Madden NFL 23 erscheint jährlich kurz vor dem offiziellen Start der Footballsaison – für Fans ist das eine Konstante. Die Nummerierung hinter dem Spieletitel deutet es bereuts an: die Electronic Arts Spielereihe blickt auf eine lange Geschichte zurück – die ist bittersüß dieses Jahr, denn mit dem „Coach“ verliert das Franchise seinen Namensgeber.
Mit dem Tod von John Madden hat sich zwar nichts direkt verändert für die Spielereihe, dennoch hat es die Historie des Sportspiels beeinträchtigt: Immerhin hinterlässt der „Coach“ bezogen auf Madden NFL ein Vermächtnis. Dass Electronic Arts der Legende eine eigene Spiel-Version widmet, ist daher eine Ehrung für einen Mann, der in der Spielsimulation von Beginn an ein Äquivalent zum Footballsport auf dem Rasen gesehen hat. Die Erwartungshaltung der Fans an Madden NFL 23 schien immens zu Jahr. Blickt man auf die vergangenen Einträge der Sportspielreihe zurück, so dürfte allerdings klar gewesen sein, dass man keine Runderneuerung erhoffen darf.
EA Tiburon setzt auch dieses Jahr auf eine Cross-Plattform-Version: Madden NFL 23 erscheint für PC sowie die Sonys und Microsoft Last-Gen-Konsolen wie auch Current-Gen-Rechenmonster. Klar war damit frühzeitig: Man wird sich auf Einschränkungen gefasst machen müssen. Und so kam es letztendlich auch. Madden NFL 23 ist der beste Teil der letzten Jahre, insgesamt allerdings dennoch nur im Detail verbessert. Der große – und von vielen Fans erhoffte Umbau bleibt zumindest für dieses Jahr aus. Dennoch: mit Madden NFL 23 sind Electronic Arts und EA Tiburon auf dem richtigen Weg.
Madden NFL 23: Beste Version der letzten Jahre
Tom Brady bei den Buccaneers, kein „Big Ben“ bei Pittsburgh, Aaron Rodgers vor dem sich anbahnenden Ruhestand – es verändert sich viel im Football-Segment. Madden NFL 23 mit seinem jährlichen Standard-Auftritt ist da schon fast eine Art willkommene Konstante. Das ist seit Jahren ein Fluch und Segen zugleich für die Sportspielreihe – die Qualität bewegt sich oft auf einem guten Niveau, Neuerungen sucht man dafür allerdings vergebens. Auch die 2022er-Version bildet keine Ausnahme. Electronic Arts befindet sich allerdings auch in einer echten Luxus-Situation: der Publisher ist der einzige, der überhaupt NFL-Football-Videospiele veröffentlichen darf. Womöglich fehlt die Konkurrenz, welche die Entwickler auf den letzten Yards zu Bestleistungen anzutreiben vermag.
Dabei macht Madden NFL 23 seine Sache insgesamt gut. Man versucht, die Serie auf eine Art zu ihren Ursprüngen zurück zu bringen. Um John Madden ist seit über 20 Jahren auf dem Cover des Spiels zu sehen, ein Vermächtnis-Spiel dient als Geschichtsstunde für jene, die auf den NFL-Hype erst jetzt aufgesprungen sind. Namen von Favre bis Moss sind dabei, sogar der alte Hexenkessel der Oakland Raiders ist im Spiel zu finden. Madden NFL 23 sieht sich zumindest in Teilen als Würdigung an John Maddens Videospiel-Lebenswerk, das zweifellos eines ist: der Legende nach war es der damalige EA-Gründer Trip Hawkins, der sich an den Coach wandte, um einer Football-Spielereihe einen populären Stempel zu verleihen. Madden stellte eine Bedingung: das Spiel müsse den echten Football abbilden.
So sehr man die einzelnen Teile von Madden NFL über die Jahre auch kritisieren kann, eines hat das Franchise stets geschafft: NFL-Football auf einer Spielemaschine authentisch zu simulieren. Die diesjährige Auflage des Spiels ist die beste der letzten Jahre – ja, auch Madden NFL 23 lässt vieles unverändert, geht notwendige Baustellen nicht an, optimiert aber auf Detailebene so konsequent wie selten zuvor. Offensichtlich ist das alles aber nicht, denn hält man den Controller erst in den Händen, fühlt sich das Spiel an wie immer.
Butterweiche Animationen
Schaut man genauer hin, hat sich die Action auf dem Rasen deutlich verändert: die Animationen sind insgesamt besser, die Spielerbewegungen weicher und authentischer, die Defense-KI agiert cleverer und hier und da gibt es einige echte Neuerungen, so etwa zusätzlich Touchdown-Optiken oder eine erweiterte Farbpalette. Madden NFL 23 hat einige Optimierungen durchgemacht, ist grundsätzlich aber noch jene Grundgerüst der letzten Jahre. Darin liegt wohl der größte Kritikpunkt. Rein grafisch hat sich kaum etwas verändert – dabei bieten doch die Playstation 5 und die Xbox Series X alles, was die Entwickler bräuchten, um aus einem schönen Sportspiel ein optisch grandioses zu machen. Die Präsentation hungert danach sogar: so ein Live-TV-Feeling wie bei Madden NFL gibt es in kaum einem Sportspiel – grafisch müsste man das deutlich intensiver unterstützen.
Die Stagnation der Madden NFL-Reihe bietet genügend Anlass für Kritik, denn andere Sportspielsimulationen dringen deutlicher auf offensichtliche Verbesserungen. Die Football-Videospielserie wird so ganz leise und heimlich verdrängt aus dem Segment der Topsimulationen. Publisher Electronic Arts und die Entwickler bei EA Tiburon müssen reagieren, womöglich planen sie es längst. Denn: Madden NFL 23 zeigt bei allen sichtbaren Kritikpunkten, dass man sich auf einem guten Weg befindet.
Die neue Auflage des Spiels fühlt sich zumindest deutlich anders an als die Vorgängertitel. Das liegt vor allem an den vielen kleinen Änderungen: die Kontrolle über die Spieler ist präsenter, nicht zuletzt liegt das an den optimierten Animationen. Man hat deutlich mehr Kontrolle über den Ball, insbesondere in jenen Situationen, in denen es um Würfe in winzige Passfenster geht. Zu spüren bekommen Fans das auf dem virtuellen Rasen in der Red-Zone oder am Rand des Feldes – wo wenig Platz für knifflige Manöver ist, blüht Madden NFL 23 regelrecht auf. Man hat mehr Chancen, sich aus Bedrängnissituationen zu befreien.
Gleichzeitig agiert die Defensive intelligenter, lässt weniger zu. Macht den Ausflug des Quarterbacks aus seiner Pocket zu einem gefährlichen Spiel. Einfach so agieren wie man es auch den Vorgängern gewohnt ist, funktioniert nicht mehr oder selten. Das ist ein deutliches Zeichen dafür, dass sich bei Madden NFL 23 viel geändert hat, obwohl man das kaum sieht. Bugs und Glitches gibt es, aber sie sind weniger geworden als bei den Versionen der Vorjahre. Der Start in die neue Saison gelingt der 23er-Auflage besser.
Madden ist Madden
Am Ende ist auch Madden NFL 23 ein Madden-Teil: Ultimate Team und der Face of the Franchise-Mode bildet die Kernstücke der Footballsimulation. Grundsätzlich gibt es wenig Anlass, daran etwas auf tiefgreifender Ebene zu verändern. Was fehlt, sind neue Formate. „The Yard“ war etwa eine mutige Idee, aber kein großer Wurf. Es braucht für die kommende Auflage des Spiels einfach frische Ideen. Vor allem eine Überarbeitung des Karrieremodus hätten Madden NFL verdient: hier bleibt man nämlich dramatisch hinter vergleichbaren Spielmodi aus anderen Sportspielen zurück. MLB, NBA 2K, sogar Fifa machen es um Längen besser. Alles schlecht also? Nein. Eine gute Basis für Weiterentwicklung ist vorhanden. Und genau das macht Hoffnung und sorgt für Vorfreude auf Madden NFL 24. Die Entwickler scheinen eine Art Vision für die Reihe zu haben – vielleicht traut man sich nur noch nicht, damit aus an die Öffentlichkeit zu treten.
Madden NFL 23 macht trotz seiner Macken viel Spaß und der Titel wird mit seinen Live-Daten über die nächsten Monate für Unterhaltung sorgen bei den Football-Fans. Als sicher gilt: EA Tiburon wird – wie zuvor bei Madden NFL 22 – im Verlauf der echten Saison für viele Anpassungen sorgen, die das Spiel noch einen Deut besser machen als der aktuelle Status-quo. Am Ende des Tages galt ohnehin schon immer: als Madden NFL-Fans muss man kleine Abstriche machen. Die große Simulation einer umfassenden Liga ist das motivierende Kernstück der Spielereihe – als Fans der ersten Stunde wird man das noch mehr verstehen. Kritikpunkte gibt es, Fakt ist aber auch: richtig schlecht war Madden NFL selbst in seinen schwächsten Momenten nicht. Mehr Dynamik abseits des Platzes; etwas mehr Story an den notwendigen Stellen; mehr Optionen beim Kadermanagement, aber weniger Verwaltungsaufwand; ein bisschen mehr Arcade für die Momente zwischen dem ernsten Spiel und eine ordentliche Portion Next-Gen-Grafik könnten aus Madden NFL ohne viel Zutun eine Top-Sportsimulation machen. Es ist alles da, man muss es nur auch abrufen.
Wenn die Spielereihe schon immer etwas konnte und es auch dieses Jahr zeigt: Madden NFL ist Sportsimulation pur, sobald der Kickoff erfolgt ist. Die größten Kritikpunkte findet man abseits davon.
Man kann der Reihe vorwerfen, sie habe den Sprung hin zur neuen Current-Gen noch nicht vollumfänglich gewagt. Zweifellos muss das erfolgen, dennoch gibt es zwischen den Versionen für Playstation 5 und Xbox Series sowie den Varianten für die Last-Gen-Konsolen und PC deutlich Unterschiede. Updates für das Passspiel und Laufspiel sind offensichtlich, Verbesserungen bei der Künstlichen Intelligenz schließen sich an und auf der Xbox Series X kann man gar mit 120 FPS spielen. EA Tiburon hat optimiert, nicht bloß Madden NFL 22 als Basis zum kopieren genutzt. Dass ausgerechnet die PC-Version nicht mit den Powerkonsolen mithalten kann, ist ärgerlich, aber offenbar ist man sich der Situation bei EA bereits bewusst.
„Field Sense“ ist jedenfalls eine hervorragende Optimierung, die sich nahtlos in die Riege der gelungenen Features des inzwischen über zehn Jahre alten „Game Flow“ und die Ignite-Engine aus 2013 einreiht. Das Motto für Madden NFL 23 ist demnach: alles und jeder auf dem Feld ist in das Spielgeschehen involviert. Der ganz große Wurf ist es am Ende aber auch nicht, sondern eine Stellschraube von vielen. So richtig merkt man es nicht mal, denn im teils hektischen Spielablauf ist man – zum Glück – mit anderen Dingen beschäftigt.
Der Spaß kommt auf, weil die Kontrolle über die Spieler besser ist als jemals zu vor. Moves auf engem Raum, defensive Manöver, überraschende Taktikänderungen, raffiniertes Laufspiel – Madden NFL 23 erlaubt vieles, um den Gegner in die Irre zu führen. Spürbar wird im ansonsten stagnierenden Face of the Franchise-Modus dennoch etwas: als junger Spieler agiert man diesmal tatsächlich im Rahmen eines echten Anfänger-Settings. Man ist nicht Collegestar und durchlebt ein vorgefertigtes Drama.
Infobox
Spielerzahl: Singleplayer, Multiplayer
Alter: USK ab 0
Schwierigkeit: mittel
Langzeitmotivation: hoch
Genre: Sportspiel
Untergenre: American-Football-Simulation
Entwickler: EA Tiburon
Publisher: EA Sports
Offizielle Website: Link
Erscheinungsjahr: 2022
Plattformen (Testsystem): PC, Playstation 4, Playstation 5, Xbox One, Xbox Series X|S
Sprache: deutsch
Kosten: ab 59,99 Euro
Fazit
Madden NFL 23 ist nicht der oft gewünschte Neustart der Reihe, aber ein Spiel, das erneut einen Deut besser als sein Vorgänger ist. Die Anpassungen fallen dabei dieses Jahr nicht so offensichtlich aus: Vielmehr spürt man, dass sich einiges verbessert hat, kann mitunter aber gar nicht sagen, was genau das ist.
Wie schon immer glänzt Madden NFL 23 sobald es mit der Action losgeht auf dem virtuellen Rasen. Ein Grund dafür: Madden NFL ist immer noch ein Spaß, der sich auf eine aktuelle Spielsaison beschränkt. NFL-Football im echten Leben ist hingegen ein ganzjähriges Spektakel, auch wenn das in den deutschen Medien längst nicht so präsent ist wie mit dem Start der Season. Im Grunde bildet Electronic Arts mit dem Spiel also nur einen Teil dessen ab, was Football bedeutet. Viel Potenzial bleibt demnach liegen beziehungsweise verkümmert – spürbar wird das vor allem im Kernmodus Face of the Franchise, der gut ist, sobald es um die sportliche Action geht, allerdings nur Mittelmaß erreicht, wenn es auf dem Bildschirm um die Simulation des realen Football-Geschehens dreht. Also bleibt es erneut bei lahmer Social-Media-Spielerei und etwas Trash-Talk als Sidekick, um irgendwie von Spielfeld-Aktion zu Spielfeld-Aktion zu gelangen. Hier bräuchte es dringend frische Ideen – Vorbilder hätte EA Tiburon auf dem Game-Markt genug.
Madden ist Madden – mit allen Schwächen und Stärken. So belanglos sich das Spiel bisweilen präsentieren kann, so grandios sind die Momente, wenn man die Kontrolle über das Team übernimmt und die Action tatsächlich steuert. All das nötigt dem Spieler Einarbeitungszeit ab: richtig gut wird auch Madden NFL 23 erst, wenn man das Repertoire der Moves drauf hat und die Sticks mit gutem Timing bewegen kann, um seine Leistung abzurufen. Dann kann man brillante Taktiken auf dem Feld umsetzen, Gegner überraschen, mit Spielzügen tricksen und letztendlich über die vier Viertel kleine und große Erfolge feiern – vom Yard-Gewinn bis hin zum Touchdown.
All das sieht erneut gut, selten aber überragend aus. Auch hier haben die Entwickler Luft nach oben. Madden NFL 23 erfindet die Reihe nicht neu – wirklich erwartet hat das aber auch niemand. Was das Spiel hingegen hervorragend umzusetzen vermag, ist die Adaption der individuellen Klasse der einzelnen Stars. Es macht einen Unterschied, ob man Passmaschine Aaron Rodgers am Stick hängt oder man mit einem mobilen Quarterback wie Patrick Mahomes auch vermeintlich ausweglose Situationen drehen kann. Es zeigt sich oft, dass die Entwickler mit ihren Ideen für ein authentisches Sportspiel auf dem richtigen Weg sind. Nur das Ziel haben sie noch nicht erreicht.
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