Mit der Veröffentlichung der „Dark-Side-Expansion“ rund ein Jahr nach Erscheinen des Grund-Sets, hat das Augmented-Reality-Spiel Jedi Challenges wieder an Aktualität gewonnen. Statt wie bisher nur für die Guten zu kämpfen, dürfen Fans virtueller Schwertkämpfe nun auch in die Rolle der Sith schlüpfen. Zeit für Besuch in der interaktiven Arena: Wie sich die AR-Klopperei in der Praxis schlägt, verraten wir in unserem Test zu Jedi Challenges von Lenovo..
Star Wars wird zur Nische
Auch wenn Star Wars draufsteht: Was Lenovo in Kooperation mit Disney geschaffen hat kann man durchaus als Nischenprodukt bezeichnen, denn nicht zuletzt Hardware-Limitierungen sorgen dafür, dass nur eine eng umgrenzte Gruppe Spaß mit dieser AR-Spiele-Hardware haben darf. Damit Jedi Challenges zu Hause einschlagen kann, wie der Todessternlaser in die Planetenoberfläche von Alderaan, müssen vor allem drei Dinge zusammenkommen: Man muss Augmented-Reality-Technologien mögen, man sollte Star Wars nicht abgeneigt sein und – das ist jetzt am wichtigsten – man muss zwingend eines der unterstützen Smartphones sein Eigen nennen. Dazu zählen das Moto Z von Motorola, das Google Pixel (XL), die Galaxy-Geräte S7 (Edge) und S8 von Samsung, das LG G6, das Mate 10 und die Pro-Version sowie die Apple-Endgeräte iPhone 6S (Plus), iPhone 7 (Plus) oder iPhone X.
Wir haben das Samsung Galaxy S9 zusammen mit Jedi Challenges ausprobiert und dank dem beiliegenden, passenden Adapter hat auch dieses Endgerät einwandfrei funktioniert.
Übrige Smartphones sollten vor dem Kauf auf Kompatibilität hin überprüft werden, Aufschluss darüber geben in Zweifelsfällen die offizielle Lenovo-Webseite oder der Kundendienst. Ansonsten enthält die – übrigens sehr wertig verarbeitete – Spielebox alles, was angehende Lichtschwertkämpfer für ihren Einstieg in das Abenteuer benötigen, darunter das Lenovo Mirage AR-Headset, der Lichtschwert-Controller, ein Peilsender sowie diverse Adapter und Verkabelungen.
Vor allem der schicke Lichtschwert-Controller weiß zu begeistern. Das Steuergerät ist ebenso solide verarbeitet wie die übrigen Hardwarekomponenten, kann sich in den Händen großer Wookie-Krieger allerdings als etwas zu klein herausstellen. Immerhin: das Laserschwert fasst sich wunderbar an, die Haptik passt. Bereits kurz nach dem Auspacken kann man sich als Spieler gut vorstellen, wie man die Waffe im „erweiterten Wohnzimmer“ gegen Dutzende von Kampfdroiden schwingt.
Knifflig die Kalibrierung ist
Bevor die erste Schlacht überhaupt beginnen kann, muss die Hardware von Jedi Challenges zunächst eingerichtet werden. Und das erweist sich mitunter als durchaus knifflig. Ja, das System funktioniert wie eine Art „Plug and Play“: Passende App aus dem Store herunterladen, Peilsender aufstellen und das Lichtschwert bereitlegen – bis dahin alles kein Problem.
Dann will die AR-Brille betriebsbereit gemacht werden und die Geduldsprobe beginnt. Technisch versierte Spieler wird die Einrichtung des Mirage-Headsets kaum vor Schwierigkeiten stellen, dennoch kommt der Eindruck auf, man hätte die notwendigen Einstellungsschritte einsteigerfreundlicher gestalten können, vielleicht müssen. Das Smartphone muss aus der Schutzumhüllung (sofern vorhanden) befreit werden, in ein Kunststofffach gelegt, verkabelt, in das Headset geschoben und arretiert werden.
Anschließend erfolgt noch die Kalibrierung der Bewegungssteuerung des Lichtschwertes. Zusammengenommen dauert die Bereitmachung mehrere Minuten – und das jedes Mal. Bedenkt man nun noch, dass das Headset aufgrund des doch spürbaren Gewichts kaum zum „Dauerzocken“ geeignet ist, kann man den Vorgang insgesamt als nervig bezeichnen. Allerdings: Die beiliegende Anleitung sowie die Anweisungen auf dem Smartphone führen selbst unerfahrene Spieler problemlos durch den gesamten Einrichtungsprozess.
Lenovo Mirage: Ein Headset wie eine Diva
Neben dem Lichtschwert ist das Headset der eigentliche Star von Jedi Challenges. Das solide verarbeitete Gestell projiziert das Geschehen auf dem Smartphone-Display mithilfe von Zerstreuungslinsen direkt in das Sichtfeld des Spielers und zwar zusätzlich zur realen Sicht. Was sich in englischer Sprache „Augmented Reality“ nennt, kann man hierzulande auch – weit weniger kryptisch – als erweiterte Realität bezeichnen. Sämtliche Inhalte werden also in die physische Umgebung des Spielers projiziert. Und genau das erweist sich als hervorragender Kniff bei diesem bewegungslastigen Star-Wars-Spiel. Nicht selten taucht man derart tief in das Geschehen ein, dass das Mobiliar dem Schwertschwinger gefährlich nah kommt. Glücklicherweise bekommt man das meisten rechtzeitig mit.
Was etwas stört bei eben jenen intensiven Bewegungen, ist das Headset selbst. Das Gewicht liegt durch das eingelegte Smartphone weit im vorderen Bereich: Das drückt bei längeren Spielsessionen unangenehm auf die Nase. Ansonsten trägt sich das Mirage-Headset allerdings sehr komfortabler und vor allem sicher. Es sitzt fest, ist gut gepolstert und lässt sich an die Kopfgröße des Spielers anpassen. Die Klettverschlüsse machen einen hochwertigen und langlebigen Eindruck. Und praktischerweise sind an der Seite drei Bedienknöpfe eingelassen, um die App währen des Spielens zu steuern, denn an das Smartphone kommt man dann nicht mehr heran.
Mit Strom versorgt wird das Headset, ebenso wie das Lichtschwert, über einen eingebauten Akku. Und genau an dieser Stelle patzt Lenovo in der B-Note. Statt für beide zu ladenden Geräte das passende Zubehör beizulegen, enthält die Spielebox nur eine Garnitur: entweder lädt man die Geräte also nacheinander auf – oder man verfügt im Haushalt über einen zweiten Stecker samt USB-Kabel. Der Peilsender wird übrigens mit zwei Batterien betrieben.
Es geht los: So spielt sich Star Wars Jedi Challenges
Ist alles erfolgreich eingerichtet und Platz im Kampfraum geschaffen, kann es endlich losgehen. Zugegeben: Man ist als Spieler neugierig, was einen erwartet. Und in den ersten Minuten wird man nicht enttäuscht, was vor allem daran liegt, dass die grafische Präsentation viel besser ist als man von einer „Spiele-App“ erwarten würde. Die bläulich schimmernden Hologramme sehen hervorragend aus und auch die Bewegungen der Charaktere gestalten sich flüssig. Und all das, während man den Blick über seine bekannte Wohnumwelt schweifen lässt.
Im Menü wählt man zunächst – entweder mit dem Lichtschwert-Controller (cool!) oder mithilfe der Tasten am Mirage-Headset (uncool!) – seinen favorisierten Spielmodus aus. Zur Wahl stehen der Lichtschwertkampf, der Spieler in eine mehrere Runden andauernde Schlacht gegen Kampfdroiden schickt, bevor im großen Finale einer der legendären Sith sozusagen als „Endboss“ besiegt werden soll.
Taktik-Füchse wählen möglicherweise lieber die strategischen Schlachten als Spielvariante, die an klassische Tower-Defense-Matches angelehnt sind. Spieler errichten Verteidigungsbauten und rufen Truppen und Heldenfiguren aus George Lucas‘ Sci-Fantasy-Epos auf das Schlachtfeld. Statt wie im Lichtschwert-Modus aus der Egoperspektive zu agieren, betrachten Spieler das Geschehen aus einer Draufsicht: das ist zwar weniger schön, spielerisch allerdings enorm wertvoll, denn die Perspektive trägt enorm zu einer guten Übersicht bei. Spielerisch ist dieser Modus fordernder als man vermuten würde, denn der Schwierigkeitsgrad steigt kontinuierlich an. Mit ihm wächst jedoch auch die Kampfstärke der eigenen Truppen. Klasse!
Der letzte Modus sollte niemals gegen einen Wookie gespielt werden: Holoschach.
Das intergalaktische Star-Wars-Brettspiel kann eher als nette Dreingabe bezeichnet werden, denn mehr als seichte strategische Duelle bietet diese Spielvariante nicht. Unterhaltsam sind die kurzen Holoschach-Partien dennoch, nicht zuletzt, weil man sich als Star-Wars-Fan in die Zeit zurückversetzt fühlt als man „Eine neue Hoffnung“ zum ersten Mal gesehen hat. Immerhin: Auch in diesem Modus verändert sich die Anzahl an verfügbaren Kreaturen, was für Motivation sorgt.
Mehrspieler-Modi sind natürlich auch vorhanden: entweder beharken Spieler sich dann in klassischen Lichtschwert-Duellen oder in den Schlachtschiff-Kämpfen. Letztere versetzen Spieler in die Rollen von Admirälen, die die Geschicke ihrer Flotte steuern müssen.
Hektik führt zu Glasbruch
Wie sehr das AR-Spiel Star Wars Jedi Challenges Spieler schon nach kurzer Zeit in den Bann zu sehen vermag, merkt man daran, dass die Wohnumwelt trotz ihrer optischen Präsenz in Vergessenheit gerät. Allzu eifrige Lichtschwertakrobaten müssen aufpassen, wenn Ausfallschritte oder Schwertschwünge besonders ausladend ausfallen, denn dann rückt nicht selten doch ein Möbelstück in die Schlagreichweite. Im Grunde ist das ein gutes Zeichen, das belegt, wie immersiv die AR-Erfahrung tatsächlich sein kann. Mitunter werden die insgesamt eher seichten Kämpfe zu schweißtreibenden Angelegenheiten; was dankenswerterweise nicht aufkommt, ist Übelkeit, also die bekannte Motion Sickness.
Was Spieler manchmal spüren lässt, dass die Handlungen nur ein einer Spielwelt stattfinden, ist die Tatsache, dass das Lichtschwert bei misslungener Kalibrierung nicht deckungsgleich mit dem physischen Lichtschwert-Controller abschließt. Dadurch wirken Bewegungen dann unrund und fühlen sich merkwürdig an. Zwar lässt sich das beheben, doch die Ablenkungen führen dazu, dass Spieler manchmal völlig orientierungslos durch die virtuelle Arena schauen und den Blick für das Wesentliche – nämlich die Gegner – verlieren. Das sogenannte Tracking ist insgesamt als solide zu bezeichnen. Es funktioniert und reagiert, allerdings nicht immer präzise
Einige Schwierigkeiten bereitet bisweilen auch das Sichtfeld, denn die Hologramme verlangen nach einem Mindestabstand, damit sie „bildschirmfüllend“ in ihrer vollen Pracht wahrgenommen werden können. Sind gegnerische Einheiten zu nah am Spieler, sieht man manchmal nur Ausschnitte. Gepaart mit der nicht ganz einwandfreien Bildstabilität bei Bewegungen (die Hologramme flackern dann) werden manche Spielsituationen sehr hektisch und unübersichtlich. Das ist vor allem deshalb schade, weil Anwendungen einiger anderer Hersteller dieses Problem nicht haben.
Dennoch: Was Lenovo mit Jedi Challenges auf die Beine gestellt hat, überrascht, und zwar im positiven Sinne. Betrachtet man das Gebotene dann noch unter dem Gesichtspunkt des Preis-Leistungsverhältnisses, kann man das AR-Abenteuer bedenkenlos allen Star-Wars-Fans empfehlen. Mittlerweile liegen die Kosten weit unter dem einstigen UVP von 299 Euro, teilweise rutscht der Anschaffungspreis sogar unter 100 Euro.
Beschäftigt sind Spieler mit den Inhalten rund 10 bis 15 Stunden. Der vorhandene Mehrspieler-Modus sorgt anschließend aber für einen zusätzlichen Motivationsschub – entsprechende Hardware natürlich vorausgesetzt.
Media zu Star Wars Jedi Challenges
Infobox
Spielerzahl: 1 bis 2 Spieler
Alter: ab 0 Jahren (USK)
Spieldauer: 10 bis 15 Stunden
Schwierigkeit: niedrig bis mittel
Langzeitmotivation: mittel
Publisher: Lenovo / Disney
Entwickler: Lenovo
Erscheinungsjahr: 2017 (Inhalts-Update 2018)
Plattformen: Android, iOS
Sprache: Deutsch
Kosten: 99 bis 149 Euro
Fazit
Der AR-Lichtschwertsimulator hat seine technischen Macken, funktioniert über weite Strecken allerdings gut. Es bleibt die Frage danach, wie gut aktuelle kostengünstige Hardware derartige Spielideen überhaupt zuverlässig umsetzen können. Inhaltlich kann das – im Laufe der Zeit durch sinkende Anschaffungskosten und neue Inhalte immer attraktiver gewordene – Hardware-Paket jedenfalls.
Die Atmosphäre jedenfalls versprüht ein enormes Star-Wars-Feeling, das die Herzen der Fans höherschlagen lassen wird. Zudem ein unschätzbarer Pluspunkt: Jedi Challenges kann auch überall dort gespielt werden, wo kein leistungsstarker Gaming-PC vorhanden ist. Das im Herbst erschienene Inhalts-Update beweist, dass Lenovo die Idee weiter unterstützt – also auch an Bugfixes arbeitet, um einige deutlich spürbare Fehler auszubügeln.
Ja, man findet einige Kritikpunkte, unter anderem auch solche, die das Spielerlebnis nachhaltig beeinflussen. Trotzdem bietet Star Wars Jedi Challenges von Lenovo Nutzern eine Spielerfahrung, die bislang kein anderer Titel zu bieten hat.