Jeder kennt es, fast jeder hat es: Ein Smartphone. Für viele sind die mobilen Alleskönner heute unverzichtbarer Teil ihres Alltags geworden. Ob zum Telefonieren oder um Nachrichten zu versenden – bei Milliarden Menschen geht der erste Griff automatisch zu ihrem mobilen Gerät. Smartphones haben die Art verändert, wie wir kommunizieren – und auch, wie wir spielen.
Mobile Games erfolgreich
Montagmorgen, eine U-Bahn auf dem Weg in die Innenstadt: Eine ältere Dame sortiert bunte Süßigkeiten, der junge Mann neben ihr versucht mit dem Daumen ein Tor zu schießen. Ein alltägliches Bild, das den Siegeszug der Spiele-Apps anschaulich macht. Mobiles Spielen ist heute ein beliebter Zeitvertreib über alle Generationen hinweg.
Während bis in die 2000er Jahre noch vor allem auf schnellen Gaming-PCs und Konsolen gespielt wurde, sprechen Mobile Games heute auch viele Menschen an, die bisher nicht oder nur wenige gespielt haben. In Deutschland nutzen aktuell über 18 Millionen Menschen ihre Smartphones zum Spielen. Damit sind die Geräte Deutschlands beliebteste Spieleplattform.
Dass Mobile Games so erfolgreich sind, liegt vor allem an ihrer ständigen Verfügbarkeit und leichten Zugänglichkeit.
„Das leistungsstarke Smartphone ist immer in der Tasche. Dazu kommen die hohe Qualität und die große Auswahl an Spielen, die leicht zugänglich sind. Früher setzten die großen Studios vor allem auf große Hits. Durch einen fixen Preis und regelmäßige Ergänzungen ließen sich so idealerweise die hohen Entwicklungskosten einspielen, gute Gewinne erzielen und eventuell weniger erfolgreiche Titel aus dem eignen Haus auffangen.“
Jörg Müller-Lietzkow, Professor für Medienwissenschaften der Universität Paderborn.
Im App-Store finden Spieler heute generationsübergreifende kleine Spiele für zwischendurch, sogenannte Casual Games, und auch auf epische Welten sowie eine tolle Grafik muss heute keiner mehr unterwegs verzichten. Durch mobile Spiele kann jeder immer das spielen, was er will und wo er will. Dieser Wandel hat auch zu einem Umdenken in der Games-Entwicklung geführt. Mit mobilen Spielen hat sich zu den sogenannten Vollpreistiteln ein weiteres Geschäftsmodell gesellt, das als Free-to-Play bezeichnet wird.
Bei Free-to-Play können Spiele kostenfrei heruntergeladen und genutzt werden. Der Spieler entscheidet hier selbst, ob und wenn ja, wie viel Geld er ausgeben möchten. Per In-Game-Kauf werden vor allem neue Level oder sogenannte Skins gekauft, mit denen der eigene Spiele-Charakter personalisiert werden kann. Was im Vergleich zu den klassischen Vollpreisspielen gleichgeblieben ist: Man muss genug Spieler von seiner Idee überzeugen.
Ein Mobile Game braucht heute mindestens eine Million Spieler, um profitabel zu sein.
Jörg Müller-Lietzkow
Nach Müller-Lietzkow braucht ein Mobile Game heute mindestens eine Million Spieler, um profitabel zu sein. Denn hiervon geben in der Regel etwa zehn Prozent der Spieler Geld im Spiel aus, wiederum zehn Prozent davon regelmäßig. Um die magische Spieler-Grenze zu knacken, setzen inzwischen fast alle Studios auf internationale Produktionen für die großen Märkte in den USA und Asien.
Dieser neue Ansatz lohnt sich: Wer es mit seiner Idee in den App Stores von Apple und Google ganz nach oben schafft, kann mit mobilen Spielen gutes Geld verdienen. Der Markt für Gaming-Apps wächst seit Jahren im zweistelligen Bereich. Für 2019 erwarten Experten, dass die Spiele-Branche 60 Prozent ihres Umsatzes mit Titeln auf Tablets und Smartphones macht.
„Spiele-Apps sind einer der größten Wachstumstreiber des globalen Games-Markts. Nach Schätzungen der Marktforscher von App Annie soll der weltweite Umsatz mit Spiele-Apps bis 2022 auf über 113 Milliarden Euro ansteigen. Gaming-Apps sind damit der wesentliche Treiber der gesamten App-Ökonomie.“
Felix Falk, Geschäftsführer des game – Verband der deutschen Games-Branche
Allerdings steigt mit dem wachsenden Markt auch die Konkurrenz. So können beispielsweise US-amerikanische Smartphone-Nutzer heute aus einem Angebot von mehr als 800.000 Spiele-Apps wählen. Im Durchschnitt werden mehr als 2.000 Spiele-Apps jeden Monat beziehungsweise über 60 pro Tag veröffentlicht. Die Marketing-Kosten, um in diesem stark wachsenden Angebot überhaupt noch von einer ausreichend großen Anzahl von Spielern wahrgenommen zu werden, sind deshalb in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Insbesondere kleinere Entwickler-Teams, wie sie für die Games-Branche in Deutschland typisch sind, haben aufgrund der schwierigen finanziellen Rahmenbedingungen häufig nicht die Möglichkeiten, hier mitzuhalten.
„Seit Jahren sinkt der Anteil deutscher Spiele-Entwicklungen am hiesigen Gesamtmarkt. Spiele-Apps aus Deutschland machen gerade noch 3,7 Prozent aus. Es besteht also eindeutig Handlungsbedarf.“
Felix Falk, Geschäftsführer des game – Verband der deutschen Games-Branche
Der von der Bundesregierung bewilligte Games-Fonds in Höhe von 50 Millionen Euro sei deshalb ein wichtiger Schritt und müsse nun schnell umgesetzt werden. Denn dass es echte Mobile-Erfolgsgeschichten „made in Germany“ gibt, zeigen Beispiele wie Kolibri Games, Softgames oder Fox and Sheep.
Kolibri Games – Überraschungserfolg aus der WG
Auch wenn der App-Markt immer größer und unübersichtlicher wird und immer mehr große Unternehmen mit gewaltigem Marketing-Budget und Man-Power auf den nächsten Erfolg drängen, gibt es sie noch – die Erfolgsgeschichten kleiner Entwickler-Studios, die mit wenigen Leuten einen internationalen Erfolg landen. Eine solche Geschichte kann Daniel Stammler von Kolibri Games erzählen. In einer Karlsruher Studenten-WG haben Stammler und drei Mitstreiter ihr Spiel „Idle Miner Tycoon“ entwickelt. Heute, knapp drei Jahre später, wurde die App bereits über 60 Millionen Mal heruntergeladen. Täglich gehen rund 1,5 Millionen Spieler aller Altersgruppen in ihrem digitalen Bergwerk auf die Suche nach seltenen Edelsteinen.
„Idle Miner Tycoon“ war von Anfang an sehr international ausgelegt. Vor allem aus den USA und Europa kommen die Spieler, doch auch in Asien wächst die Fanbase. Inzwischen sorgen die Spieler für mehr als 40 Millionen Euro Umsatz pro Jahr. Eine stolze Summe für ein Spiel, das innerhalb von zwei Monaten entwickelt und fast ohne Marketing auf den Markt gebracht wurde.
„Wir waren von unserer Idee und dem guten Spielgefühl überzeugt. Deshalb wollten wir unsere App so schnell wie möglich rausbringen und das Spiel im Dialog mit der Community weiterentwickeln.“
Daniel Stammler, Gründer Kolibri Games
„Idle Miner Tycoon“ besticht durch Eingängigkeit. Schlechte Entscheidungen verlangsamen höchstens den Erfolg. Ein Scheitern ist aber quasi unmöglich. Auch ohne stündlichen Blick in die eigene Mine läuft das Geschäft mit den virtuellen Steinen. In-Game-Käufe sind nicht zwingend nötig, der Erfolg stellt sich auch so ein. Etwa ein bis zwei Prozent aller Spieler kaufen trotzdem regelmäßig hilfreiche Goodies. Das macht ungefähr die Hälfte der Einnahmen aus. Die andere Hälfte verdient Kolibri Games mit Werbung. Für das Schauen von rund 30-Sekündigen Clips innerhalb des Spiels erhalten die Gamer eine Belohnung. Das Prinzip kam von Anfang an gut an. Schon nach wenigen Monaten konnte die junge Firma erste Mitarbeiter einstellen und in Marketing und den Ausbau ihrer Spielewelt investieren.
Bis heute gibt es fast wöchentlich kleinere Updates. Das garantiert langfristigen Spielspaß und sichert die Treue der Spieler. Inzwischen hat das Unternehmen 90 Mitarbeiter, zog im vergangenen Jahr nach Berlin. Ein wichtiger Grund für diesen Schritt: In der Hauptstadt sind Mobile-Gaming-Experten leichter zu finden als in Karlsruhe.
„Mittelfristig wollen wir noch weitere Titel auf den Markt bringen. Schön wären fünf gutlaufende Spiele.“
Daniel Stammler, Gründer Kolibri Games
Auch ein zweites Spiel hat Kolibri bereits auf den Markt gebracht. „Idle Factory Tycoon“ funktioniert nach dem gleichen Prinzip wie der Vorgänger und ist ähnlich erfolgreich. Auch hier wurde die Eine-Million-Spieler-Grenze bereits nach einigen Monaten geknackt.Die überschaubare Zahl birgt aus Sicht des Gründers zwei wichtige Vorteile: Der Kontakt zu der Community geht nicht verloren und die Titel lassen sich laufend weiterentwickeln.
Die Zukunft der Mobile Games spielt im Messenger
Einen ganz anderen Ansatz verfolgt hingegen Softgames-Gründer Alexander Krug. Sein Berliner Studio hat sich in den letzten zehn Jahren zu einem der größten Entwickler von HTML-5- und Messenger-Games weltweit entwickelt. Mehr als 500 Titel stammen aus seinem Haus – Varianten von Mahjong, Quiz-Spiele, Rennsimulationen oder kleine Aufbauspiele. Eins haben sie alle gemeinsam, sie lassen sich kostenlos und ziemlich unkompliziert spielen. Zu finden sind sie auf zahlreichen Websites – wie Spielen.de oder Yahoo. Ein Geschäftsmodell, das seit vielen Jahren gut funktioniert.
Die Portale hoffen, mit den Spielen ihre User länger auf der Website zu halten und ihnen mehr Werbung zeigen zu können. Ein noch deutlich größeres Potential liegt aber im zweiten Schwerpunkt des Berliner Studios. Statt in einer eigenständigen App werden viele Softgames-Spiele direkt im Messenger von Facebook, WeChat und Co gespielt. Facebook startete seine Spieleplattform Instant Games im November 2016 mit nur 15 ausgewählten Partnern, darunter Softgames, und öffnete seinen Messenger im Frühjahr 2018 nach erfolgreicher Testphase schließlich für alle externen Spiele-Entwickler. Viele andere Dienste folgten dem Beispiel des sozialen Netzwerks. Ein Schritt, der Sinn macht: Nur Textnachrichten und der Austausch von Videos und Bildern reichen nicht mehr, um die Nutzer lange genug zu binden.
Und auch Krug glaubt an das gewaltige Potential der Messenger Games.
„Messenger werden von allen Altersgruppen und auf der ganzen Welt genutzt. Gerade in Asien sehen wir einen gewaltigen Boom der Messenger-Spiele.“
Alexander Krug, Gründer Softgames
Tatsächlich könnte die weltweite Zahl von Messenger-App-Nutzern in nächsten Jahren auf bis zu 2,5 Milliarden ansteigen. Interessiert sich nur ein Bruchteil von ihnen für die angebotenen Spiele, steht eine große Mobile-Games-Revolution mit „gewaltiger Reichweite“ an. Der Reiz und das Potential der Messenger Games liegt aus Sicht von Krug vor allem in der sozialen Komponente. Das Spiel findet in direkter Interaktion mit Freunden und Familie statt, mal gegeneinander, mal miteinander. Der Erfolg kann schnell geteilt werden – entweder in der Instagram-Story oder der WhatsApp-Gruppe. Und tatsächlich: Mit Messenger Games verbringen die Leute deutlich mehr Zeit als mit anderen Spielen. So hat „Cookie Crush“ von SOFTGAMES, eine ziemlich erfolgreiche und bunte 3-Gewinnt-Variante, eine durchschnittliche Verweildauer von 25 Minuten.
Fox & Sheep – Hochwertige Apps für Kinder
Mobile Games haben für die Spiele-Entwickler ganz neue Zielgruppen erschlossen – neben Senioren gehören dazu auch Kinder mit ihren Eltern. Smartphones und Tablets sind für die nachkommenden Generationen natürlicher Teil des Aufwachsens. Entsprechend viele Apps für Kleinkinder finden sich in den digitalen Stores von Google und Apple. Eins der größten und bekanntesten Studios für kindgerechte Apps ist „Fox & Sheep“ aus Berlin. 2011 bewies die Gründerin Verena Pausder ein Gespür für Trends. Gerade erst war das iPad auf den deutschen Markt gekommen.
„Mit ihrer Darstellung und der intuitiven Handhabung sind Tablets und Smartphones gut für Kinderhände geeignet. Gleichzeitig fehlten damals die passenden Inhalte.“
Timo Dries, Executive Director
Und genau diese passenden Inhalte liefert seither das Studio. Mit Erfolg: Ende 2014 stieg Spielehersteller HABA bei Fox & Sheep ein. Das Erfolgsgeheimnis der Berliner Gründer: Sie sind selbst Eltern und verstehen die Bedürfnisse anderer Erwachsener. Denn sie entwickeln zwar Spiele für Kinder, doch überzeugen müssen sie die Erziehungsberechtigen.
„Oft spielen die Mütter oder Väter selbst eine Runde und überzeugen sich von dem pädagogischen Anspruch und der Kinderfreundlichkeit. Darauf muss man sich bei der Entwicklung einstellen.“
Timo Dries, Executive Director
So hätten die Eltern ein starkes Bedürfnis, ihre Kinder behutsam an digitale Spielwelt heranzuführen. Die Grafiken dürfen deshalb nicht zu schrill und bunt sein, die Spiele nicht völlig ausufern. Werbung ist genauso verpönt wie die penetrante Aufforderung, ein Level nach dem anderen zu spielen. Stattdessen suchen die Erwachsenen schöne, heile Welten. Neben dem Spaß sind ihnen Lerneffekte und Kreativität sehr wichtig. Darauf hat sich das Berliner Studio eingestellt.
Jedes Spiel startet beim ersten Öffnen zunächst mit einem Tutorial für die Eltern. Erst danach beginnt die offene und intuitive Welt für die Kinder, die sie im besten Fall auch noch selbst mitgestalten und beeinflussen können. Die Erwachsenen müsse man viel stärker an die Hand nehmen und ihnen alles zeigen. Die Kinder würden die Spiele von allein entdecken und zu Not die Eltern fragen, erklärt Dries.
Noch ein wichtiger Faktor: Statt Werbung oder In-Game-Käufe baut das Geschäftsmodell auf offline-spielbare Premium-Produkte für zwei bis vier Euro, alle Updates inklusive. Dazu kommen hohe Ansprüche in Sachen Ästhetik. So werden die Welten von professionellen Illustratoren gestaltet – manche Apps erinnern eher an interaktive Kinderbücher denn an bunte Spielchen. Zusätzlich können Eltern mit einem Timer die Spielzeit des Nachwuchses kontrollieren.
Mit diesem Konzept überzeugen die Macher nicht nur deutsche Eltern und Kinder. Spiele wie „Obstgarten“ oder „Kleiner Fuchs Tierarzt“ werden in 16 Sprachen übersetzt, für iOS und Android entwickelt und erscheinen in ganz Europa, China und den USA. Denn ohne die breite, internationale Ausrichtung geht es auch auf dem Markt der Kinder-Apps nicht. Die hochwertigen Illustrationen und die Entwicklung sind teuer, dazu kommen Support, Updates und Marketing-Budgets. Sechsstellige Beträge für die Entwicklung sind eher Standard als Ausnahme. Ohne zahlungswillige Spieler funktioniert auch dieses Geschäftsmodell nicht.
Mobile Games sind so beliebt wie nie. Ob zur Ablenkung, Unterhaltung oder Entspannung: Täglich greifen Milliarden Menschen weltweit zu ihren Smartphones und Tablets, um Spiele-Apps zu nutzen.
Schnell haben sich die mobilen Titel zum entscheidenden Wachstumstreiber für das gesamte Ökosystem rund Smartphones, Mobilfunk und App-Stores entwickelt.
Auch für die Games-Branche haben sich die Spiele zum bedeutenden Wachstumsmotor entwickelt. Die Branchen-Experten von App Annie prognostizieren ihnen für das laufende Jahr einen weltweiten Marktanteil von mehr als 60 Prozent. Der Anteil deutscher App-Entwicklungen an diesem Markt ist jedoch verschwindend gering. Mit dem Games-Fonds der Bundesregierung in Höhe von 50 Millionen Euro soll sich das nun ändern. Mit ihm sollen die Rahmenbedingungen geschaffen werden, um die gesamte Games-Entwicklung in Deutschland künftig zu verbessern. Damit es in Zukunft noch mehr erfolgreiche Spiele-Apps „made in Germany“ gibt.
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