zahlt sich das Handwerk „Solomodus“ aus.
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