Das Brettspiel Cities Skylines gehört zu jenem Titel-Trio, das der Videospieleentwickler Paradox Interactive vom Bildschirm auf den Tisch geholt hat. In Kooperation mit unterschiedlichen Verlage entstanden so Brettspiele zu Crusader Kings, Europa Universalis und eben Cities Skylines. Letztes ist im Verlag Kosmos erschienen. Das Endprodukt ist gelungen, trotz des abgedroschenen Themas. Warum das so ist, verraten wir in der nachfolgenden Rezension zu Cities Skylines.
Cities Skylines ist nicht das erste Städtebau-Brettspiel – und es wird auch nicht das letzte sein. Zumindest hat Kosmos eine ziemlich gute Ausrede dafür, dass ausgerechnet der Klassiker unter den Settings erneut verarbeitet wurde: Das Brettspiel basiert nämlich auf der gleichnamigen Städtebausimulation des schwedischen Studios und Publishers Paradox Interactive, bekannt durch meist besonders komplexe Videospiele.
Cities Skylines: Videospiel als Brettspiel
Für Paradox-Verhältnisse ist Cities Skylines fast schon zu seicht. Belohnt wird das allerdings durch gute Verkaufszahlen: Allein rund fünf Millionen PC-Versionen gingen über die Ladentheken. Derartige Verkaufszahlen lassen sich mit einem Brettspiel momentan kaum erzielen, dennoch kommt Cities Skylines auch in der Brettspiel-Version gut an. Verantwortlich für die Adaption ist der Schwede Rustan Hakansson, unter anderem als Autor von HexRoller, Dungeon Rush oder Nations bekannt.
Das Brettspiel Cities Skylines versucht das Konzept der Vorlage zunächst möglichst genau zu treffen. Spieler agieren kooperativ, um eine florierende Stadt aufzubauen. Das gestaltet sich zunächst jedoch schwieriger als man denkt. Puzzle-Teile legen allein reicht nicht aus, auch Glück gehört dazu. Und so kommt schnell ein vom Videospiel bekanntes Gefühl auf: „Hätte ich doch mal lieber…“ – und zack: zurück zum Titelbildschirm. Neue Map. Neue Stadt. Neue Fehler. Das setzt sich fort, solange, bis man die Synergien durchblickt hat, auf die es beim Städtebau ankommt. Auch bei der Brettspiel-Variante von Cities Skylines ist das nicht anders. Man benötigt einige Spielrunden, um überhaupt herausfinden zu können, was die „analogen Städte“ für ihre Erbauer bereithalten. Dann allerdings nimmt die taktische Komponente deutlich an Fahrt auf und Cities Skylines kommt nah heran an das Spielgefühl des digitalen Originals.
Manchmal endet es allerdings auch unbefriedigend: Nämlich wenn einem das „Game over“ durch die Köpfe schwirrt und man im Nachhinein herausfindet, dass man das Ende gar nicht hätte umgehen können. Das sind die Momente, in denen der Glücksfaktor von Cities Skylines zum Vorschein kommt. Das mag unter reinen Gewinn-Prämissen nicht immer gut ankommen, sorgt in diesem speziellen Fall jedoch dafür, dass die Brettspielumsetzung von Rustan Hakansson, hierzulande erschienen im Verlag Kosmos, zu einem Titel wird, den man mehrfach auf den Tisch bringen muss – und es auch wird – weil man irgendwann wenigstens einmal gewinnen muss.
Aus dem Glücksfaktor wird so ein Spannungselement: Am Spielkonzept zu scheitern, ist Teil der Idee von Cities Skylines. Grundsätzlich ist das für ein Familienspiel ein gefährlicher Kniff. Die Motivation könnte darunter leiden, tut sie aber nicht. Das liegt nicht zuletzt an der vergleichsweise kurzen Spielzeit von maximal etwa über einer Stunde pro Partie. Stets gilt es, bei den Einwohnern eine hohe Zufriedenheit zu erreichen. Der Weg führt die Spieler dabei gemeinsam über verschiedene Zwischenwertungen.
Einfache Regeln weisen Stadtplanern den Weg
Das klingt alles enorm komplex, ist es am Tisch allerdings nicht. Der Unterschied zur Videospiel-Vorlage ist die höhere Einsteigerfreundlichkeit des Brettspiels: die Regeln sind verständlich und leicht nachvollziehbar, das Material bildet ab, was man rein mechanisch verstehen muss. Das animiert durchaus auch jüngere Mitspieler dazu, am kooperativen Städtebau teilzunehmen. Einfach ist Cities Skylines deshalb aber nicht. Das Städtebau-Brettspiel findet seinen Platz irgendwo auf dem Weg hin zum Kennerspiel. Kommunikation ist erforderlich, die interaktive Komponente dadurch stets spürbar. Wer will, kann Cities Skylines allerdings auch im Solo-Modus spielen: Das funktioniert gut, mehr Spaß macht es allerdings im Verbund mit anderen Städteplanern.
Damit wird der wesentliche Faktor von Cities Skylines: Das Brettspiel sichtbar. Es geht viel mehr um die Städteplanung als um den Städtebau. Letztere wird symbolisiert durch das Anlegen von „Tetris“-Plättchen, die sowohl positive als auch negative Eigenschaften aufweisen. Der wesentliche Kniff ist jedoch die Überlegung zu den Auswirkungen auf dem Spielplan, nicht das Auslegen der Spielteile an sich. Selbstverständlich gibt es dabei verschiedene Bereiche, die man auch aus dem Videospiel kennt: So etwa Wohnflächen, Gewerbegebiete oder Industrie, aber auch den Versorgungs- und Dienstleistungssektor sowie Spezialteile. Das Material ist nicht zu beanstanden: solide, auf dem Tisch optisch ansprechend und doch übersichtlich – zudem ist die Vorlage von Cities Skylines stets erkennbar. Optisch etwas aufgebohrter hätten die Spielkarten sein dürfen, die wirken nicht immer wie „frisch aus dem Videospiel“, sondern wie „frisch aus dem Start ins Millennium“, sind aber funktional und verständlich.
Die einzelnen Gebiete greifen dabei ineinander, bedingen sich gegenseitig und machen so das Planungserfordernis auf Spielerseite spürbar. Wohnungen zu bauen verschlingt etwa Wasserressourcen, andere Gebäude kosten eine Stange Geld, sorgen jedoch für zufriedene Einwohner in der Stadt. Hinzu kommt all das, was Spielern auch im Videospiel schon Kopfzerbrechen bereit hat: Kriminalität, Verkehr, Stromversorgung, Umweltverschmutzung. Alle Faktoren treten in unterschiedlichen Intensitätsgraden auf, die das Spielgeschehen beeinträchtigt.
Und dann kommt mal wieder König Zufall: Statt wild bauen zu können, sind Spieler auf die Auslage angewiesen. Diese besteht aus fünf gezogenen Karten. Etwas abgemildert wird der Glücksfaktor dadurch, dass unpassende Karten auch getauscht werden können – das kostet allerdings Geld, das dann möglicherweise an anderer Stelle fehlt. Besonderes gelungen ist dabei, dass die Gebäude in ansteigenden Baustufen zur Verfügung stehen, jeweils verbunden mit festgelegten Bedingungen. Und weil diese Idee sich zusätzlich in der Grundform der Teile widerspiegelt, wird am Ende doch ein wenig gepuzzelt auf dem Spieltisch. Bei jeder Platzierung sollte man zudem die umliegenden Plättchen beachten, um Boni auszulösen und Verbindungen zu schaffen. Aufgrund des vergleichsweise kleinen Spielplans ist das gar nicht so leicht, denn viel Raum für Experimente ist nicht vorhanden. Erweiterungen sind zwar möglich, kosten aber wieder Geld.
Für Übersicht über den gemeinsamen Erfolg der Spieler sorgt eine Tafel, die stehts über den Zustand der Stadt informiert. Bei jeder Veränderungen entstehen neue Gespräche unter den Planern – und genau das macht unter anderem den Reiz dieses Brettspiels aus. Wer sich an den Zufallsfaktor gewöhnen kann und sich nicht an mitunter gleichförmig ablaufenden Partien stört, bekommt ein hoch-interaktives, kooperatives Erlebnis, das die Spieler nicht über viele Stunden an den Tisch fesselt, sondern in einer überschaubaren Zeit für Unterhaltung sorgt.
Cities Skylines will nicht das komplexeste Städtebau-Brettspiel sein, sondern eines, das Raum für Optimierungen und neue Pläne in zukünftigen Partien schafft. Manchmal ist auch eine gewisse Risikobereitschaft notwendig, um eine Chance auf ein Vorankommen zu haben. Und wenn der Plan scheitert? Dann fängt man von vorn an. Das mag nicht jedem gefallen, passt jedoch zum Spiel. Wandert der Punktezähler auf dem schicken 3D-Aufsteller in die Höhe, haben Spieler nicht nur vieles richtig gemacht, sondern können sich über Erfolge tatsächlich freuen.
Und wer sich an das Grundspiel gewöhnt hat, kann seine Erfahrung einsetzen, um den Spielplan zu erweitern und die vier Szenarien anzugehen, mit denen dann jeweils spezielle Karten den Weg ins Spiel finden. So etwa einzigartige Gebäude, Rollenkarten oder News, die für schlechte Stimmung in der Stadt und damit Nachteile sorgen. Diese Mini-Ideen sind toll, sorgen für etwas Abwechslung und erhöhen den Grad der Herausforderung.
Dass bereits in der Spielanleitung einige Tipps für angehende Städtebauer aufgelistet sind, zeigt, wie anfällig für Spielfehler das Konzept grundsätzlich ist. Cities Skylines macht vor allem dann richtig viel Spaß, wenn man das Konzept bis zum Ende durchblickt hat. Das wiederum setzt Kartenkenntnis voraus – hat man allerdings alles einmal gesehen, schwindet auch die Motivation. Ein kleiner Teufelskreis, mit dem das Städtebau-Brettspiel zu kämpfen hat. Bis es soweit ist, vergehen allerdings einige Partien und damit einige Stunden.
Infobox
Spielerzahl: 1 bis 4 Spieler
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: 35 bis 80 Minuten
Schwierigkeit: mittel
Langzeitmotivation: mittel
Verlag: KOSMOS
Autor: Rustan Hakansson
Erscheinungsjahr: 2019
Sprache: deutsch
Kosten: 35 Euro
Fazit
So komplex die Entscheidungen hinter den einzelnen Handlungen bei Cities Skylines auch sein mögen: Dass die Anleitung nur sechs Seiten umfasst und Spielern die wesentlichen Kniffe von Beginn an vermitteln kann, zeugt von einer gelungenen redaktionellen Ausarbeitung. Kosmos hat diesbezüglich alles richtig gemacht und leistet sich auch sonst keine groben Schnitzer. Die Vorlage bringt Cities Skylines: Das Brettspiel besser auf den Tisch als man es von einem Lizenzspiel vielleicht erwartet hätte.
Der Städtebau bleibt herausfordernd – zumindest bis zu dem Punkt, an dem man alle Synergien und das Mikromanagement durchblickt hat. Ab dann stellt sich eine Routine ein, die nur noch durch den Glücksfaktor durcheinander gebracht werden kann. Es gibt bei der Brettspielvariante von Cities Skylines stets gleichbleibende Handlungen: Man schaut zunächst auf die Verwaltungstafel, vergegenwärtigt sich der drängenden Problem der Stadt und arbeitet an der Behebung – sofern man auf die passenden Karten zugreifen kann.
Und genau darin liegt für erfahrene Spieler der größte Kritikpunkt. Man kann das Schicksal seiner Metropole nur bedingt lenken. Das sind Unwägbarkeiten, die im Videospiel so nicht zum Tragen kommen: Wird das Wasser knapp, kümmert man sich als Städteplaner um die Versorgung. Genau das muss man auch in der Brettspiel-Variante tun, kann das aber nur umsetzen, wenn man auch das passende Handwerkszeug zur richtigen Zeit parat hat. So rückt das Spielende manchmal früher näher als einem lieb ist – und man kann nichts machen. Die Tauschoption gegen harte Währung mildert in vielen Fällen nur unzulänglich ab.
Der eingeschränkten Planbarkeit steht hohe Interaktivität gegenüber. Das macht auch den Reiz von Cities Skylines: Das Brettspiel aus. Im Solo-Modus überwiegt dagegen das Glück – weil der reizvolle Austausch fehlt, verliert der Titel hier an Qualität.
Mit der „echten Planung“ bei einer digitalen Städtebausimulation hat das Brettspiel vergleichsweise wenig gemein, die Optik stimmt dafür und fängt das Thema gut ein. Sich eine Stadt auf dem Spieltisch zurechtzulegen und das Wachstum zu bewundern, ist unterhaltsam. Man darf bei Cities Skylines eben nicht nur auf die Punktetafel schauen – auch wenn es genau darum im Endeffekt bei dem Brettspiel geht. Über den etwas zähen Einstieg – mechanisch, nicht regeltechnisch – muss man hinwegsehen können, dann vermag Cities Skylines: Das Brettspiel sein Potenzial auch zu entfalten.