NHL 21 ist da, trotz Corona, trotz Verzögerung. Und mit dem neuen Ableger aus der Eishockey-Serie, die Electronic Arts bereits seit 1991 bedient, ist den Entwickler ein echter Coup gelungen: So viel Story steckt nur selten in einem Eishockey-Videospiel. Zudem gibt es die üblichen Verbesserungen: Angepasstes Gameplay, ein bisschen Detail-Tuning, optische Überarbeitungen. Insgesamt bietet NHL 21 ein hervorragendes Gesamtpaket, das weit entfernt ist von einem reinen Kader-Update.
Im Jahr 1991 erschien der erste Titel der NHL-Videospielserie und seitdem ist kein Jahr ohne Neuauflage vergangen. Inzwischen ist man bei NHL 21 angekommen und die Entwickler von EA Vancouver wollten scheinbar alles aus dem letzten vorrangig für Current-Gen-Systeme entwickelten Sportspiel herausholen. NHL 21 ist für Playstation 4 und Xbox One erschienen, wird jedoch auch den Sprung auf die Konsolen der nächsten Generation schaffen, allerdings nicht in einer angepassten Fassung, sondern lediglich über die Abwärtskompatibilität. Smart Delivery zum Beispiel bietet NHL 21 nicht. Dafür bietet die Current-Gen-Fassung fast alles, was sich Fans des Sports für eine digitale Umsetzung wünschen können, einen handwerklich gut gemacht Career-Mode inklusive.
NHL 21 macht spürbaren Sprung
Die Eishockey-Serie NHL wird hierzulande durchaus stiefmütterlich behandelt, mit der Popularität der um Längen erfolgreicheren Konkurrenzsportart Fußball mit FIFA 21 oder dem Trend American Football mit dem neuesten Ableger Madden NFL 21 kann der Kufen-Sport kaum mithalten, trotz lebendiger Vereins- und Sport-Szene auch in Deutschland. Gerade weil aber Eishockey auf professioneller Ebene auch hierzulande gespielt wird, und weil Nachwuchsspieler mitunter sogar den Sprung in die amerikanische Profiliga schaffen, ist NHL 21 ein Videospiel, das man ernst nehmen muss. In diesem Jahr gab es Verzögerungen bei der Veröffentlichung. Corona. Der Stanley Cup ist längst entschieden, eigentlich sollte das Thema Eishockey damit in den Winterschlafe gehen, tut es dank der Veröffentlichung von NHL 21 aber nicht – und das ist gut so, denn ausgerechnet den neuen Ableger möchte man als Fan gar nicht verpassen.
Die größte und auch bedeutsamste Neuerung ist mit „Be a Pro“ der Karriere-Modus des Spiels. Gab es im Vorgänger kaum Veränderungen, hat dieser Spielmodus diesmal einen ordentlich Sprung nach vorn geschafft. Schon die Präsentation überzeugt: ein cineastisches Erlebnis wird kombiniert mit der Geschichte des eigens für den Modus erschaffenen Charakters, der sich von der europäischen oder kanadischen Eishockey-Hoffnung in die Herzen der NHL-Fans spielt. Auf dem Weg liegen jede Menge sportliche Action, aber auch Dialoge mit Trainern und Mitspielern oder die Auseinandersetzung mit den Medien-Meute.
Wichtige Entscheidungen wirken sich dabei mit Vorteilen, aber auch Nachteilen auf den Verlauf der Karriere aus. Das bringt eine Spur mehr Realismus ins Spiel, weil die hinter einigen Entscheidungsfragen stehenden Antworten durchaus realen Karrieren entstammen könnten: Eine Charity-Aktion unterstützen? Super Idee, finden Fans. Konzentriert dich auf die Kohle, meint der Manager. Es gibt im Laufe der Karriere viele dieser Situationen, durch die man das Gefühl vermittelt bekommt, tatsächlich eine individuelle Spielerkarriere zu spielen. Mitunter sind einige Szenen etwas kitschig geraten, aber darüber kann man getrost hinwegsehen. Positiv spielt mit, dass EA Vancouver sich um stimmungsvolle Details gekümmert hat: So gibt es ein Radiosendung mit James Cybulski, hierzulande völlig unbekannt, in den USA und in Kanada jedoch einer der Stars der Sport-Radio-Welt.
Was jederzeit gut vermittelt wird, ist die Tatsache, dass der Weg vom ambitionierten Talent bis hin zum NHL-Profi steinig und herausfordernd ist. Ein Kufen-Star wird nicht über Nacht geboren, wer das bislang nicht wusste, weiß es spätestens nach einigen Spielstunden bei „Be a Pro“. Der Modus ist unterhaltsam, bringt Sport auf den Bildschirm und sorgt für die nötige Portion Drama, um das Erlebnis „menschlich“ wirken zu lassen. Im Verlauf der Karriere wird der Spieler besser, man bekommt stetig Rückmeldungen zu seinen erbrachten Leistungen und wie man diese optimieren kann. Noch besser: Man kann festlegen, welche Art Spieler der eigene Charakter sein soll. Das geht soweit, dass man sogar Einfluss darauf nehmen kann, was man mit seinem Gehalt anstellt. Einige Optionen wirken dabei übertrieben, verbessern aber Charakterwerte und sind daher – trotz gelegentlich unrealistischen Ausmaßen – willkommen. Am Ende kann „Be a Pro“ zwar nicht mit Longshot oder The Journey mithalten, aber für die NHL-Series bedeutet die Ausarbeitung einen bedeutsamen Schritt.
In dem rund 36 Gigabyte großen Client steckt jede Menge Profi-Sport: Verschiedene Modi laden zum Spielen ein, darunter nicht nur der Klassiker 5-gegen-5, sondern auch 3-on-3 oder 1-on-1. Hinzu kommen HUT Rush, Trainingsmatches, der Online-Modus World of Chel, in dem Spieler gegen menschliche Kontrahenten antreten. Vielfach mit dabei ist eine Form von Bestenliste oder Statistik-Spielerei, damit man seine eigenen Leistungen auch einordnen kann. So viel Liebe der Career-Mode erhalten hat, so wenig scheint der Franchise-Modus beachtet worden zu sein, dort gibt es nämlich kaum Veränderungen.
Aber: Weil sich das Spielerlebnis des Manager-Modus ohnehin auf einem hohen Niveau bewegt hat, mussten großer Veränderungen nicht zwingend her. Das Gebotene unterhält, mit den Trading-Termin gibt es zudem ein spannendes Core-Feature. Es ist am Ende auch die Vielfalt aller spielerischen Angebote, die NHL 21 zu einem gelungenen Gesamtpaket macht.
Dabei bedienen sich die Entwickler auf der Trends, die vorherrschen bei Sportspiele, genannt sei der HUT Rush, ein Spaß-Modus, der statt Hinterhof-Fußball oder Kleinfeld-Football eben schnelle Eishockey-Partien in den Fokus nimmt. Das spielt sich unmittelbar, arcadelastig und macht einfach Spaß. Jeder findet am Ende den Modus, der ihm zusagt: vom schnellen Fun-Match bis hin zum Kader-Management kann man den Eishockeysport so intensiv erleben, wie bei keinem anderen Videospiel auf dem Markt.
NHL 21 auf Gameplay-Ebene detailverbessert
So spürbar einige Veränderungen an den Spielmodi sind, so seicht fallen Anpassungen beim Gameplay aus. Das ist nicht einmal negativ gemeint: Die Spielerkontrolle ist wie schon in den vergangenen NHL-Teilen hervorragend, insbesondere die Skill-Sticks sorgen für ein intuitives Steuerungsgefühl. Obwohl die Spieler bei NHL 21 unzählige verschiedene Bewegungen ausführen können, wirkt das Konzept durch die grandiose Steuerung niemals überfrachtet. Jeder Move hat seine Daseinsberechtigung und lässt sich kontrolliert und in der passenden Situation auf dem Eis umsetzen.
Ohnehin wirkt NHL 21 erneut eine Spur realistischer, feiner austariert und näher am echten Eishockey. Auch die verschiedenen wiedererkennbaren Moves legendärer NHL-Profis tragen ihren Teil dazu bei. Die Entwickler haben viel Liebe zum Detail in ihr Projekt gesteckt und das NHL-Spiel in seiner neuesten Auflage tatsächlich weiterentwickelt. Geübten Spieler fällt es leichter Tore zu schießen, auch wenn die KI der Torhüter und Verteidiger diesmal deutlich schlauer ist und cleverer agiert, um Angreifern das Leben schwer zu machen. Auch neue Animationen gehören dazu, was insgesamt zu einem viel authentischeren Eishockey-Erlebnis führt.
Hier und da schleichen sich merkwürdige Spielerbewegung ein, bei denen man sich über die Animation wundert, etwa wenn ein Spieler völlig ungelenk entlang der Bande schlittert oder bei einem Schuss der nötige Fluss in der Bewegung fehlt. Aber das sind am Ende Kleinigkeiten.
Man spürt, dass die Entwickler sich Gedanken gemacht haben, bei dem, was sie implementiert haben. Allen voran die Präsentation ist spürbar verbessert worden und erneut deutlich näher gerückt an eine TV-Übertragung. Alles unter dem Gedanken, dass NHL 21 ein Current-Gen-Spiel ist, aus dem man alles an Möglichkeiten herausgeholt hat. Die Stimmung in den Arenen, inklusive der Ansager und des Kommentators, sind grandios und strotzen mitunter vor Details.
Und nun stelle man sich vor, das Spiel könnte doch den Sprung auf eine optimierte Next-Gen-Version schaffen. Schon jetzt ist digitales Eishockey enorm realistisch und man spürt förmlich die Vorfreude auf den nächsten Serienteil – bei dem dann allerdings auch die Erwartungshaltung deutlich höher sein wird.
Infobox
Spielerzahl: Solo- und Multiplayer
Alter: ab 0 (USK)
Schwierigkeit: mittel bis schwer
Langzeitmotivation: hoch
Publisher: EA Sports
Entwickler: EA Vancouver
Erscheinungsjahr: 2020
Plattformen: Xbox One, Playstation 4
Sprachen: Deutsch
Kosten: 64,99 Euro
Fazit
Viel falsch gemacht haben die Entwickler bei EA Vancouver und Publisher EA Sports mit NHL 21 im Grunde nicht. Der neue Ableger der NHL-Serie fühlt sich wie eine Weiterentwicklung an, wenn auch längst nicht in allen Bereichen des Spiels. Die größten Neuerungen sind dabei allerdings jene, die am meisten überzeugen. Der Career-Modus „Be a Pro“ bringt Spaß und authentisches Eishockey, ebenso gilt das für die Steuerbarkeit der Kufen-Cracks, die sich mit Leichtigkeit über das Eis bewegen lassen. Nie war Tore schießen schöner, nie war es herausfordernder, auch wenn einige Moves durchaus etwas Balancing vertragen könnten. Spürbar verbessert hat sich, wie KI-Gegner agieren, ihr Verhalten wirkt einen Deut cleverer und situationsbezogener. Eine echte Erfrischungskur haben da fast schon die Goalies spendiert bekommen, inklusive neuer Animationen.
So viel Liebe zum Detail die Spielmodi, siehe insbesondere die Alternative HUT Rush, bekommen haben, so wenig hat man am Franchise-Modus getan und dass, obwohl Fans sich seit langer Zeit Änderungen wünschen. Für NHL 22 bleibt hier also jede Menge Luft nach oben. Auch beim Gameplay kann man nachjustieren: Zwar funktioniert das Kern-Gameplay samt Eishockey-Action hervorragend, auf der Mikro-Ebene spürt man aber den einen oder anderen Schnitzer. So etwa wenn man durch die Menüs blättert oder die Online-Matches angehen will. Zwischenzeitlich kam der Eindruck auf, NHL 21 sei deutlich auf den Offline-Modus fokussiert, dort trumpft das Spiel auf, kann überzeugen. Geht es an die Partien via Internet, wird Verzögerung teils deutlich spürbar. „Reibungslos“ und „online“ passen bei NHL 21 nicht immer zusammen.
Wer mit NHL 21 großen Spaß hat, hat ihn daher vermutlich offline. Dort werden die Qualitäten des Spiels dann allerdings spürbar. Die Stimmung in den Stadien ist grandios, die Kommentare mitunter lustig, abwechslungsreich und überwiegend passend. Es braucht schon mehrere Partien, damit man alle Sprüche gehört hat. Diese Authentizität spiegelt sich auch spielerisch wider. Anmutig gleiten die Profis auf Knopfdruck über das Eis, vollführen sanfte Bewegungen oder langen mit der groben Kelle zu. Es gibt viele spannende Ansatzpunkte, die einen Kauf von NHL 21 rechtfertigen, auch wenn der Preis für das insgesamt gebotene Paket vielleicht etwas zu hoch gegriffen ist. Der Markt regelt das jedoch von selbst.