Two Point Hospital ist Nostalgie pur. Nicht, weil SEGAs Krankenhaussimulation so alt wäre, sondern weil sie ein Gefühl zurückbringt, dass vor rund zwei Jahrzehnten schon einmal aufgekommen ist. Es war in den späten Neunzigern als Bullfrog und Electronic Arts mit Theme Hospital den ideellen Vorfahren zu Two Point Hospital auf den Markt brachte. Damals sorgte das für hunderte unterhaltsamer Stunden vor den Bildschirm – und das Konzept funktioniert auch heute noch unglaublich gut. In unserem Test zu Two Point Hospital für Nintendo Switch verraten wir, weshalb SEGAs Krankenhaus-Sim so gut ist.
Wer jemals in einer Krankenhausverwaltung tätig gewesen ist, weiß: Eine Klinik zu managen ist eine echte Mammutaufgabe. Das ist in der Realität der Fall – und auch im Videospiel. Patienten zu kurieren ist schwierig, sie auch noch zufrieden zu machen nahezu unmöglich.
Dennoch ist genau das die Aufgabe des Spielers in der Krankenhaussimulation Two Point Hospital, mit der SEGA das nostalgische Feeling der „Theme“-Reihe wiederaufleben lässt. Zufällig sind die Verwandtschaften nicht: die Macher von damals haben ihre grundlegenden Ideen recycelt, unter neuem Namen – aber nicht weniger unterhaltsam. Ein liebloser Abklatsch eines Theme Hospital ist Two Point Hospital nicht – im Gegenteil.
Two Point Hospital: Spaß für viele Stunden
So ernst das Hintergrundthema auch sein mag, Two Point Hospital sorgt regelmäßig für Lacher im ansonsten stressig Krankenhausalltag: hier ein flotter Spruch von der Info-Theke, dort eine witzige Animation und auch der Radiosender von Two Point trägt seinen Teil zur humorigen Atmosphäre bei. Was positiv auffällt ist die nahezu fehlerfreie Release-Version der Klinik-Simulation. Ein derartig gut funktionierendes Qualitätsmanagement wünscht man sich für jedes Videospiel – und für ein Krankenhaus sowieso.
Bei Two Point Hospital ist es, wie es bei vielen Aufbausimulationen ist: der Einstieg ist seicht, dann kommt der Punkt, an dem es nur noch ums Optimieren geht. SEGAs Quasi-Neuauflage ist ein Paradebeispiel für einen schrittweisen Aufbau der Komplexitätskurve. Die Simulation nimmt den Spieler an die Hand, um ihn an die Aufgaben eines Krankenhausmanagers heranzuführen. Toll: Selbst Genre-Neulinge werden nicht überfordert, sondern haben Zeit, sich mit dem Konzept zurechtfinden zu können, ohne ständig ein neues Spiel starten zu müssen.
Wir haben Two Point Hospital für Nintendo Switch getestet. Im direkten Vergleich zur PC-Fassung fällt auf: Die Grafik der Switch-Variante erreicht nicht die Darstellungsqualität der PC-Version, ist allerdings alles andere als hässlich. Der wuselige Charme bleibt bei Two Point Hospital auch auf der Nintendo Switch erhalten und insgesamt sieht das Spiel sogar hübsch aus. Die Vorteile der Variante für die Hybridkonsole überwiegen: die Krankenhaussimulation überall hin mitnehmen, das ist einfach grandios.
Technisch muss sich die Konsolenfassung nicht hintenanstellen. Das Spiel läuft auch bei größeren Krankenhäusern flüssig und fast ohne Ruckler. Lediglich die Ladezeiten sich manchmal gefühlt etwas zu lang. Weil es im Krankenhausalltag für Personal aber kaum Pausen gibt, geht die Wartezeit aber in Ordnung.
Two Point Hospital fesselt Spieler für viele Stunden an die Konsole – und zu tun gibt es dabei immer etwas. Vom Pausenbereich bis zum Operationssaal müssen Räume händisch errichtet und ausgestattet werden. Die Bedürfnisse der Patienten stehen dabei immer im Fokus. Am Anfang ist das leicht, es gibt wenig Auswahl und wenige Aufgaben. Später wird Two Point Hospital deutlich komplexer und – das ist ein kleines Manko – aufgrund des Interface teilweise etwas unübersichtlich.
Was hingegen gut funktioniert ist die Steuerung der Konsolenversion. Auf der Nintendo Switch müssen Spieler auf die Maussteuerung verzichten, Zimmer lassen sich dennoch einfach auf Knopfdruck erstellen und einrichten. Diesen durchaus kritischen Faktor meistern die Entwickler von Two Point Hospital mit Bravour. Hübsch bauen ist allerdings auch bei dieser Simulation nur ein Teil der Gesamtaufgabe. Es gilt, sich um Personal – vom Pfleger bis zum Hausmeister – zu kümmern und dabei die Fähigkeiten der Angestellten im Auge zu behalten. Was auch immer man auch tun muss, das Spiel führt einen sanft an die einzelnen Aufgaben heran.
Two Point Hospital: Genre-Profis werden durchaus gefordert
Knuffige Grafik, Dudelmusik und jede Menge Witz: das muss ein Aufbauspiel nur für Anfänger, maximal semi-erfahrene Spieler sein. Falsch, Two Point Hospital richtet sich durchaus an Genre-Profis, die sonst lieber Excel-Tabellen durchsuchen als Blumentöpfe in Zimmerecken zu setzen. Der sichte Einstieg täuscht fast schon.
Kommt es einem in den ersten Stunden so vor als hätte man Cheats aktiviert – finanzielle Mittel scheinen da noch unendlich zu sein – steigt der Schwierigkeitsgrad in den späteren Leveln spürbar an. So stark, dass einem das Management des Krankenhauses echtes Kopfzerbrechen bereitet. Dann gilt es, mit Verstand zu bauen: Zimmer müssen clever angeordnet, die Laufwege von Patienten beachtet und auf Sicherheit geachtet werden. Die drohende Katastrophe schwebt jederzeit wie ein Damoklesschwert über einem teuren Behandlungszimmer – und tritt der Ernstfall, etwa ein Feuer, tatsächlich ein, kann das schnell den Ruin bedeuten. Two Point Hospital startet leicht, ist aber alles andere als einfach.
Und dennoch versprüht Two Point Hospital jenen nostalgischen Charme, den Fans vom Klassiker Theme Hospitel kennen. Die Veränderungen sind vorhanden, allerdings niemals so aufdringlich, dass Two Point Hospital tatsächlich als völlig anderes Spiel wahrgenommen wird. Wer Theme Hospital nicht kennt, muss sich darüber ohnehin keine Gedanken machen und wird hervorragend unterhalten.
Media zu Two Point Hospital
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Infobox
Spielerzahl: Solo-Modus
Alter: USK ab 0 Jahren
Spieldauer: 30+ Spielstunden
Schwierigkeit: mittel
Langzeitmotivation: hoch
Publisher: SEGA
Entwickler: Two Point Studios; Red Kite Games
Erscheinungsjahr: 2018 (PC); 2020 (Konsolen)
Plattformen: PC, Xbox One, Playstation 4, Nintendo Switch
Sprache: Deutsch
Kosten: ab 39,99 Euro
Fazit
Two Point Hospital für Nintendo Switch hat sich im Test als eine dieser Aufbausimulationen entpuppt, an denen man kaum vorbeikommt, wenn man das Genre auch nur ansatzweise mag. Wer wuselige Aufbauspiele mag, wird in dieser Klinik-Sim einen Must-have-Titel finden.
Two Point Hospital unterhält für unzählige Stunden. Heruntergebrochen auf den Kaufpreis, wartet das Spiel für Nintendo Switch mit einem tollten Preis-Leistungs-Verhältnis auf. Noch besser: auch langfristig wird die Motivation vorhanden sein, weil SEGA bereits erste DLCs auf den Markt wirft. „Off the Grid“ ist kürzlich für PC erschienen, eine Umsetzung auch für Konsolen ist allerdings wahrscheinlich.
„Schönbauer“ finden bei Two Point Hospital genauso ihre Aufgaben wie Optimierungs-Fanatiker. Letztere werden auf höheren Spielstufen sogar enorm gefordert, denn dann kommt es tatsächlich auf jeden noch so kleinen Handgriff an, damit der Krankenhausalltag rund läuft. Immer wieder sorgen neue Ideen dafür, dass Spieler Hand an die Joy-Cons legen.
Hinzu kommt der fast schon nostalgische Humor, der aufgrund der heutigen technischen Möglichkeiten weitaus besser rüberkommt als in den späten Neuzigern. Das Spiel ist quasi „moderne Nostalgie“ und besticht mit allem, was Theme Hospital damals ausgemacht hat – ohne darauf reduziert zu sein.
Two Point Hospital für Nintendo Switch hat uns spielerisch und technisch überzeugt, die Grafik ist erkennbar schwächer als bei der PC-Fassung, allerdings trotzdem hübsch. Der Konsolen-Port ist zudem einwandfrei umgesetzt. Lob an die Entwickler.