Das Strategiespiel „Through the Darkest of Times“ hinterlässt bleibende Eindrücke. Nur wenig andere Videospiele schaffen es, Spieler derart intensiv zum nachdenken anzuregen. Dabei sind all jene Inhalte, die das Berliner Indie-Entwicklerstudio Paintbucket Games dem Spiel zugrundegelegt hat, längst bekannt – zumindest sollten sie es sein. Das selbsternannte historische Widerstands-Strategiespiel ist ein ambitioniertes und zugleich mutiges Projekt. Eines, das in dieser Form nur in Deutschland entstehen kann – weil es nur dann wirkt, wie es wirken soll.
Bereits in den ersten Minuten von „Through the Darkest of Times“ entsteht dieser intensive Moment, in dem Spielern klar wird, worum es geht: Die Schrecken des Dritten Reichs – ungeschönt, nur hübsch verpackt. Das Strategiespiel von Paintbucket Games, die nun mit Handy Games (mittlerweile Teil von THQ Nordic) kooperieren, stellt die Gräuel des Zweiten Weltkriegs in den Mittelpunkt, aus der Sicht einer Widerstandsgruppe.
„Hitler ist Kanzler“ – und der Schrecken beginnt
„Through the Darkest of Times“ ist ein ambitioniertes, ein mutiges Projekt. Nur ein deutsches Entwicklerstudio konnte einem derartigen Spiel Glaubhaftigkeit verleihen. Die Truppe von Paintbucket Games hat viel riskiert: Ein Videospiel von Deutschen, in denen das Wort „Nazi“ tatsächlich ausgeschrieben wird? Ein Affront. Und dann kommen auch noch Hakenkreuze vor. Vor einiger Zeit wäre das noch undenkbar gewesen.
Mittlerweile hat die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (kurz: USK) ihre Rechtsauffassung verändert und nun eine deutlich aktivere Rolle übernommen. An die Moderne angepasst sozusagen. Bis Anfang August 2018 wurden Titel, in denen Nazi-Symbole auch nur zu sehen sind, nicht für eine Prüfung angenommen. Schon Mitte August änderte sich alles: „Through the Darkest of Times“ hat eine Altersfreigabe ab 12 Jahren erhalten – trotz überall präsenter Hakenkreuze. Oder gerade wegen ihnen.
Das Spiel der Berliner Indie-Entwickler war ein Game-Changer. Es hat die Wende eingeläutet und zukünftigen historisch-lehrreichen Spielen einen Weg geebnet. Erscheinen wird der Titel definitiv für PC-Steam und MAC, Konsolenversionen für Xbox One, Playstation 4 und Nintendo Switch sind möglich. Aus der deutschen Vergangenheit lernen darf dann nahezu jeder. Und „Through the Darkest of Times“ bietet dafür viele Gelegenheiten.
Spieler steuern eine Widerstandsgruppe zur Zeit des Zweiten Weltkriegs. In vier Etappen erfahren sie dann, was zwischen 1933 und 1945 geschehen ist. Die Geschichte ändern können Spieler nicht, einzelne Schicksale beeinflussen dagegen schon. Die Identifikation mit den Widerständlern fällt leicht. Statt auf bekannte Widerstandskämpfer zu setzen, werfen die Entwickler dem Spieler im Rahmen eines Charaktereditors eine fiktive Person vor die Füße. Ein Fehler ist das nicht. Im Gegenteil: dieser Kniff ist äußerst clever. Es braucht keine Sophie Scholl und keinen Alexander Schmorell, keinen Georg Elser, um den Widerstand gegen das Nazi-Regime glaubhaft zum Leben zu erwecken. Der Spieler fühlt in den Schuhen eines völlig unbekannten, weil fiktiven Charakters, ebenso mit. Warum? Weil die Spielfigur zur damaligen Zeit jeder hätte sein können: der Klassenlehrer, die Nachbarin, der Verkäufer im Tante-Emma-Laden an der Ecke, sogar der eigene Vater oder die eigene Mutter.
Gründliche Recherche statt „Nazi-Keule“
Das Gameplay in „Through the Darkest of Times“ orientiert sich an strategischen Titeln, in denen Ressourcen-Management im Fokus steht. Widerständler werden auf Missionen geschickt, um einzusammeln, was gerade benötigt wird: Geld, Unterstützung oder Moral. Vor allem letztere geht im Verlaufe der Kapitel immer schneller zur Neige. Je weiter sich die Nationalsozialisten ausbreiten, desto schwieriger wird es, die Moral der Widerstandsgruppe aufrecht zu erhalten. Das ist kein spielerischer Kniff allein, sondern das Ergebnis einer gründlichen Recherche seitens der Entwickler: Wie stand es um die Widerstandsgruppe im Dritten Reich im Verlauf des Zweiten Weltkriegs? Auch Erfahrungen und Erzählungen sind in die Entwicklung eingeflossen.
Während der Strategie-Phasen des Spiels vergisst man manchmal worum es eigentlich geht. Dann folgt die nächste Zwischensequenz und die grausame Vergangenheit trifft den Spieler mit der Wucht eines Vorschlaghammers. Eine Szene: Lodernde Flammen, eine Menschenmenge steht johlend darum – eine Hassrede von Jospeh Goebbels läuft als Hintergrund-Sound. Beängstigend atmosphärisch, weil damals real. Als Spieler weiß man das – oder sollte es zumindest wissen.
Aber es soll noch schlimmer werden. Dialogoptionen öffnen sich und dem Spieler wird klar: Man kommuniziert direkt mit Erich Kästner. Der Schriftsteller, der im Jahr 1933 dem Ritual Berliner Studenten beiwohnte, die „undeutsche Bücher“ verbrannten. Unerträglich wird die Szene, als man als Spieler realisiert, dass man – trotz direkter Interkation im Rahmen des Dialogs – nichts tun kann, um die Geschichte zu verändern. Die historische Tiefe von „Through the Darkest of Times“ ist der eigentliche Star des Spiels, das kein Ergebnis eines Schwungs mit der Nazi-Keule ist, sondern die Vergangenheit so einfängt, wie sie stattgefunden hat – wie sie sich angefühlt haben muss. Nur Deutsche konnten das Spiel in dieser Form entwickeln: eindringlich, erschreckend, sensibel – immer aber gründlich recherchiert.
Auch spielerisch ist „Through the Darkest of Times“ überzeugend: Jede Handlung wirkt sich aus, jeder Klick wird sozusagen zur Geschichte. Am Ende einer Spielsession hat man viel gelernt. Ein „Spielvergnügen“ findet man eher auf einer Metaebene. Niemand schreit laut „Hurra!“, wenn ein ausgesandter Widerstandstrupp erfolgreich von einer Mission zurückkehrt – zufrieden ist man als Spieler dennoch. Man hat am Rad der Zeit gedreht, wenn auch nur in einer fiktiven Umgebung.
Es bleiben quälende Fragen: Warum haben damals nicht mehr Menschen den Mut zum Widerstand aufgebracht? Und was wäre gewesen, wenn sie es getan hätten? Ein Happy End gibt es bekanntlich nicht – oder viel zu spät.
Das Konzept überzeugte bereits vor zwei Jahren derart, dass das Berlin-Brandenburgische Medien-Board das Videospiel mit 70.000 Euro gefördert hat. Im Vergleich zu Millionenproduktionen sind das Peanuts, für ein kleines Indie-Entwicklerstudio ist die Summe mehr als nur finanzieller Natur: Es ist eine Anerkennung ihrer Arbeit.
Das Duo von Paintbucket Games war unermüdlich unterwegs, um das Projekt zu präsentieren, auch auf der Gamescom 2019. Mittlerweile hat sich mit Handy Games aus der THQ-Nordic-Familie ein Publisher gefunden, der das Videospiel vermarkten und vertreiben wird. Für das umfassende Projekt nimmt man sich Zeit, ein genaues Veröffentlichungsdatum gibt es nicht, geplant ist Anfang 2020.
Wir veröffentlichen aktuelle News aus den Bereichen Brett- und Kartenspiele, Literatur und Film, Spielwaren, Videospiele und Veranstaltungen. Senden Sie uns eine E-Mail mit ihrer Pressemitteilung.
Noch mehr aktuelle Informationen, Berichte und Fotos zur Gamescom gibt es >> hier <<.