Bis zum 8. Oktober können Fans aus aller Welt in Essen neue Brettspiele ausprobieren und in alten Schätzen stöbern. Der Startschuss fiel am Mittwoch um kurz nach 10 Uhr. Die Spieltische füllten sich schnell, in einigen Hallen blieb es jedoch zunächst ungewohnt leer.
Überraschend gemächlich strömten die Spielerinnen und Spieler mit der Öffnung der Tore gegen kurz nach 10 Uhr in die Hallen. Aus den Vorjahren kennt man das durchaus anders, denn nicht selten setzten eifrige Fans zum Sprint an, um einen der besonders raren Plätze an den jenen Tischen zu bekommen, auf denen die besonders angesagten Spiele bereit lagen. Und dann dauerte es tatsächlich viele Minuten, bis die Plätze belegt waren, Spielerinnen und Spieler loslegten und das taten, was die SPIEL in Essen eben ausmacht: Neuheiten ausprobieren.
Volle Hallen, guter Fluss
Das Team des veranstaltenden Friedhelm Merz Verlags hatte die geschätzte Besucherzahl bereits frühzeitig nach oben korrigiert. Ein zentraler Grund: Der Vorverkauf ist offenbar noch besser gelaufen als zunächst angenommen. Statt rund 180.000 Fans werden in Essen nun knapp 200.000 erwartet. Und schaut man sich in den Hallen um, könnte die Annahme durchaus zutreffen. Knallvoll war es. An den Tischen, in den Gängen, an den Kassen. Vor allem wenn es ums Bezahlen ging, musste so mancher Fans längere Wartezeiten in Kauf nehmen.
Zwei der besonders gefragten Spiele: die Wasserwelten-Erweiterung für Arche Nova von Feuerland Spiele oder Strohmann Games‘ Obsession. Am Stand des Kölner Verlags, der längst kein Geheimtipp mehr ist, bildete sich eine Schlange, die über die Halle hinausging. Verdutzt fragte eine Besucherin im Zwischengang, wofür man denn anstehen: „Strohmann Games. Obsession!“, die Antwort kam von jenem Fan, der zu diesem Zeitpunkt das Schild mit der Aufschrift „Ende der Schlange“ hielt. Die Entwicklung des Kleinverlags ist eindrucksvoll – startete man im Jahr 2020 mit drei Titeln in den damaligen Spielejahrgang, sind es dieses Mal zehn, darunter der aktuelle Sieger des Deutschen Spielepreises 2023: Planet Unknown. Chef-Strohmann Marcel Straub beweist immer mehr eine gute Nase für potenzielle Hits. Auch der Run auf Obsession ist durchaus nachvollziehbar: das Spiel gibt es in englischer Sprache schon seit rund fünf Jahren. Kein Verlag hatte sich offensichtlich an eine Lokalisierung herangetraut, also schlug Strohmann Games zu. Die wartenden Fans zeigen nun: die Entscheidung war goldrichtig.
Obsession ist ein Brettspiel, bei dem es um die britische Upper class im viktorianischen England geht. Man lenkt die Geschicke einer wohlhabenden Familie, versucht seinen Einfluss auszuweiten. Hierzu gestaltet man das Anwesen, lädt Gäste ein, sammelt Punkte. Das Expertenspiel ist verzahnt bis ins letzte Detail, überzeugt zudem mit seinem nostalgisch-modernen Charme. Und Erfolgsserien wie Netflix‘ Bridgerton dürften ebenfalls dazu beigetragen haben, dass Spielerinnen und Spieler ausgerechnet auf Obsession so abfahren.
Ebenfalls gefragt: Die Schnäppchen-Shops der Verlage. Auch dort standen Fans minutenlang an für die Aussicht auf einen guten Deal.
Das neue Hallenkonzept ist für langjährige Fans und Aussteller zunächst ungewohnt, nicht über all kam die Idee zunächst gut an. Schaut man dem Treiben der Menge in der Messe Essen jedoch zu, könnte man den Eindrucken bekommen, dass die Veränderung durchaus eine Berechtigung hat. Die Organisatoren beim Friedhelm Merz Verlag ziehen ein erstes vorsichtiges Zwischenfazit kurz nach dem Messestart: „Die Besucher sind im Fluss“, so SPIEL-PR-Mann Robin de Cleur. Er selbst hat das Experiment gewagt und es vom Startpunkt in rund sieben Minuten bis in Halle 3 geschafft. Ein Grund für die durchaus geordneten Besucherströme durch die Messehallen sind die geraden Gänge. Neben der Themenaufteilung ist das ein neues Detail, das insgesamt für etwas mehr Entspannung sorgt. Gegen Small-talk-Knubbel mitten im Gang, lange Schlangen an Verkaufsständen oder Grüppchenbildung an den Rändern der Spielflächen ist allerdings auch das Konzept machtlos. Hier und da staut es sich, am frühen Nachmittag war insbesondere in Halle 3 kaum mehr ein Durchkommen. Die guten Wirtschaftszahlen der Spielwarenbranche und der anhaltende Boom bei den Spielen muss sich schließlich irgendwo abbilden – an Messetagen ist das eben inmitten der proppenvollen Hallen. Das kann stören, manchmal nerven, aber es ist auch ein gutes Zeichen mit Blick auf die Zukunft der Brett- und Kartenspiele.
Man habe viel positives Feedback bekommen, freut sich de Cleur. „Es ist vor allem eine schöne Durchmischung“. In Halle 1 sind Rollen-, Sammelkarten- und Miniaturenspiele zu finden, in Halle 3 treffen Fans auf Kenner- und Expertenspiele. In den Hallen 2, 4, 5 und 6 warten Familienspiele, die vom einfachen Kinder- bis zum leichten Kennerspiel reichen. Ein positiver Nebeneffekt wird vor allem für kleine Verlage deutlich: Sie fristen kein Nischendasein mehr abseits der Besuchermassen, sondern sind teils mittendrin im Geschehen. Ob das neue Konzept Händlersicht also ankommt oder nicht, liegt vor allem an der Sichtweise. So mancher Aussteller musste zu Beginn Geduld aufbringen, denn der Großteil der Fans strömte über den Haupteingang Ost der Messe Essen in die Hallen. Entsprechend voll war es also zunächst in den Hallen 6 und 7, viele Besucher schauten sich zum Start dort um, setzten sich an freie Plätze. Die hinteren Bereich des Messegeländes füllten sich zwar nur langsam, aber sie füllten sich stetig. Gegen Mittag waren die Fans auch dort angekommen. Ein bisschen ist es für erfahrene Besucherinnen und Besucher eine Gewöhnungssache. Die alte Aufteilung kannte man seit vielen Jahren, konnte die Verlagsstandorte blind auf dem Hallenplan zeigen – nun ist der Blick auf die Karte gefragt, oder in die App. Dem Friedhelm Merz Verlag kann man jedenfalls kein mangelndes Engagement bei der Zurverfügungstellung von Informationen vorwerfen: interaktiv lassen sich die Pläne nutzen, vor allem die Smartphone-App hilft, um durch die Hallen zu navigieren. Hier schließt sich letztlich sogar der Kreis, denn durch die symmetrische Anordnung der Stände fällt die Orientierung leichter.
Aus den neuen Organisationsstrukturen ist jedenfalls abzulesen, dass die Veranstalter mögliche Probleme aufnehmen, analysieren und wo nötig ausbessern werden.
Bis Sonntag läuft die SPIEL’23 nun noch: 1.745 Neuheiten können Spielerinnen und Spieler auf der bislang größten Spielemesse in Essen ausprobieren. Niemals zuvor war die Veranstaltung flächenmäßig imposanter. Und auch hier spiegeln sich die Veränderungen des Platzkonzepts wider. Denn: Mehr Hallen brauchte es nicht, um noch mehr Quadratmeter an Ausstellungsfläche herauszuholen – rund 62.500 sind es und damit 25 Prozent mehr als im Vorjahr. Ob es auch für einen Besucherrekord reichen könnte, bleibt abzuwarten. Die Prognosen des Friedhelm Merz Verlags sind zumindest nah dran. Mit dem erfolgreichen Start in die Messewoche ist der Grundstein für eine deutliche Steigerung gelegt und nach überstandener Corona-Pandemie sind die Menschen hungrig nach Großevents.
Spielemesse in Essen: Fotos aus den Hallen
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